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Bildergalerie vom deutsch - polnischen Seminar

Deutsch-polnisches Seminar in Berlin: Stärker werden mit mehr Mitgliedern

Auf dem Treffen deutscher und polnischer Metallgewerkschafter vom 8. bis 13. Juli 2007 wurde ein 2003 begonnener Sozialer Dialog fortgesetzt und die grenzüberschreitende Kooperation mit polnischzen KollegInnen auf Betriebsebene erörtert. Das Besondere daran: Es war ein kleines Gipfeltreffen. Denn erstmals haben sich die beiden Vorsitzenden der polnischen Metallgewerkschaften und der Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen auf einem Wochenseminar ausführlich ausgetauscht. Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung Warschau beteiligte sich an dem Seminar.

„Hauptziel unserer Zusammenarbeit ist die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der MetallarbeiterInnen in Polen und die Förderung einer Europäischen Tarifpolitik“, sagte IG der Metall-Bezirksleiter von Berlin-Brandenburg-Sachsen, Olivier Höbel. Gemeinsam stärker werden – unter diesem Motto gingen die NSZZ Solidarnosc Metall und die Federacja Z.z. Metall OPZZ auf diesem Sommerseminar aufeinander zu.

Rückmeldungen der Teilnehmer und Einschätzungen der Veranstalter zufolge ist das Seminar gut gelungen. Theorie und Praxis standen dabei in einem guten Verhältnis, besonders dank zahlreicher Bespiele und durch die häufige Arbeit in Kleingruppen.

Das Engagement des Bezirksleiters der IG Metall, Olivier Höbel, bewerteten die TeilneherInnen positiv. Es zeige die hohe Wertschätzung der IG Metall für die deutsch-polnische Zusammenarbeit.
Schwerpunkte der Diskussion bezogen sich auf den Aspekt der prekären Arbeitsverhältnisse (unterschiedliche Arbeits- oder Werkverträge, Zeitverträge,  befristete Beschäftigung), Unternehmensverlagerungen in Länder wie die Ukraine und Russland, aber auch nach China und Indien. Inner- und außerbetriebliche Öffentlichkeitsarbeit. Mehrfach wurde der Wunsch nach einem intensiven Erfahrungsaustausch zu den unterschiedlichen Feldern gewerkschaftlicher Betriebspolitik geäußert, vor allem zum Seminarthema „Mitglieder gewinnen und Mitglieder halten“. Die polnischen KollegInnen wollten neue Mittel und Wege zur Mitgliedergewinnung kennen lernen, auch im Zusammenhang mit Beschäftigten in prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Beispiel: eine Kollegin erwähnte, dass sie viele Mitglieder unter Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen gewinnt, sie aber auch wieder verliert, wenn die Befristung endet. Ein weiterer Schwerpunkt war der Wunsch,  mehr über die zum „Thema über Strategien zur Gewinnung von jungen Mitgliedern zu erfahren und sich über unterschiedliche Entlohnung in internationalen Konzernen auszutauschen.

Die IG Metall stellte Projekte zur „Mitgliederentwicklung in Konzernen“ vor und erläuterte Chancen und Defizite. Im weiteren Verlauf des Vormittages wurde das Instrument des „gewerkschaftlichen Betriebsplanes“ als eine Möglichkeit zur systematischen Vorgehensweise im Betrieb vorgestellt und erläutert. Neben der Ist-Analyse beinhaltet dieses Instrument vor allem eine klare Aufgaben- und Verantwortungsteilung im Betrieb, um die umfassende Betreuung von Mitgliedern und die Ansprache von Nichtmitgliedern sicherzustellen.

Im Zusammenhang mit diesem Thema wurde auch die Bedeutung einer „guten Datenlage / Datenanalyse“ (Beschäftigten- und Mitgliederdaten) für die erfolgreiche Betreuung von Mitgliedern und die Gewinnung von Nichtmitgliedern deutlich gemacht. Daraus entwickelte sich eine intensive Diskussion, die neben den Fragen zum Einsatz und zur Vorgehensweise im Zusammenhang mit diesem Instrument auch wichtige Fragen zum Umgang mit den vorhandenen und zu erhebenden Daten betraf (Datenschutz und seine Bestimmungen und seine Anwendung in den beiden Ländern).


Anschließend wurde die Toolbox der IG Metall für systematische und nachhaltige Mitgliedergewinnung vorgestellt. Die Toolbox stellt eine umfassende Zusammenfassung der wichtigsten Strategien und Vorgehensweisen im Rahmen der Mitgliederentwicklung dar. Sie enthält viele organisatorische Hinweise, aber auch Strategien in Bezug auf unterschiedliche Zielgruppen. Sie steht sowohl als Papierexemplar als auch als CD-Rom zur Verfügung und bietet sehr umfangreiches Material zur Auswahl für die betrieblichen und überbetrieblichen Akteure von Mitgliederentwicklungsmaßnahmen.

Besonderes Interesse der polnischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer galt den so genannten „Rückholaktionen“, in deren Rahmen austrittswillige oder ehemalige Mitglieder persönlich oder telefonisch angesprochen werden. Dabei verfügt die IG Metall inzwischen über jahrelange Erfahrungen und hat erfolgreiche Strategien entwickelt, um die Zahl der Austritte zu begrenzen.

Thema des dritten Tages war die Optimierung betrieblicher Informations- und Kommunikationsstrukturen und die Wirkung des Erscheinungsbildes von Gewerkschaften auf die Bindung und Gewinnung von Mitgliedern.

Die polnischen TeilnehmerInnen verwiesen auf Probleme im Umgang mit der Presse, die nicht gewerkschaftsfreundlich sei. Es wurde aber auch auf Versäumnisse in der schulischen Ausbildung in Polen hingewiesen, aus der massive Informationsdefizite in Bezug auf Rolle und Aufgabe von Gewerkschaften und deren aktuelle Aktivitäten entstehen. Es wurde angemerkt, dass Gewerkschaften und gewerkschaftliche Fragen keinen bzw. wenig Platz in der Öffentlichkeit haben. Wenn, dann werden sie oft nur negativ besetzt dargestellt. Dies führt nach Meinung der polnischen Kolleginnen und Kollegen zu großen Schwierigkeiten insbesondere bei der Ansprache von Nichtmitgliedern, vor allem jungen Leuten. Diese haben oft keinerlei Vorinformationen über die Gewerkschaft und stellen deshalb deren Nutzen dementsprechend massiv in Frage. Ähnliche Probleme wurden von den deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestätigt, wenngleich nicht so massiv. Es wurde in diesem Zusammenhang auf den Tagesordnungspunkt „Vorfeldarbeit“ verwiesen, der am morgigen Tag vor allem in Bezug auf die Arbeit mit jungen Menschen Erfahrungen und Hinweise aus der Arbeit der IG Metall enthalten soll.

Hier ging es um die Entwicklung von Marketingstrategien und neuen methodischen Ansätzen aus dem Marketing. Dies schwerpunktmäßig zum Thema Information und Kommunikation, wo ausgewählte Marketingstrategien zur Vermittlung von Inhalten aber auch zur Mitgliederbindung und Mitgliedergewinnung entwickelt werden müssen. Dabei ist der Unterschied zum klassischen Produktmarketing wichtig. Beim Marketing der Gewerkschaftsleistung muss der Dienstleistungscharakter der erbrachten Leistungen („Produkte“) berücksichtigt werden. Damit ergibt sich die Notwendigkeit die „Intangibilität“ (Nicht-Sichtbarkeit bzw. Immaterialität / Nichtstofflichkeit) der (Dienst-)Leistung zu beachten. Außerdem muss das „Uno-actu Prinzip“ bei der Leistungserbringung als wesentliches Gestaltungselement der Leistungssituation beachtet werden. Das heißt Leistungserbringung und Leistungsabgabe fallen zeitlich unmittelbar zusammen. Darüber hinaus müssen sowohl die Aspekte der notwendigen Vorhaltung der Dienstleistungen (Ressourcen = in Vorleistung treten), als auch der Zusammenhang der Erbringung und zeitgleichen Verwertung der Dienstleistungen beachtet werden. Dies unter Berücksichtigung sowohl der Qualifikation der Leistungserbringer, aber auch der Akzeptanz der Leistungsnehmer (Umsetzungswahrscheinlichkeit!). Zu diesem „theoretischen“ Thema das anhand von zahlreichen Beispielen vermittelt wurde, entwickelten sich lebhafte Diskussionen, die im Rahmen von Kleingruppenarbeit vertieft wurden. Dabei stand die Frage nach der Anwendbarkeit und Übertragbarkeit im Vordergrund.

Zu den Themen dieses Tages konnten wir als Referent und Diskussionspartner den Bezirksleiter des Bezirkes Berlin-Brandenburg-Sachsen Olivier Höbel begrüßen. hinsichtlich der Mitgliederentwicklung erklärte er, dass es innerhalb der letzten beiden Jahre gelungen ist, die massiven Mitgliederverluste der Vorjahre zu reduzieren. Dazu haben eine Reihe von Aktivitäten und Projekten beigetragen, die im Anschluss erläutert wurden. Dazu gehören Vorhaben im Bereich der „prekären Arbeit“, der Arbeit mit jungen Menschen im Rahmen der so genannten „Vorfeldarbeit“ und Aktivitäten in der Berufschule, dem zweiten Standbein der Dualen Ausbildung in Deutschland. Außerdem wurde das Thema „Arbeit mit Hochqualifizierten“, mit Ingenieuren und Angestellten angesprochen. Zum Thema junge Menschen wurde u.a. angemerkt, das viele junge Leute aus beruflichen Gründen und wegen der Arbeitsplatzsuche den Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen verlassen. Insbesondere auch die gut qualifizierten jungen Menschen. In Konsequenz führt das inzwischen schon zu Problemen bei verschiedenen Unternehmen. Hier ergibt sich durchaus eine Parallelität zur Situation in Polen. Für dort wurde eine ähnliche Entwicklung beschrieben.

Zum Thema „prekäre Arbeitsverhältnisse“ entwickelte sich eine intensive Diskussion. Sie beschäftigte sich mit den Fragen der grundlegenden gesetzlichen Regelungen in beiden Ländern, die durchaus unterschiedlich sind. Der Frage der Entlohnungsgrundsätze, gleiche Entlohnung wie die dauerhaft Beschäftigten oder schlechtere Vergütung / Entlohnung und der Frage der maximalen Dauer von befristeten Arbeitsverhältnissen. Die Situation für die Arbeitnehmer in Deutschland hat sich aufgrund der Deregulierung die der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren hier vorgenommen hat aus Gewerkschaftssicht für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eindeutig verschlechtert. Die Situation in Polen in Bezug auf die gesetzliche Entwicklung wurde unterschiedlich beurteilt. Ein Aspekt der sowohl in Polen als auch in Deutschland wichtige Handlungsmöglichkeiten von Gewerkschaften tangiert, aber noch nicht eindeutig geklärt ist, ist die Frage ob Zeitarbeiter im Zusammenhang mit Streiks als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen.

Im weiteren Verlauf des Seminars wurde das Thema Jugend unter dem Aspekt der „Vorfeldarbeit“ in Schulen und Berufsschulen angesprochen. Es wurden verschiedene Vorgehensweisen vorgestellt und erläutert. Dabei wurde auch die Entwicklung der Anforderungen im Bereich der beruflichen Ausbildung im Dualen System in Deutschland beschrieben, die immer größere Anforderungen an die Bewerber für einen Ausbildungsplatz nach sich zieht. Ergänzend wurde die Beschäftigungsentwicklung in den Betrieben beschrieben, die seit Jahren eine Entwicklung beinhaltet, die zur Reduzierung der klassischen gewerblichen Arbeitsplätze führt, zugunsten von Arbeitsplätzen für Ingenieure und Hochschulabsolventen. Dazu wurden konkrete Zahlen aus verschiedenen Betrieben in Bezug auf die Beschäftigtenentwicklung vorgestellt.
In Ergänzung der Erläuterungen zur Situation im IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen von dem Bezirksleiter Oliver Höbel, wurde ein Abriss der Entwicklung der beiden polnischen Gewerkschaften gegeben. Für die Solidarnosc sprach der Vorsitzende des Sekretariates der NSZZ Solidarnosc Metall in Katowice, Adam Ditmer, und für die Federacja Z.z. Metall OPZZ in Warschau vom Vorsitzenden Romuald Wojtkowiak. Beide gingen kurz auf die Geschichte der polnischen Gewerkschaften nach 1990 und auf die aktuelle Entwicklung ein.

Am letzten Tag wurde das Thema Öffentlichkeitsarbeit vertieft. Im Mittelpunkt standen Aktionsideen und Kampagnen, man mit einfachen Mitteln gestalten kann. Veranstaltungsideen, die mehr Menschen ansprechen als bisher, und Medienideen, die man einfach nicht übersehen kann.

Es wurden die Grundlagen für solche Aktivitäten beschrieben und erläutert, in welchen Zusammenhängen sie eingesetzt werden können. Der Akzent wurde dabei ausdrücklich auf die Einschätzung gesetzt, dass diese Aktionsformen und Methoden eine wichtige Ergänzung der klassischen Wege und Vorgehensweisen im Rahmen gewerkschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit sind. Die Techniken sind vor allem dort erfolgreich, wo man Menschen unmittelbar erreichen und ansprechen will.

In Kleingruppen wurden Straßenplakate in polnischer Sprache entwickelt, im Plenum präsentiert und diskutiert. Dabei stellte sich heraus, dass eine Abweichung von der klassischen Vorgehensweise nicht so einfach war. Die fertig gestellten Straßenplakate sollen in Polen bei Aktionen eingesetzt werden. Damit können erste Erfahrungen im Umgang mit diesen Vorgehensweisen gesammelt werden.

Die TeilnehmerInnen dankten den Veranstaltern und Förderern dieses Seminars. Es habe einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Arbeit im Rahmen des Projektes „Verbesserung und Festigung des Sozialen Dialogs sowie der grenzüberschreitenden Kooperation insbesondere auf der Ebene Betrieb im Beitrittsland Polen“ geleistet. Dazu hätten die vielen praktischen Beispiele und  Ideen für inner- und außerbetriebliche Aktivitäten zur Mitgliederentwicklung beigetragen. Sie äußerten sich zuversichtlich, dass vieles davon in ihrem gewerkschaftlichen Alltag umgesetzt werden könne, und erwarteten damit einen entsprechenden Erfolg.

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