Bilanz und Ausblick

„Gemeinsam mit voller Kraft ins Jahr 2022“

31.12.2021 | Ein weiteres Coronajahr, wegweisende Tarifrunden, wichtige Schritte zur Angleichung der Arbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie, die ersten Betrieben einen Fahrplan zur 35 bescheren, Bundestagswahl oder Aktionstag – 2021 war herausfordernd. Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen, blickt zurück auf das vergangene Jahr und auf das Tarifjahr 2022.

Blick zurück und nach vorn: Bezirksleiterin Birgit Dietze geht nach den Erfolgen des zurückliegenden Jahres mit Optimismus ins neue Jahr. Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de

Birgit, ein in vielerlei Hinsicht herausforderndes Jahr liegt hinter uns. Was liegt vor uns?
Die Coronapandemie und ihre Auswirkungen – Arbeiten mit Maske und Abstand, Kurzarbeit, Halbleiterkrise und nicht zu vergessen das Prozedere um die Einlasskontrollen am Arbeitsplatz mit der 3G-Regel – werden uns sicherlich auch im neuen Jahr noch einige Zeit beschäftigen. Aber wir haben in den Coronajahren gezeigt, dass wir auch Krise können und an unseren Aufgaben wachsen. Da machen wir weiter.

Du gehst optimistisch in das neue Jahr?
 Ja! Wenn ich darauf zurückblicke, was wir in der Krise geleistet haben, dann ist das mehr als gerechtfertigt. Selbst schwierigste Tarifrunden haben wir erfolgreich beendet. Wir haben so viele Jahre dafür gekämpft, dass für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Ostdeutschland gleiche Arbeitsbedingungen herrschen wie für ihre Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland. Mehr als drei Jahrzehnte haben die Arbeitgeber gemauert und diese Forderung weggewischt. Dass wir ausgerechnet in der wohl herausfordernsten wirtschaftlichen Zeit seit der Wiedervereinigung ein erstes Loch in diese Arbeitszeitmauer geschlagen haben, ist eine großartige Leistung. Mit ihren Aktionen und ganztägigen Warnstreiks unter schwierigen Bedingungen haben die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben eine Geschlossenheit als IG Metall demonstriert, die mich stolz und unendlich mutig macht für das, was vor uns liegt.

Trotz Krise fällt Deine Bilanz für 2021 positiv aus?
Definitiv. Wir haben in zahlreichen Branchen erfolgreiche und gute Abschlüsse hinbekommen. Wir haben in der Stahlindustrie, in der Metall- und Elektroindustrie und auch im Handwerk – Kfz oder Tischler – Coronaprämien für die Beschäftigten erzielt. Das gleiche haben wir jüngst für die Beschäftigten in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Sachsen erreicht. Außerdem ist es uns hier gelungen, ein weiteres Abkoppeln der Löhne und Gehälter vom Westen, wie die Arbeitgeber es ursprünglich im Sinn hatten, zu verhindern. Und natürlich haben wir – wie schon gesagt – für die Metall- und Elektroindustrie den tariflichen Rahmen für die Arbeitszeitangleichung unnachgiebig erkämpft, als in allen anderen Bezirken die Tarifrunde schon längst vorbei war ...

… und so der kleinste IG Metall-Bezirk zum Pionier für ganz Ostdeutschland wurde.
In der Tat sind andere Ost-Tarifgebiete gerade dabei, nach unserem Vorbild ebenfalls einen tariflichen Rahmen zu schaffen, um die viel zu lange bestehende Ungerechtigkeit bei den Arbeitsbedingungen zu beenden.  

Tariflicher Rahmen klingt erstmal nach einem sperrigen Begriff. Wie habt Ihr den in der Zwischenzeit mit Leben gefüllt?
In etlichen Betrieben haben wir dadurch bereits Betriebsvereinbarungen geschlossen, die konkrete Fahrpläne zur 35 beinhalten. Außer bei Volkswagen Sachsen mit allen drei Standorten in Zwickau, Chemnitz und Dresden, ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel, und SAS in Meerane wissen nun auch die Kolleginnen und Kollegen von Porsche und BMW in Leipzig, bei Otis oder Schindler endlich, wann für sie die gleiche Arbeitszeit gilt wie im Westen. In zahlreichen weiteren Unternehmen laufen aktuell vielversprechende Verhandlungen. Auch 2022 arbeiten wir zusammen mit vielen Beschäftigten in weiteren Unternehmen mit Hochdruck daran, mit dem Instrument unseres tariflichen Rahmens den Weg zur Angleichung zu ebnen.

Wir gehen mit einer neuen Bundesregierung ins neue Jahr. Welche Erwartungen hast Du an das von Olaf Scholz geführte neue Kabinett?
Unsere Erwartungen haben wir mit unserem Aktionstag Ende Oktober ja bereits ganz deutlich formuliert, und wir haben damit auch Einfluss auf die Koalitionsgespräche und den daraus resultierenden Koalitionsvertrag genommen. Die Koalitionäre haben viele Themen, die wir als IG Metall zu unseren Kernforderungen zählen, im Koalitionsvertrag aufgegriffen.

Zum Beispiel?
Ich denke da beispielsweise an die Felder Industriepolitik, aktive Arbeitsmarktpolitik oder Bildung. Insgesamt stellt sich die neue Regierung der großen Herausforderung unserer Zeit, der sozial-ökologischen Transformation. Dennoch wird sich die IG Metall weiter einmischen in den Transformationsprozess unserer Industrie. Wir achten weiter akribisch darauf, dass der Umbau zur klimafreundlichen Industrie, den wir unterstützen, mit den Beschäftigten geschieht, nicht ohne und nicht gegen sie. Wir setzen uns weiter ein für Qualifizierung unserer Kolleginnen und Kollegen ebenso wie für den Ausbau erneuerbarer Energien, den Aufbau einer tragfähigen und nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur, die insbesondere für die Stahlwerke in unserem Bezirk notwendig ist. Für den Umstieg auf klimaneutrale Antriebe und eine deutlich verbesserte Ladeinfrastruktur für E-Autos, was für die Automobilindustrie essenziell ist, sowie für den kräftigen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und des Schienennetzes. Wir stehen für Sicherheit im Wandel, auch 2022.

Diese Themen nehmen wir also mit ins neue Jahr. Was steht 2022 noch auf Deiner Agenda?
Im ersten Halbjahr stehen zunächst die Betriebsratswahlen auf dem Programm. Die sind enorm wichtig, weil nur starke Betriebsräte, die mit einer Stimme sprechen, die Mitbestimmung im Sinne der Belegschaft voranbringen oder gemeinsam mit uns gute Betriebsvereinbarungen, zum Beispiel zur Angleichung der Arbeitszeit, auf den Weg bringen. Jede Stimme und jedes gewerkschaftliche Mandat stärkt den Betriebsrat. Deshalb sollten die Kolleginnen und Kollegen unbedingt von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und ihre IG Metall im Betriebsrat stärken. Und: Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde.

Das bedeutet?
Im Frühjahr beginnt in der Stahlindustrie und im Sommer in der Metall- und Elektroindustrie wieder die jeweils heiße Phase der neuen Tarifrunde. Die wollen bereits in den ersten Monaten dieses neuen Jahres gut vorbereitet sein, vermutlich zum Teil noch unter Coronabedingungen.

Kannst Du schon sagen, mit welchen Forderungen die IG Metall ins Rennen geht?
Ganz sicher mit einer Forderung nach mehr Geld. Die Inflation, die wir gerade in Deutschland erleben, und die lange Zeit ohne Tabellenerhöhung stützen das. Es ist schließlich im Interesse aller, die Kaufkraft der Beschäftigten zu stärken, damit der Konsum nicht einbricht. Das geht nur, wenn trotz gestiegener Kosten für zum Beispiel Lebensmittel, Heizung, Benzin oder Strom noch genügend Geld da ist. Wer gerade so über die Runden kommt oder am Monatsende nur wenig übrig hat, wird kaum größere Anschaffungen machen. Welche anderen Forderungen wir in der Tarifrunde noch auf den Tisch legen, werden die Forderungsdiskussionen der Tarifkommissionen in den kommenden Monaten zeigen.

Worauf freust Du Dich 2022 am meisten?
Auf die gemeinsame Kraft des Anpackens der anstehenden Themen mit vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen im Bezirk. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für die Zukunft, für den Erhalt einer erfolgreich umzubauenden Industriestruktur hier in unserem Bezirk und für die dringend nötige Eindämmung des Klimawandels, Hand in Hand gehend mit sozialer Sicherheit.

 

Von: tt

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