24.10.2024 | Die Beschäftigten der Halbleiterfabrik von Bosch in Dresden haben mit einer Aktion vor ihrem Werk gegen die Blockadehaltung ihres Arbeitgebers in den laufenden Tarifverhandlungen protestiert. Über 200 Beschäftigte beteiligten sich, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Seit Juni verhandeln Arbeitgeber und IG Metall über die Einführung eines Tarifvertrags am Standort Dresden. Auch nach vier Verhandlungsrunden ist keine Bewegung am Verhandlungstisch zu verzeichnen. Während die Beschäftigten die Einführung der 35-Stunden-Woche sowie eine Angleichung der Entgelte an das Niveau der sächsischen Metall- und Elektroindustrie fordern, hält der Arbeitgeber an der 40-Stunden-Woche fest und erwartet vom Tarifvertrag „Kostenneutralität“. Zudem will Bosch das bestehende, vom Arbeitgeber einseitig eingeführte Entgeltsystem, das von vielen Beschäftigten als intransparent und ungerecht wahrgenommen wird, beibehalten. Die Einführung des bei Bosch sonst üblichen Entgeltrahmenabkommens (ERA) aus dem Flächentarifvertrag lehnt der Arbeitgeber für den Standort Dresden ab.
„Der Verhandlungsführer aus Baden-Württemberg bietet uns lediglich an, die vom Arbeitgeber einseitig eingeführten Regelungen in einen Tarifvertrag zu überführen. Das entbehrt jeglicher Tariflogik und ist keine echte Mitbestimmung. Dafür sind wir nicht angetreten. Wir hier in Sachsen wollen endlich mitreden. Die Dresdner Sonderrolle muss beendet werden“, sagt Andreas Fischer, Ingenieur in der Prozessintegration und Mitglied der Tarifkommission.
Vor dem Gang an die Öffentlichkeit hat die Belegschaft bei Bosch ihrer Forderung mit zwei internen Aktionen Nachdruck verliehen. Rund zwei Drittel der Beschäftigten haben sich per Unterschrift zur Tarifforderung bekannt. Bei einer ersten Toraktion im September kamen zudem über 200 Beschäftigte vor dem Werk für eine Kundgebung zusammen. Das war die bisher größte Aktion in der noch jungen Geschichte der Fabrik.
Statt die Forderung der deutlichen Mehrheit der Belegschaft ernst zu nehmen, reagiert Bosch zunehmend mit fragwürdigen Methoden. So stellte die Geschäftsführung die Erforderlichkeit der Informationsveranstaltungen des Betriebsrats zum Thema Entgelt sowie den Freistellungs- und Vergütungsanspruch der Betriebsräte in Frage. Zudem verkündeten Führungskräfte, dass die Inanspruchnahme des Betriebsrats durch die Beschäftigten keine Arbeitszeit darstelle, obwohl dieses Recht allen Beschäftigten nach Betriebsverfassungsgesetz zusteht. Darüber hinaus verwehrte Bosch Gewerkschaftsvertretern mehrmals den ihnen rechtlich zustehenden Zutritt zum Betrieb.
„Wenn ich mit den Kolleginnen und Kollegen unserer Schwesterwerke im Westen spreche, können die gar nicht glauben, wie Bosch hier in Dresden vorgeht“, berichtet Dr. Markus Gunia, Prozessingenieur in der Lithographie, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Verhandlungskommission. Die Beschäftigten der Schwesterwerke solidarisieren sich mit der Dresdner Belegschaft und unterstützten mit mehreren Grußbotschaften die Aktion. Zudem erfahren die Beschäftigten in Dresden starke Rückendeckung aus dem Aufsichtsrat der Robert Bosch GmbH.
„Wir haben jetzt lange genug geredet. Die Argumente sind ausgetauscht. Die Kolleginnen und Kollegen bei uns am Standort sind nicht länger bereit, das Zeitspiel des Arbeitgebers zu akzeptieren. Es muss endlich Bewegung an den Verhandlungstisch kommen. Und dafür werden wir sorgen“, so Dr. Markus Gunia.
Vor einer Woche kam in Frankfurt unser neu gegründetes Branchennetzwerk Halbleiterindustrie zum ersten regulären Treffen zusammen. Auch dort wurde über Tarifbindung für den Industriezweig diskutiert.