BETRIEBSRATSWAHLEN 2022

„Ungerechtigkeit kann ich nicht ertragen“

05.04.2022 | Das Beispiel des Airbus-Standortes in Potsdam zeigt, was ein Betriebsrat mit einer guten und kontinuierlichen Betriebsratsarbeit auch in einem Unternehmen mit verhältnismäßig wenigen Beschäftigten alles an Verbesserungen für die Kolleginnen und Kollegen erreichen kann. Britta Kleinhempel war 2009 eine der Mitbegründerinnen des ersten Betriebsrats bei der Airbus Defence & Space GmbH in Potsdam und ist bis heute engagiert dabei, wenn es darum geht, für bessere Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen zu kämpfen.

Britta Kleinhempel ist seit 2018 Betriebsratsvorsitzende am Potsdamer Standort der Airbus Defence & Space GmbH. (Foto: Kathryn Kortmann)

„40 Stunden Wochenarbeitszeit, 24 Tage Urlaub im Jahr, kein Urlaubs- und kein Weihnachtsgeld, willkürliche Gehälter, keine Prämien für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter – als ich 2008 bei meinem heutigen Arbeitgeber – nach drei Jahren als Leiharbeiterin – endlich fest angestellt wurde, waren die Arbeitsbedingungen dort alles andere als gut und fair.

Da ich Ungerechtigkeit als etwas ganz Schlimmes empfinde und nicht ertragen kann, habe ich mich mit einigen Kolleginnen und Kollegen zusammengetan und wir haben beschlossen, einen Betriebsrat zu gründen, um die Arbeitsbedingungen bei uns zu verbessern. Auch die Lektüre des Betriebsratsverfassungsgesetzes öffnete uns die Augen, welche Möglichkeiten und Chancen eine gute Betriebsratsarbeit bieten kann. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, wie Betriebsratsarbeit konkret aussieht. Zuvor hatte ich immer nur in Kleinstunternehmen mit ein, zwei Beschäftigten gearbeitet, in denen es keinen Betriebsrat gab.

2008 bin ich auch in die IG Metall als unsere zuständige, politische Interessensvertretung eingetreten und habe anschließend sofort um weitere Mitglieder bei uns im Betrieb geworben. Schon in der Vorbereitung der Betriebsratswahlen hat uns die IG Metall Potsdam sehr unterstützt. Bei der ersten Betriebsratswahl 2009 bin ich dann auch gleich in den Betriebsrat gewählt worden. Seit 2018 bin ich Betriebsratsvorsitzende.

Rückblickend kann ich sagen, dass wir als Betriebsrat in den vergangenen Jahren bis heute nach und nach, Schritt für Schritt, viel erreicht haben. Dabei haben uns die IG Metall und vor allem auch der Konzern-Gesamtbetriebsrat sehr unterstützt. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesamtbetriebsrat, die ja allesamt im Westen sitzen, waren anfangs entsetzt, welche Arbeitsbedingungen bei uns als einzigem Standort im Ostteil des Landes herrschten. Die Kooperation mit dem Gesamtbetriebsrat war von Beginn an sehr gut, das hat uns sehr geholfen.

Heute haben wir einen Haustarifvertrag, der an den Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg angelehnt ist. Wir arbeiten inzwischen 38 Stunden in der Woche, haben 30 Tage Urlaub im Jahr, bekommen Urlaubs- und Weihnachtsgeld und haben ein faires Entgeltsystem. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter gibt es bei uns nicht mehr. Im Vergleich zu 2009, als uns das Unternehmen noch mit Standortverlagerung drohte, können wir heute mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe verhandeln und sprechen.

Die Coronapandemie stellt uns seit zwei Jahren vor zusätzliche Herausforderungen. Während dieser Zeit waren viele unserer Kolleginnen und Kollegen am Potsdamer Standort zeitweise in Kurzarbeit. Für den Betriebsrat gab es in dieser Zeit dennoch einiges zu tun. So musste zum Beispiel das Hygienekonzept des Unternehmens auf den Standort Potsdam angepasst und umgesetzt und Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz getroffen werden. Wir konnten als Betriebsrat auch erreichen, dass das Kurzarbeitergeld aufgestockt wird und Kolleginnen und Kollegen, die wegen der Kinderbetreuung Minusstunden machen mussten, diese Stunden hinterher nicht nacharbeiten mussten, also gutgeschrieben bekamen.

Alles, was für den Gesamtkonzern zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber vereinbart wird, wird mittlerweile auch bei uns am Standort umgesetzt: beispielsweise ein verbesserter Datenschutz sowie eine verbesserte Intranetpräsenz.

Wegen Corona wurden die Verhandlungen über eine weitere, schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit bei uns Mitte 2021 unterbrochen. Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen zwischen IG Metall und der Arbeitgeberseite nach den Betriebsratswahlen wieder aufgenommen werden. Ich bin optimistisch, dass sich – ähnlich wie bei ZF in Brandenburg an der Havel oder bei Mahle in Wustermark – auch bei Airbus die Arbeitsbedingungen bald ändern und das Unternehmen sich mit der IG Metall und dem Betriebsrat auf eine stufenweise Reduzierung der Arbeitszeit einigen kann. Die Angleichung Ost ist mehr als überfällig. Es ist höchste Zeit, dass für uns, wie für die Kolleginnen und Kollegen im Westen, auch endlich die 35-Stunden-Woche gilt.

Mein Credo lautet: Gute Arbeitsbedingungen lassen sich nur zusammen durchsetzen. Oder, um es mit Schiller zu sagen: Vereint sind auch die Schwachen mächtig. Gemeinsam können wir viel erreichen. Dafür setze ich mich ein. Deswegen habe ich mich auch bei der anstehenden Betriebsratswahl im April 2022 wieder als Kandidatin aufstellen lassen.“

Britta Kleinhempel, 55, engagiert sich seit 2009 im Betriebsrat am Potsdamer Standort der Airbus Defence & Space GmbH. Die rund 50 Beschäftigten bei Airbus in Potsdam erstellen digitale Karten von Satellitenbildern und digitale Höhenmodelle – für zivile und militärische Kunden. Seit 2013 ist Kleinhempel auch im Gesamtbetriebsrat aktiv, 2018 wurde sie zur Betriebsratsvorsitzenden am Standort Potsdam gewählt. Zudem ist Kleinhempel auch ehrenamtlich für die IG Metall tätig. Seit 2020 ist sie Mitglied der Delegiertenversammlung und im Ortsvorstand der IG Metall-Geschäftsstelle Potsdam. Anfang 2021 wurde sie als ehrenamtliches Mitglied in den IG Metall-Vorstand gewählt. Die Betriebsratswahlen bei Airbus Defence & Space GmbH in Potsdam finden am 6. April statt.

Von: vw/igm

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