30 Jahre Wiedervereinigung

Vollzogen? Wie steht es um die Einheit zwischen Ost- und Westdeutschland?

01.10.2020 | 30 Jahre Deutsche Einheit. Die Wiedervereinigung jährt sich am 3. Oktober zum 30. Mal. Wissenschaftliche Studien und Medien nehmen den Jahrestag zum Anlass, um Bilanz zu ziehen: Ist Deutschland zusammengewachsen? Haben sich die Lebensverhältnisse angeglichen? Und wo gibt es noch Unterschiede zwischen Ost und West?

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Einigkeit besteht in Sachen Einheit darin, dass sich viel getan hat in den zurückliegenden 30 Jahren. So herrscht zum Beispiel in puncto Lebenszufriedenheit Einigkeit unter den Menschen in ganz Deutschland wie noch nie. „Sieben“, meldete das Sozio-Oekonomische Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, das diesen Wert Jahr für Jahr auf einer Skala von null bis zehn vermisst, im vergangenen Jahr. Ostdeutsche lagen bei der Lebenszufriedenheit – kaum spürbar – nur noch 0,17 Punkte unter dem westdeutschen Wert.

Viele Unterschiede sind überbrückt
Auch im Bereich Gesundheit und Lebenserwartung haben sich die Bewohner der ehemals beiden deutschen Staaten inzwischen weitgehend angeglichen. Die Kluft auf dem Wohnungsmarkt zwischen ost- und westdeutschen Ländern ist ebenfalls weitgehend überbrückt. Und der anfänglich kontinuierliche Bevölkerungsschwund in den inzwischen gar nicht mehr so neuen – aber oft noch so bezeichneten – Ländern ist Vergangenheit. In Ostdeutschland sind längst einige boomende Regionen und Städte entstanden. Dresden, Potsdam oder Berlin sind für viele Zugezogene, nicht nur aus dem Westen, zu attraktiven Wohn- und Arbeitsorten geworden. Und Leipzig, so prognostizierte eine im September 2020 veröffentlichte Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, kann bis 2035 sogar bundesweit mit dem größten Bevölkerungszuwachs rechnen.

Noch ist nicht alles zusammengewachsen ...
Aber Studien zeigen auch: Noch ist nicht in allen Bereichen wirklich „zusammengewachsen, was zusammengehört“, wie der frühere Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) es einst in seinem häufig bemühten Zitat formulierte.

Die Bilanz für die wirtschaftliche Entwicklung, so zeigen Studien des DIW, fällt gemischt aus. Wirtschaftlich und sozial ist der Aufholprozess des Ostens zwar deutlich vorangeschritten. Die Arbeitslosenquoten haben sich angeglichen (August 2020: Ost 7,8 Prozent; West 6,1 Prozent). Und auch bei den Renten ist das Ende der Ungleichheit absehbar, bis zum 1. Juli 2024 sollten die Ost-Renten das West-Niveau erreichen.

Aber auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland noch immer nicht erreicht. In Ostdeutschland beziehen die Menschen nach wie vor durchschnittlich niedrigere Löhne, arbeiten seltener in tarifgebundenen Unternehmen und haben – wie in der Metall- und Elektroindustrie – auch drei Jahrzehnte nach der Deutschen Einheit noch immer längere Arbeitszeiten.

„Die Angleichung der Arbeitszeit wird uns als wichtiges Thema weiter begleiten“, sagt Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall in Berlin, Brandenburg und Sachsen. „Es ist nicht verständlich und auch nicht gerecht, dass die Kolleginnen und Kollegen immer noch 38 statt der im Westen üblichen 35 Stunden pro Woche arbeiten. Denn das bedeutet entweder drei Stunden unbezahlt länger zu arbeiten oder weniger im Stundensatz zu bekommen – je nach Blickrichtung.“

Kleinteilige Wirtschaft
Die ostdeutsche Wirtschaft, so belegen die Wirtschaftszahlen, ist nach wie vor eher kleinteilig geprägt, Konzernzentralen zwischen Elbe und Saale sind Mangelware. Nur 36 der 500 größten deutschen Unternehmen haben ihren Sitz im Osten der Republik – mit Folgen. So mangelt es zum Beispiel an Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen im Osten, weil diese Abteilungen meist am Stammsitz des Unternehmens angesiedelt sind.

Dennoch: Derzeit zeigt sich, so Wissenschaftler des DIW, eine hohe Dynamik „industrieller Gründungen in ostdeutschen Großstädten“ und – wie im Fall des E-Auto-Herstellers Tesla mit einer Niederlassung – im Berliner Speckgürtel. Diese werden in den kommenden Jahre Früchte tragen, so die Prognose der Forscher.

Weitere Informationen gibt es hier.

 

Von: kk

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