Studie

Umkämpfte Mitbestimmung: Behinderung von Betriebsratsgründungen in Zahlen und Fakten

08.10.2020 | Behinderungen von Betriebsratswahlen sind keine Einzelfälle. Eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass Arbeitgeber etwa jede sechste Neugründung verhindern wollen. Dabei ist ein solches Verhalten ein Straftatbestand. Denn Mitbestimmung und das Recht auf Wahl eines Betriebsrats sind in Betrieben ab fünf Beschäftigten gesetzlich verankert.

© PantherMedia/Karsten Ehlers

Forscher des WSI haben sich 2019 unter Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern aus 172 regionalen Organisationen der IG Metall, IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) und NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) umgehört und die Experten, die einen guten Überblick in ihren regionalen Gliederungen haben, nach deren Erfahrungen mit der Durchführung von Betriebsratswahlen befragt.

Ergebnis: 72 Befragte (42 Prozent) konnten von Fällen berichten, in denen Arbeitgeber versucht hatten, die Betriebsratswahlen mit Störmanövern zu behindern. In der Metall- und Elektroindustrie lag die Quote mit 44 Prozent sogar geringfügig höher als im Durchschnitt der Interviewten.

Verhinderung von Betriebsratswahlen
Die neue Studie der WSI-Forscher PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch zeigt außerdem: Besonders aggressiv reagieren Arbeitgeber auf Neugründungen von Betriebsräten – und offenbar sind sie damit auch nicht selten erfolgreich. Denn in rund einem Drittel, in denen Arbeitgeber die Neugründung von Betriebsratsgremien behindern, finden später auch keine Betriebsratswahlen statt. Die Neuwahl von bereits etablierten Gremien können sie dagegen weitaus weniger beeinflussen, das gelang nur in acht Prozent der Fälle. Und: „Die überwiegende Mehrheit der bereits etablierten Betriebsräte wird von ihren Geschäftsleitungen akzeptiert und vielfach auch respektiert“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Fazit.

Repressionen gegen Beschäftigte
Um Betriebsräte zu verhindern und Druck gegen ihre Beschäftigten auszuüben, greifen Arbeitgeber auf ein ganzes Repertoire an Mitteln zurück: Sie drohen mit Kündigung, verhindern die Bestellung eines Wahlvorstands und schüchtern Kandidaten ein, die sich für mehr Mitbestimmung im Betrieb stark machen. Gut 40 Prozent der Arbeitgeber, die Betriebsratswahlen verhinderten, griffen – den Angaben der befragten Gewerkschafter zufolge – auf externe Hilfe durch Anwaltskanzleien oder Unternehmensberatungen zurück.

Höherer Widerstand in inhabergeführten Unternehmen
Solches Verhalten der Arbeitgeber, auch das ist ein Ergebnis der Studie, kommt insbesondere in mittelgroßen Betrieben mit 50 bis 200 Beschäftigten vor. Überproportional häufig behindern inhabergeführte Unternehmen Betriebsratswahlen. Eigentümer, die ihren Betrieb persönlich führen, so berichten die Forscher in ihrer Studie, leisteten stärker Widerstand und zeigen „nur eine geringe Bereitschaft […], die Macht im Betrieb mit einer weiteren Instanz zu teilen“.

Besser mit Betriebsrat
Dabei schaden die Arbeitgeber letztlich mit ihrem Verhalten nicht nur ihren Beschäftigten, sondern auch sich selbst. Denn wissenschaftliche Studien belegen: Unternehmen mit Betriebsrat bieten nicht nur bessere Arbeitsbedingungen, sie sind in der Regel oft auch produktiver und innovativer als Betriebe ohne betriebliche Mitbestimmung.

Mehr Schutz durch erweiterte Gesetze
Als Konsequenz aus der Untersuchung fordern die WSI-Forscher einen erweiterten gesetzlichen Schutz vor Eingriffen der Arbeitgeber. Für notwendig erachten sie sowohl gesetzliche Reformen, die Betriebsratskandidatinnen und -kandidaten besser gegen Repressionen ihrer Chefs schützen, als auch Mittel, mit denen Verstöße besser sanktioniert werden können als das bislang möglich ist.

Zu weiteren Informationen und zur Studie geht es hier.

 

Von: kk

Unsere Social Media Kanäle