Berliner Tischlerinnung spricht mit IG Metall über Tarifverträge

27.06.2013 | Der letzte gültige Tarifvertrag für Berliner Tischler stammt aus dem Jahr 1992. Abgeschlossen mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK). Seit Anfang 1994 wirkt der Tarifvertrag unverändert nach. Während dessen hat die Tischlerinnung Berlin mit „Lohnempfehlungen“ hantiert. Man konnte sich daran halten – oder eben nicht.

Foto: PantherMedia / Arne Trautmann

1993 lag der verbindliche tarifliche Ecklohn bei 18,70 DM, das entspricht 9,56 Euro pro Stunde. Heute empfiehlt die Tischlerinnung einen Lohn von 9,47 Euro nach dem 3. Gesellenjahr (<link http: www.tischler.de berlin tarife.php>www.tischler.de/berlin/tarife.php).

 

Das heißt die Innung hat die Löhne in knapp 20 Jahren nicht nur reduziert und eingefroren, sondern durch ihr Nichtstun faktisch abgesenkt. Denn die Lebenshaltungskosten sind im gesamten Zeitraum um insgesamt 38 Prozent angestiegen. Dafür gab es nie einen Ausgleich!

 

Bezahlung ist Armutsrisiko

Nur um die Preissteigerung auszugleichen müssten die Löhne heutzutage bei 13,22 Euro liegen. Dann hätte heute ein Tischlergeselle wenigsten die gleiche Kaufkraft, wie vor 20 Jahren. Mehr Geld hätte er nicht. Tatsächlich zählt so der ehrbare Tischlerberuf mit seiner jetzigen Bezahlung als Armutsrisiko. Heute, und in erst Recht in der Zukunft, wenn es um die eigene Altersrente geht.

 

Jeder kämpft für sich allein

Die Rechnung zeigt eindrucksvoll was passiert, wenn es keine verbindlichen Tariflöhne mehr gibt. Faire Beteiligung oder Sozialpartnerschaft wird dann zum Fremdwort. Stattdessen kämpft jeder für sich allein, jeder ist sich selbst der Nächste. Schöne neue Arbeitswelt.

Besser geht’s mit Tarif. Viele Mitglieder erreichen auch viel.

 

Was ist aktuell passiert?

Die Tischlerinnung lud zu einem informellen Treffen am 26. Juni 2013 die IG Metall nach Rudow ein, denn seit Oktober 2012 gibt es wieder Tarifverträge im Tischlerhandwerk. In fast ganz Ostdeutschland. Nicht in Berlin. In fünf Tarifverträgen sind die Arbeitszeiten und Urlaub, das Weihnachts- und Urlaubsgeld, die Einkommen sowie die Altersvorsorge geregelt. Auch hier waren die Tarife rund 20 Jahre ein Fremdwort. Der Ecklohn beträgt ab August 2013 pro Stunde 11,25 Euro.

 

Die Berliner Tischlerinnung signalisierte nun ihr Interesse an Tarifverträgen. Grundlage der Betrachtung ist das brandneue Tarifpaket für Ostdeutschland. Jedoch nicht alles und nicht so, war sogleich zu hören. Doch für die IG Metall wird nichts aufgeschnürt oder gar abgesenkt. Eine erste Sondierung soll nach dem Urlaub Licht ins Dunkle bringen.

 

Was steht im Osttarif?

Er beinhaltet einen vollständig neuen Einkommenstarif, der gewerbliche und angestellte Tätigkeiten gleich bewertet und die Einkommen für Fachkräfte in drei Stufen auf 1.958 Euro im Monat (11,25 Euro/Std) bis zum Oktober 2013 anhebt. Neu ist ein Mindestlohn für Helfer, der ab Oktober 2013 8,50 Euro pro Stunde vorsieht. Die Entgeltregelung hat eine Laufzeit bis zum September 2014.

 

In einem neuen Manteltarifvertrag wird die Wochenarbeitszeit ab Januar 2013 von bislang 42 auf 40 Stunden und ab dem Jahr 2019 auf 38,5 Stunden abgesenkt. Bis zum Jahr 2019 wird ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von bis zu 47 Prozent sowie eine Jahres-Sonderzahlung in Höhe von bis zu 70 Prozent eines Monatseinkommens stufenweise eingeführt. Auch eine betrieblich geförderte Altersvorsorge zieht im Tischlerhandwerk ein, in der die Arbeitgeber einen zusätzlichen jährlichen Vorsorgebeitrag für die Beschäftigten entrichten. Beschäftigte, die mehr für ihre Altersvorsorge einzahlen erhalten vom Arbeitgeber einen Zuschuss von 20 Prozent.

 

Mit dem Tarifabschluss stellen die Tarifparteien auch Rechtssicherheit gegenüber Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (Sozialkasse für das Baugewerbe; kurz: SOKA-Bau) her. Somit gibt es keine Beitragspflicht für tarifgebundene Innungsmitglieder des Tischlerhandwerks an die SOKA-Bau. Tischlereien die nicht Mitglied der Innungen sind, bzw. ohne Tarifbindung mit der IG Metall, unterliegen dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag der Sozialkasse für das Baugewerbe und müssen dafür rückwirkend Beiträge entrichten.

 

Hintergrund:
Fünf Landesinnungen und Fachverbände für das Tischlerhandwerk hatten die letzten gültigen Tarifverträge mit der damaligen Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK) im Jahr 1993 abgeschlossen, die im Jahr 1999 mit der IG Metall fusionierte. Seither gab es keine rechtwirksamen Tarifverträge, denn die Arbeitgeber hatten mit einer „christlichen Gewerkschaft“ (GKH) Regelungen zur Absenkung der Einkommen vereinbart bei gleichzeitiger Ausweitung der Arbeitszeit. Die Gewerkschaftseigenschaft der GKH wurde inzwischen gerichtlich aberkannt. Sie hatte weder Mitglieder geschweige denn Durchsetzungsmächtigkeit. Alle Tarifverträge wurden als Gefälligkeitsverträge entlarvt und damit rückwirkend unwirksam.

Deshalb drohen aktuell hohe mehrjährig rückwirkende Nachzahlungen der Sozialkasse für das Baugewerbe, deren allgemeinverbindlicher Tarifvertrag die Beitragspflicht für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse in der Bauwirtschaft auch bei Tischlereien vorsieht.

 

Nur ein gültiger Tarifvertrag mit der IG Metall verhindert die Betragspflicht, da sich die Tischlereien von reinen Monteuren abgrenzen, die nur Baufertigteile auf Baustellen einbauen und selten eigene Werkstätten betreiben oder Auszubildende haben.

Im Tischlerhandwerk in Ostdeutschland arbeiten rund 32.000 Beschäftigte in über 6.000 Betrieben, davon ca. 4.500 Beschäftigte in Berlin.

Von: bg

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