Betriebsrätin Manuela Grimm von Wincor Nixdorf erhält Auszeichnung für Engagement um Mitbestimmung

06.11.2014 | Im Rahmen des Mitbestimmungs- und Beteiligungskongresses der IG Metall in Mannheim wurden am 5. November betriebliche Beispiele für engagierte Interessenvertretung gezeigt und gewürdigt. Auf den 1. Platz kam die Betriebsrätin Manuela Grimm für ihr entschlossenes Engagement gegen die Ungerechtigkeiten bei Wincor Nixdorf in Taucha bei Leipzig.

Manuela Grimm im Interview

Jurymitglied Uwe Fritsch von Volkswagen würdigte bei der Preisverleihung den Kampf um gute Arbeitsverhältnisse vor allem in Kleinbetrieben. »Ein Betriebsrat in einem Kleinbetrieb im Osten, der mit großer Beteiligung der Beschäftigten, sich gegen Verlagerung und gegen Billiglöhne durchsetzt, das ist ein großer Erfolg

 

Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen lobte das Engagement und den Willen zur Veränderung. »Ich gratuliere unserer Kollegin Grimm ganz herzlich zu dem Mitbestimmungspreis. Es ist gut, dass Belegschaften ihre Mitbestimmungsrechte durchsetzen, denn schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne entstehen nur da, wo Arbeitgeber keinen Widerspruch vermuten«, so Höbel.

 

Ein beschwerlicher Weg zum Erfolg

Den Namen Wincor Nixdorf kennen viele vom Bankautomaten. Die Geräte des Unternehmens drucken Kontoauszüge und zahlen Bargeld aus. Wincor Nixdorf gehörte ursprünglich zum Siemens Konzern, 1999 wurde es herausgelöst. Seit 2010 werden die kaufmännischen Aufgaben zur Abwicklung aller deutschen Aufträge als ein Tochterunternehmen in der Kleinstadt Taucha im Nordwesten Sachsens, nordöstlich von Leipzig, von rund 50 Beschäftigten erledigt. Die Niederlassung erwirtschaftet gute Gewinne. Ziel war es, die Kosten für die kaufmännische Abwicklung ihrer deutschen Aufträge maximal zu senken. Die Tarifbindung wurde gekündigt und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weit unter Tarif beschäftigt. Die Folge: Eine extrem unterschiedliche und ungerechte Bezahlung.

 

Bei den neu eingestellten Mitarbeiter wurde an allen Ecken und Enden gespart: Sie bekamen weniger Urlaubstage, kein Weihnachts- und Urlaubsgeld und keine  Leistungszulage. Sie mussten fünf Stunden in der Woche länger arbeiten und das alles zu einem deutlich niedrigeren Entgelt. Das Einkommen lag zum Teil mehr als 30 Prozent unter Tarifniveau.

 

Arbeitsbedingungen in Gefahr
Die Mitarbeiter in Taucha tauschten sich offen über die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen aus und merkten schnell, wohin der Hase läuft. Sie stellten fest, dass sie trotz gleicher Voraussetzungen wie Alter, Ausbildung und Berufserfahrung zu völlig unterschiedlichen Konditionen arbeiteten. Die langjährigen Beschäftigten mussten um ihre Arbeitsbedingungen bangen. Ihnen blieb ja nicht verborgen, zu welch schlechten Arbeitsbedingungen die »Neuen«" eingestellt wurden. Jedem war klar, es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Arbeitsbedingungen sie selbst einholen würden.

 

Tarifvertrag musste her
2011 wurde eine betriebliche Tarifkommission gebildet, die den Arbeitgeber zu Verhandlungen aufforderte. Ziel: Gleiche Entlohnung der Beschäftigten und Abschluss eines Tarifvertrages. Erst nach langem Zögern willigte der Arbeitgeber in die Verhandlungen ein und legte ein mageres Angebot vor, das jedoch völlig unzureichend war. Ende Mai 2012 stellte die betriebliche Tarifkommission das Scheitern der Verhandlungen fest. Es kam spontan zu einer betrieblichen Aktion. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verließen pünktlich zum Ende der Dienstleistungszeit um 15 Uhr das Büro und trafen sich zu einer Mitgliederversammlung.

 

Nachdem der Verhandlungsweg erschöpft schien, schloss die IG Metall Leipzig weitere betriebliche Aktionen und auch Arbeitskampfmaßnahmen nicht aus. Betriebsrat und Belegschaft standen geschlossen da. Fast alle waren inzwischen Mitglied in der IG Metall geworden.

 

Wille zur Veränderung
Die monatelange Hinhaltetaktik des Arbeitgebers hatte die Belegschaft zusammengeschweißt. Auch diejenigen, die noch Tarif bekamen, wussten, dass sie etwas zu verlieren hatten. »Dem traten die Frauen sehr selbstbewusst entgegen. Sie wussten, dass sie etwas verändern wollen. Die Kolleginnen und Kollegen gingen auch völlig offen damit um, dass sie in der Gewerkschaft sind, was im Osten nicht selbstverständlich ist«, sagt die Metallerin Grimm.


2013 kündigte die Betriebsleitung weitere Veränderungen an. Man wolle kaufmännische Arbeitsprozesse zergliedern und die Angestelltenarbeit auf wenige Prozesse spezialisieren. Die souveräne und umfangreiche Abwicklung eines Kundenauftrags, vom Auftragseingang über den Service bis zum Zahlungseingang, sollte somit durch eine fantasielose und langweilige Tätigkeit ersetzt und zergliedert werden.

 

Strategien mit Beteiligung wurden entwickelt  

Die Kolleginnen und Kollegen machten da nicht mehr mit. Das 3-köpfige Betriebsratsgremium organisierte mehr als einem Jahr lang die Beteiligung der Belegschaft. Hilfreich für die Auseinandersetzung war für Manuela die Ausbildungsreihe "Junge Aktive" im IG Metall-Bezirk, in der beteiligungsorientierte Strategien und Instrumente für die Steuerung betrieblicher Projekte entwickelt wurden.


Monotonie und abnehmende Souveränität und Kreativität, reizlose und ermüdende sowie tägliche gleiche Arbeitsprozesse. Dagegen solidarisierten sich schließlich die Beschäftigten, überwiegend Frauen, und demonstrieren mit betrieblichen Aktionen ihre Geschlossenheit.


Wie im Kleinbetrieb üblich, traf man sich auch außerhalb und Mitgliederversammlung der IG Metall waren offen für alle Kolleginnen und Kollegen. Betriebsleitung und Vorstand wurden zu Gesprächen aufgefordert und das Thema war auf jeder Betriebsversammlung. Am Ende gelang es von der Betriebsleitung die Mitbestimmungsrechte bei der Umsetzung der Pläne einzufordern.

 

Beharrlichkeit zahlt sich aus

Dem Management musste – in offensichtlicher Unkenntnis – klar gemacht werden, dass die Beschäftigten nicht zu willenlosen, unselbständigen Befehlsempfängern degradierte werden wollen. Das liege auch im Interesse des Betriebes. Nach zähem Ringen wurden die alternativen Vorschläge des Betriebsrates ernst genommen. Man setzte sich damit auseinander.

 

»Der 1. Platz für uns bei Wincor Nixdorf steht stellvertretend für das große Engagement vieler kleiner Betriebsräte, die einen enormen Beitrag zur Demokratie in unseren Betrieben leisten. Die Kolleginnen und Kollegen wollen beteiligt werden und mitbestimmen. Wir haben gezeigt: Gemeinsam können wir viel erreichen«, sagte stolz die Betriebsratsvorsitzende, Manuela Grimm. Für Manuela bleibt Deutschland nur erfolgreich, wenn der tiefgreifende Wandel von Industrie und Arbeitswelt durch die Beteiligung der Beschäftigten und kollektive Mitbestimmung weiter ausgebaut wird. »Ohne die große Beteiligung aller Kolleginnen und Kollegen wäre eine nachhaltige Beeinflussung der Unternehmenspolitik nie möglich gewesen«, so Grimm.

 

Inzwischen wurde erreicht, dass die Gehälter der 2010 neu eingestellten Kolleginnen und Kollegen bis 2014 um bis zu 30% angehoben wurden und nahezu das Tarifniveau erreichen. Die gute Betriebsratsarbeit schlug sich auch im Wahlergebnis und der Wahlbeteiligung bei der Betriebsratswahl nieder. Die Wahlbeteiligung betrug 95 Prozent, 75 Prozent stimmten für die Kandidaten und Kandidatinnen der IG Metall.

 

Von: bg

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