IG Metall-Tagung in Berlin: „Mehr Mitbestimmung wagen“

Bundespräsident Steinmeier: Wandel der Wirtschaft demokratisch gestalten/ Mitbestimmungstagung der IG Metall in Berlin

03.02.2022 | „Mehr Mitbestimmung wagen“ – unter dieses Motto hatte die IG Metall ihre Mitbestimmungs-Tagung in Berlin gesetzt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier plädierte dort dafür, den Umbruch der Wirtschaft „zu demokratisieren“. Klima-Aktivistin Luisa Neubauer rief die IG Metall zum Wandel auf, schlug zugleich aber einen Schulterschluss zwischen Klimabewegung und Gewerkschaften vor.

Austausch über die Zukunft der Mitbestimmung: Bundespräsident Steinmeier mit Jörg Hofmann und Christiane Benner. (Foto: Stefan Boress)

Diskutierte mit Jörg Hofmann über Mitbestimmung: Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramtes. (Foto: Stefan Boress)

Luisa Neubauer bei ihrer Rede auf der IG Metall-Tagung (Foto: Stefan Boress)

„Von einem starken Signal des Bundespräsidenten für mehr Mitbestimmung in den Betrieben“ sprach Birgit Dietze, Leiterin des IG Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen, nach der Konferenz in der Bundeshauptstadt. „Bundespräsident Steinmeier hat erfreulich deutlich gemacht, dass sich der große Wandel der Industrie nur mit intensiver Mitsprache der Belegschaften sozial gestalten lässt“, so Dietze. „Das ist ein wichtiger Hinweis auch für die Bundesregierung, dass sie gerade angesichts der großen Aufgaben durch die Transformation die Mitbestimmung stärker ausbauen muss.“

In seiner Rede erinnerte Steinmeier an die großen Lasten, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in ihrem Alltag in der Corona-Pandemie auf sich nehmen müssen. Die Verunsicherung vieler Beschäftigter durch die Umbrüche und die ungewissen Perspektiven für die Zukunft bergen nach seinen Worten die Gefahr, dass die Kraft fehle, um sich in der Politik einzubringen. Vor 50 Jahren war laut Steinmeier die Mitbestimmung die demokratische Antwort auf den damaligen Wandel der Wirtschaft, unter anderem durch die Ölpreiskrise und die neuen Technologien dieser Zeit. Nun stehe die Gesellschaft wieder vor grundlegenden Neuerungen, diesmal unter anderem durch Digitalisierung und den Klimaschutz. Konstruktive arbeitende Betriebsräte seien in der Lage, mit diesen Herausforderungen umzugehen, betonte der Bundespräsident.

Diskussion mit Luisa Neubauer

Auf der Konferenz kurz vor dem Start der deutschlandweiten Betriebsratswahlen am 1. März brachte die IG Metall unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zusammen. Mit Spannung erwartet worden war der Auftritt von Luisa Neubauer von Fridays for Future. Sie sprach Differenzen offen an. Wer nach IG Metall und Klimabewegung googele, stoße bislang auf viele Artikel mit der Aussage, die IG Metall stelle sich gegen Initiativen zur deutlichen, schnellen Senkung der Treibhausgasemissionen. Sie wünsche sich, dass sich dies ändere, betonte Neubauer. Es gäbe nur noch acht Jahre Zeit, eine Klimakatastrophe zu verhindern. Sie stellte klar, dass für sie Klimaschutz nicht verhandelbar sei, weil es um das Überleben und die Zukunft der Menschheit gehe. Und sie warnte davor, sich gegen die Transformation zu stellen, weil sich dann die Probleme nur aufstauten. Ihr Vorschlag: ein Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Klimabewegung, um die Transformation sowohl ökologisch als auch sozial auszurichten. Man dürfe sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, erklärte Neubauer.

Die Antwort aus Sicht der Beschäftigten gab Michael Brecht, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Daimler Truck AG. Er berichtete von seinen beiden erwachsenen Kindern, denen er auch eine gute Zukunft in einer lebenswerten Umwelt wünsche. Und er berichtete von den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb: „Wir kämpfen alle tagtäglich dafür, dass wir diese Transformation hinkriegen.“ Doch viele Beschäftigte treibt laut Brecht die Angst um, dass in zehn Jahren jeder zweite Arbeitsplatz weggefallen sein könnte. Den Arbeitgebern warf er vor, zusätzlich die Situation zu missbrauchen, um die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Osteuropa zu rechtfertigen. Aber der Betriebsrat zeigte sich auch zuversichtlich, dass man die Transformation sozial hinbekommen könne und werde. Zu Luisa Neubauer sagte er, dass man dafür „euren Elan und eure Kraft und unsere Umsetzungsstärke“ brauche.

„Die IG Metall stellt sich nicht gegen einen Wandel, aber steht für einen sozial gerechten Wandel“, betonte Dietze. „Der Klimaschutz ist in der Tat unverzichtbar. Aber er kann nur gelingen, wenn man die Beschäftigten mitnimmt und dafür sorgt, dass gut bezahlte Industriearbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben.“

IG Metall fordert Bundesregierung zur Modernisieurng der Mitbestimmungs-Regeln auf

In ihrer Rede auf der Tagung hatte Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, die Erwartungen an die Bundesregierung formuliert.  Der Koalitionsvertrag weise in Sachen Ausbau der Mitbestimmung Lücken auf, die es zu schließen gelte. Mehr Demokratie und mehr Fortschritt wagen müsse auch heißen: Mehr Mitbestimmung wagen, betonte Benner. Auch Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, mahnte einen Ausbau der Mitbestimmung an. Die heutigen Regeln seien zum großen Teil 50 Jahre alt und stammten aus einer völlig anderen Zeit mit einer ganz anderen Arbeitswelt. „Wir brauchen eine deutliche Erweiterung der Mitbestimmung sowohl auf Betriebs- als auch auf Unternehmensebene“, sagte Hofmann. 

Von: ms

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