02.05.2022 | Nach zwei Jahren Pandemie gehörten auch im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen die Straßen und Plätze am 1. Mai wieder Zehntausenden Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Mit Demonstrationen, Kundgebungen und Familienfesten setzten sie am Tag der Arbeit, dem Feiertag der Gewerkschaften, sichtbare Zeichen für Solidarität, Gerechtigkeit und Frieden. Neben regionalen und nationalen Forderungen war der völkerrechtswidrige und menschenverachtende Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putins gegen die Ukraine eines der zentralen Themen.
„Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Politik ganz auf die Herstellung von Frieden in Europa auszurichten“, betonte Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen, anlässlich des 1. Mai erneut. „Die IG Metall unterstützt alle Maßnahmen, die dazu beitragen, den Krieg zu beenden und Putin zu stoppen.“
Birgit Dietze warnte allerdings auch vor einem sofortigen Importstopp für russisches Gas. „Ein abrupter Stopp der Gasimporte aus Russland würde den Krieg nicht verkürzen und der deutschen Industrie und ihren Beschäftigten – und damit Deutschland als starkem Akteur in Europa – schweren Schaden zufügen." Bräche Stahlherstellern mit Gas ein Großteil der benötigten Energie weg, brächte dies nicht nur die Produktion vielerorts zum Stillstand, sondern hätte auch fatale Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt der Menschen in Deutschland. Auf allen DGB-Veranstaltungen im Bezirk war die große Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und den Geflüchteten, die in den Nachbarländern und Deutschland Schutz vor Krieg und Vernichtung gesucht haben, spürbar.
Der Bezirk in Bewegung
Überall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen demonstrierten Kolleginnen und Kollegen unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ für Investitionen in soziale Sicherheit, wirtschaftliche Stabilität und eine gerechte Lastenverteilung in Deutschland. Allein in Sachsen machten sich nur am Vormittag bei den 16 DGB-Veranstaltungen mehr als 15.000 Beschäftigte für nachhaltige Investitionen und eine vorausschauende Strukturpolitik stark, weitere Tausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer stießen am Nachmittag dazu. Auch in Berlin und Brandenburg waren Tausende auf ihren Beinen oder Rädern unterwegs, um klare Kante zu zeigen.
Der 1. Mai in Sachsen: nachhaltige Investitionen und eine vorausschauende Strukturpolitik
Markus Schlimbach, Vorsitzender des DGB in Sachsen, forderte in Chemnitz Zukunftsinvestitionen, um Sachsen „auch für die nächsten Generationen lebenswert zu machen“. Notwendig seien etwa „nachhaltige Investitionen, um gute Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze, lebenswerte Städte und ländliche Räume sowie hochwertige öffentliche Dienstleistungen für Jung und Alt zukünftig zu gewährleisten“.
In Görlitz forderte Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des DGB Sachsen, in ihrer Mairede eine vorausschauende Strukturpolitik für den Freistaat. Der Wandel der Industrie, die Digitalisierung, die demografische Entwicklung und die Maßnahmen zum Klimaschutz würden konkrete Auswirkungen auf jeden Einzelnen und die regionale Entwicklung haben. Dabei blickte sie zum Beispiel auf den Strukturwandel in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier. Dieser stelle die Menschen vor große Herausforderungen, sagte Kolbe und forderte: „Es muss gelingen, gute und sichere Arbeitsplätze zu schaffen und den Beschäftigten eine echte Zukunftsperspektive zu geben.“
In Leipzig fand die traditionelle Maidemo in diesem Jahr mit dem Fahrrad statt. Vom Clara-Zetkin-Park ging es durch die Stadt bis zur DGB-Kundgebung auf dem Leipziger Markt. Hauptredner Stefan Körzell, Mitglied des DGB-Bundesvorstands, verwies in seiner Ansprache auf die noch immer bestehende Lohnkluft zwischen Ost und West. „Damit muss Schluss sein“, forderte er unmissverständlich. „Es wird Zeit, dass die Arbeitgeber hier in die Spur kommen.“ In diesem Zusammenhang betonte er auch die zentrale Bedeutung von Tarifverträgen für gerechte Löhne. Dort, wo es Tarifverträge gibt, sei der Abstand zwischen alten und neuen Bundesländern fast ausgeglichen. Aber vielfach flüchteten die Arbeitgeber aus der Tarifbindung, so Körzell: „Die haben immer noch nicht kapiert, dass ein gutes Betriebsklima und zufriedene Beschäftigte für den unternehmerischen Erfolg wichtig sind.“ Vor diesem Hintergrund appellierte er auch noch einmal an die Bundesregierung, mit einem Bundestariftreuegesetz gegenzusteuern. „Öffentliche Aufträge sollten ausschließlich an tarifgebundene Unternehmen gehen“, so Stefan Körzell. Mehr Infos und weitere Fotos vom 1. Mai in Leipzig gibt es auf der Internetseite der IG Metall Leipzig.
In Zwickau hatten die Veranstaltungen bereits am Vorabend mit dem Tanz in den Mai begonnen. Rund 1500 Menschen nahmen am Courage-Konzert der IG Metall mit Keimzeit, Out of Tune und Sebastian Krumbiegel teil. „Arbeit zum Anfassen“ erlebten Hunderte Besucherinnen und Besucher dann am 1. Mai ab 13 Uhr auf dem Zwickauer Hauptmarkt. Zwei Autos, die die Kolleginnen und Kollegen des Zwickauer Fahrzeugwerks auf den Platz gestellt hatten, waren im Handumdrehen kunterbunt angemalt. An zahlreichen Ständen von Betrieben, Gewerkschaften und Parteien kamen die Menschen ins Gespräch. „Dieser 1. Mai war ein voller Erfolg“, lautete das Fazit von Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau. „Die Veranstaltung hat gezeigt, dass wir uns den 1. Mai nicht von den Nazis nehmen lassen, sondern dass das unser Tag ist.“
Bei einer Gesprächsrunde gaben neben anderen Betriebsräte von Kontraktlogistiker Schnellecke, Autobauer Volkswagen und Zulieferer Adient einen Einblick in ihre Arbeit und auf die zurückliegenden Betriebsratswahlen.
Bei einer lockeren Frage-Antwort-Runde konnten sich die etwa 1500 Besucherinnen und Besucher zudem einen Eindruck von den Kandidierenden für die Landratswahl am 12. Juni machen. Zum krönenden Abschluss brachte die Dresdner Banda Comunale den Hauptmarkt auch am 1. Mai zum Tanzen.
Auch in Plauen war die IG Metall Zwickau mit vor Ort: „Das gemeinsame 1. Mai-Fest mit dem Verein Colorido war ein toller Erfolg“, sagte Benjamin Zabel, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau. Viele Plauenerinnen und Plauener besuchten demnach die Infostände und das Kulturprogramm, Betriebsräte berichteten über ihre Arbeit. „Ein insgesamt runder Familiensonntag, bei dem aber auch ernste Themen wie Altersarmut, mehr Mitbestimmung im Betrieb, Tarifverträge gegen steigende Energiekosten und Frieden in Europa Themen waren.“ Impressionen und weitere Infos zu den Veranstaltungen in Zwickau sind auf der Homepage der IG Metall Zwickau zu finden.
Lebhaft und laut ging es auch in Riesa am Bootsverein, in Pirna am Elbufer und in Dresden auf dem Schützenplatz zu. „Frieden, Gerechtigkeit, Solidarität – die gewerkschaftlichen Werte sind heute aktueller denn je. Sie stellen sich allerdings nicht von allein ein. Sie müssen immer wieder gemeinsam erkämpft werden – teils gegen harte Widerstände“, sagt Stefan Ehly, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Dresden & Riesa. „Von diesem 1. Mai 2022 geht eine klare Botschaft in die Welt: Stoppt den Angriff auf die Ukraine und das Blutvergießen! Wir sind geeint in der Überzeugung: Nie wieder Krieg!“ Mehr zu den 1. Mai-Kundgebungen auf der Hompage der IG Metall Dresden & Riesa.
Tag der Arbeit in Berlin: Tausende auf den Straßen
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause stand der 1. Mai auch in Berlin wieder ganz im Zeichen von Demonstrationen, Kundgebungen und Familienfesten. Mehrere Tausend Menschen, darunter viele Metallerinnen und Metaller mit roten IG Metall-Fahnen, beteiligten sich am Vormittag am Demonstrationszug des DGB, weitere zeigten bei einem Fahrradkorso Flagge für gewerkschaftliche Werte.
Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, betonte in ihrer Mairede am Brandenburger Tor die Wichtigkeit von Gewerkschaften: „Wir stehen für eine gerechtere Gesellschaft und kämpfen für gute Arbeit und eine soziale Stadt. Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind eine starke Stimme in Berlin – und wir verschaffen uns Gehör gegenüber der Politik und in den Betrieben.“ Die Folgen von Klimawandel, Corona-Pandemie und Krieg in Europa stellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor große Herausforderungen, so Karger. Gleichzeitig gelte es, im digitalen Wandel die Interessen der Beschäftigten in den Betrieben zu wahren. „Mehr denn je brauchen wir in Zeiten großer Veränderungen soziale Sicherheit. Das ist die Stunde der Gewerkschaften und eines neuen Zusammenhalts, denn nur gemeinsam können Beschäftigte dafür sorgen, dass der Wandel sozial, gerecht und nachhaltig ist“, sagte die Gewerkschafterin. Mehr Infos und Fotos auf der Internetseite der IG Metall Berlin.
Der 1. Mai in Brandenburg: „GeMAInsam Zukunft gestalten“ und Arbeitsplatzabbau verhindern
In Brandenburg trafen sich Kolleginnen und Kollegen in zwölf Städten, um gemeinsam für ihre Ideale einzustehen und „GeMAInsam Zukunft“ zu gestalten. Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, sprach in Potsdam zu den Teilnehmenden auf dem Luisenplatz. Sie nahm unter anderem die gewerkschaftlichen Errungenschaften und die Bedeutung von Gewerkschaften in Krisenzeiten in den Blick. „Gerade in Krisenzeiten stehen wir Gewerkschaften eng zusammen und kämpfen erst recht für gute Bedingungen unserer Kolleginnen und Kollegen. In der Pandemie haben wir verbesserte Regelungen beim Kurzarbeitergeld und das Corona-Kinderkrankengeld erstritten“, so Nele Techen. „Vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Krieges und falls Energielieferungen gestoppt werden, besteht weiterer Bedarf an Kurzarbeit. Ob die aktuell geltenden Verlängerungen bis 30. Juni 2022 ausreichen, erscheint fraglich.“
Neben Themen wie der Ukraine-Krieg und die Überwindung der Pandemieauswirkungen spielte bei der Kundgebung in Hennigsdorf auch der Arbeitsplatzabbau, den der Alstom-Konzern (ehemals Bombardier) plant, eine zentrale Rolle. Zahlreiche Metallerinnen und Metaller in IG Metall-Westen machten auf ihre Situation im Werk aufmerksam. Heiko Engelmann, gerade erst frisch ins Amt gewählter Betriebsratsvorsitzender beim Schienenfahrzeughersteller in Hennigsdorf, sagte: „Wir werden das nicht hinnehmen, dass im Hennigsdorfer Werk keine neuen Schienenfahrzeuge mehr hergestellt werde. Der Standort hat eine mehr als hundertjährige Tradition.“ Allerdings zeichne sich ab, dass es ab Juni eine Unterauslastung im Betrieb gebe. Die Geschäftsführung habe das seit einem Jahr gewusst, aber passiert sei nichts. „Die Belegschaft hat Angst vor Arbeitsplatzabbau, insbesondere an den Standorten Hennigsdorf und Görlitz“, sagte Heiko Engelmann.
Bundesweit hatten sich laut DGB-Angaben 203.500 Menschen an 401 Veranstaltungen und Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes beteiligt.