7. Sozialgipfel

Für soziale Gerechtigkeit: Berlin zur Hauptstadt der guten Arbeit machen

07.09.2016 | "Machen wir Berlin zur Hauptstadt der guten Arbeit!" Darüber waren sich wenige Tage vor der Abgeordnetenhaus-Wahl alle einig wie selten: Gewerkschafter, Politiker und Vertreter von Sozialverbänden debattierten am Mittwochabend auf dem 7. Berliner Sozialgipfel Probleme der größten deutschen Stadt, die zum wirtschaftlichen Wachstumsmotor geworden ist und dabei mit zunehmender sozialer Ungleichheit zu kämpfen hat.

Der Unterschied war nur: Denen, die nicht regieren, geht alles nicht schnell genug, und die Regierenden werben um Zeit und Geduld. Mit dabei: Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD), Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sowie Ramona Pop, das "Berliner Gesicht von B90/Die Grünen", Ramona Pop, und Klaus Lederer (Die Linke). Schnell machte auch das Publikum im überfüllten Saal klar: Wer Berlin nach dem 18. September regiert, wird an den Versprechen von heute gemessen.

 

Michael Müller zog Bilanz für gute Arbeit: In den zurückliegenden zehn Jahren wurde die Arbeitslosigkeit halbiert – nachdem Berlin seit den 90-er Jahren mehr als 200 000 Jobs verloren hatte. Berlin wächst, aber zu viele prekäre Arbeitsverhältnisse und damit verbundene soziale Unsicherheiten trüben bei vielen die Stimmung. Müller will das ändern. Seine Position: Zurück zu Flächentarifverträgen, Mitbestimmung in den Betrieben stärken, wieder mehr sichere unbefristete Jobs schaffen. Alle anderen wollen gegen die prekären Zustände mitziehen, so die Botschaft vom Sozialgipfel, den Gewerkschaften mit dem DGB Berlin-Brandenburg an der Spitze gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland, der Arbeiterwohlfahrt, dem Verband der Krankenkassen, der Volkssolidarität und dem Humanistischen Verband Deutschlands organisiert hatten.

 

"In Berlin besteht die Gefahr von Armut und sozialem Abstieg im Alter", kritisierte DGB-Chefin Doro Zinke. Gründe seien unterdurchschnittliche Löhne und viele prekäre Arbeitsverhältnisse in der Stadt. Daran entzündete sich eine Diskussion, was denn prekär sei. "Wenn du von nur einem Job nicht leben kannst und einen zweiten, dritten oder Aufstockung brauchst", brachte es Linken-Chef Klaus Lederer auf den Punkt.

 

Rainer Wild vom Berliner Mieterverein hakte ein: "Wohnen wird zum Armutsrisiko, die Marktwirtschaft versagt." Trotz aller Bemühungen laufe die Politik der Entwicklung hinterher: Die Einnahmen der Eigner steigen massiv, während die Wohnkosten selbst für einfache Quartiere immer höher werden. Berlin müsse umsteuern und vor allem preiswerte Wohnungen genehmigen und selbst neu bauen.

 

Die Stadt muss für alle da sein, betonte Ute Kumpf vom AWO Landesverband Berlin. Gebraucht werden eine Strategie gegen Kinderarmut und besserer Zugang zur Bildung für alle Kinder. Besonders für geflüchtete Kinder und Jugendliche müssten neue Strukturen geschaffen werden, forderte Kumpf.

 

"Flüchtlingshilfe ist heute und auch in den nächsten Jahren nicht nur eine Frage des Sich-Kümmerns
im solidarischen Sinne, sondern vor allem eine Aufgabe der Integration", unterstrich Heidi Knake-Werner von der Volkssolidarität. Berlin brauche bessere Voraussetzungen, damit Geflüchtete hier auch ankommen könnten, sagte sie.

 

Die wichtigsten Forderungen des 7. Berliner Sozialgipfels auf einen Blick:

 

1. Berlin muss Hauptstadt der guten, fair bezahlten Arbeit werden. Leiharbeit und Werkverträge
müssen zurückgedrängt werden.
2. Der öffentliche Dienst muss als Arbeitgeber vorbildlich sein. Das gilt auch für die Ausbildung
und die technische Infrastruktur.
3. Das Tarifsystem muss gestärkt und der gesetzliche Mindestlohn erhöht werden. Die Einhaltung
muss effektiv kontrolliert werden.
4. Investitionen in Bildung und Ausbildung müssen dauerhaft erhöht werden – von Kita
über Schulen, Berufsschulen und Hochschulen.
5. Integration und Inklusion muss Richtschnur der Politik sein, vor allem wenn es um ältere
und/oder behinderte Menschen geht.
6. Barrierefreiheit muss bei Wohnungen, im Wohnumfeld und beim ÖPNV stärker gefördert
und gesetzlich geregelt werden.
7. Kindertagesbetreuung muss quantitativ ausgebaut werden. Die Qualität ist durch einen
besseren Personalschlüssel zu erhöhen.
8. In der Kinder- und Jugendhilfe muss Prävention wichtiger werden. 10% der Mittel müssen
für Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stehen.
9. Frauen- und Gleichstellungspolitik ist Querschnittsaufgabe. Vor allem bei Löhnen und
Steuern muss Geschlechtergerechtigkeit her.
10. Die Integration von Flüchtlingen muss durch einen besseren Zugang zu Kitas, Bildung,
Sprachkursen und Arbeit vorangetrieben werden.
11. Der städtische Wohnungsbestand ist auf min. 400.000 zu erweitern. Min. 50% davon
sind als Sozialwohnungen zu errichten.
12. Spekulation und Mietpreistreiberei am Wohnungsmarkt müssen durch Gesetze, Planungsvorhaben,
Milieuschutz u.ä. verhindert werden.

 

<link file:8998 download file>Positionspapier des 7. Berliner Sozialgipfels

Von: md

Unsere Social Media Kanäle