Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie – mit Flugblatt

Ganztägige Warnstreiks der Beschäftigten: Viele Räder stehen still für die Angleichung Ost

23.04.2021 | Kreativ, aktiv und entschlossen: Die Welle der Warnstreiks im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen setzt sich auch am 23. April unvermindert fort. Mit zahlreichen ganztätigen Warnstreiks sowie Frühschlussaktionen zeigen Metallerinnen und Metallern den Arbeitgebern die rote Karte für deren Verweigerungshaltung am Verhandlungstisch in Sachen Angleichung.

Ganztägig legten die Beschäftigten von GKN in Mosel ab 5.45 Uhr ihre Arbeit nieder.

Entschlossen und geschlossen stehen sie auch in Coronazeiten hinter den Forderungen der IG Metall in der noch immer laufenden Tarifrunde im Bezirk. Fotos (2): Igor Pastierovic

Dieser Betrieb wird bestreikt: Stillstand in der Gläsernen Manufaktur von VW in Dresden

Worum es den Kolleginnen und Kollegen in der Gläsernen Manufakur besonders geht, verrät ein anderes Transparent: die Angleichung! Fotos (2): IG Metall

Volle Kraft voraus für die Angleichung Ost-West im VW-Fahrzeugwerk in Zwickau: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Besondere Zeiten, besondere Aktionsformen: Kundgebung im Autokinoformat bei ganztägigen Warnstreik der Metallerinnen und Metallter von VW in Zwickau.

„Ihr kämpft für das Richtige!“, rief Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Sachsen, den Warnstreikenden bei VW zu. Fotos (3): Igor Pastierovic

Ganztägiger Warnstreik informiert das eine Transparent und das andere erklärt warum: für die Angleichung jetzt! Coronakonform gibt es das Streikgeld für die Beschäftigten bei Innomotive Systems in Hainichen per Drive-In. Foto: IG Metall

Stillstand der Produktion auch bei ZF in Brandenburg an der Havel

ZF in Brandenburg an der Havel: Im Werk standen die Bänder still, draußen war Bewegung, vor allem für die Angleichung Ost.

Solidaritätsbesuch aus Friedrichshafen: Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei ZF, und Helene Sommer, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen – Fotos (3): Volker Wartmann

Den Reigen der Warnstreiks eröffneten an diesem Freitag die Kolleginnen und Kollegen von ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel. Punkt 4 Uhr in der Früh starteten sie in ihren ganztägigen Warnstreik. Früh-, Spät- und Nachtschicht fielen aus, dafür war vor dem Werk – coronakonform – einiges in Bewegung.

Früh-, Spät- und Nachtschicht fielen aus, dafür war vor dem Werk – coronakonform – einiges in Bewegung. Keine Forderung ist den Metallerinnen und Metallern bei ZF in dieser Tarifrunde so wichtig wie die Angleichung Ost, das wird an diesem Tag in allen Schichten deutlich. „Mehr als 30 Jahre nach der Wende kann und darf es nicht sein, dass es in Ost und West noch unterschiedliche Arbeitsbedingungen gibt“, sagte Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg-Potsdam. Sie kündigte an, dass die ganztägigen Warnstreiks auch in der kommenden Woche fortgesetzt werden, wenn die Arbeitgeber in der nächsten Verhandlung, die für Berlin-Brandenburg am 27. April stattfindet, keine Einsicht zeigen.

Aus Friedrichshafen, dem Stammsitz von ZF Getriebe, war prominenter Solidaritätsbesuch angereist: der ZF-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Achim Dietrich und Helene Sommer, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen. „Die Angleichung Ost ist kein Thema der ostdeutschen IG Metall, sondern der gesamten IG Metall. Die Angleichung Ost ist für alle wichtig“, sagte Helene Sommer. Den Warnstreikenden versprach sie: „Die Kolleginnen und Kollegen aus Friedrichshafen stehen hinter euch.“

„Mehr als 30 Jahre nach der Deutschen Einheit erwarten wir, dass im gesamten ZF-Unternehmen die gleichen Arbeitsbedingungen herrschen. Darum steht der Gesamtbetriebsrat hinter der Forderung der Angleichung Ost, weil sie längst überfällig ist“, sagte Achim Dietrich. „Wir sitzen alle in einem Boot, die Leute arbeiten teilweise an den gleichen Projekten. Den Beschäftigten wird viel zugemutet, der Stress nimmt massiv zu. ZF will überall die gleichen Standards. Die Arbeitgeber machen keine Unterschiede, warum sollen die Beschäftigten diese dann an den verschiedenen Standorten haben? Hinter den Kulissen sagen die Arbeitgeber, dass die Produktivität an allen Standorten gleich hoch ist und es eigentlich gar keine Argumente für eine Ungleichbehandlung mehr gibt.“

Mehr Fotos und Infos rund um den Warnstreik bei ZF sind auf der Internetseite der IG Metall Potsdam zu finden.

Auch der rbb berichtete am Abend über den Warnstreik bei ZF. Zu sehen ist der Beitrag über diesen Link.

Die Warnstreikwelle rollt durch Sachsen
5.45 Uhr startete eine gewaltige Warnstreikwelle in Sachsen. Den Auftakt machten die Beschäftigten von GKN Driveline in Mosel, sie legten ihre ganztätig nieder, um den Druck auf die Arbeitgeber in der noch immer laufenden Tarifrunde im Bezirk noch einmal mächtig zu erhöhen. Dafür sorgten auch zahlreiche weitere Betriebe in Sachsen, denn weniger später – um 6 Uhr – standen auch die Bänder im VW Fahrzeugwerk Sachsen in Zwickau, beim Zulieferer SAS Automotive Systems in Meerane, bei Innomotive Systems in Hainichen, bei Thyssenkrupp Presta in Chemnitz und in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen Sachsen in Dresden still.

Nichts geht mehr bei VW in Zwickau – aber nur im Betrieb!
Mit einem ohrenbetäubenden Hupkonzert haben am Nachmittag Hunderte Beschäftigte des Zwickauer VW-Werks lautstark auf ihre Forderung für ein Tarifliches Angleichungsgeld aufmerksam gemacht. „Die Arbeitgeber haben sich gründlich geschnitten, wenn sie glauben, dass sie uns mit juristischen Spielchen aufhalten können“, sagte Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau, bei der coronakonformen Kundgebung im Autokinoformat vor den Werktoren.

Auch Bezirksleiterin Birgit Dietze war vor Ort, um direkt zu den Kolleginnen und Kollegen zu sprechen und von ihren Erfahrungen in den bisherigen vier Verhandlungsrunden zu berichten. „„Die Arbeitgeber glänzen bisher durch mauern, schweigen, nichts tun oder verweisen auf betriebliche Lösungen. Aber die Forderung nach einer Angleichung hat nun schon 30 Jahre auf dem Buckel“, rief Birgit Dietze den Warnstreikenden zu. „In den vergangenen vier Tagen sind im Bezirk so viele Kolleginnen und Kollegen vor die Tore gegangen wie in den ersten vier Warnstreikwochen zusammen. Die Arbeitgeber können sich nun gern überlegen, wie lange wir die Bänder noch stillstehen lassen sollen.“

Unterstützung aus den Reihen der Politik kam an diesem Nachmittag aus dem Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Martin Dulig, Staatsminister und SPD-Ostbeauftragter, ließ es sich nicht nehmen, den Kolleginnen und Kollegen seine Solidarität direkt zu übermitteln. Er erklärte, dass es nicht sein dürfe, dass sich die Arbeitgeber mit der ungelösten Angleichungsfrage im Osten weiterhin Standortvorteile sicherten. Es sei wichtig, den Arbeitgebern zu zeigen, dass nur dann Autos vom Band rollen, wenn die Beschäftigten auch zur Arbeit kämen – und das sei an diesem Freitag eben nicht der Fall. „Ihr tut das Richtige, ihr kämpft für das Richtige!“, so Martin Dulig.

Der Versuch des VSME, das Streikrecht juristisch zu beschneiden, sei eine Fortsetzung des arroganten Verhaltens durch die Arbeitgeber, ergänzte Jens Rothe, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von VW Sachsen. Umso wichtiger sei jetzt ein deutliches Signal.

Weitere Informationen und mehr Fotos zu den Warnstreiks bei VW Zwickau, GKN und SAS gibt es auf der Homepage der IG Metall Zwickau. Dort findet sich auch ein Video vom ganztägigen Warnstreik bei GKN Driveline.

Mit Frühschlussaktionen demonstrierten zudem die Kolleginnen und Kollegen von Siemens WKC in Chemnitz und aus dem Motorenwerk von VW Sachsen in Chemnitz, dass sie geschlossen hinter den Forderungen ihrer IG Metall stehen.

Um die Beschäftigten in Coronazeiten bestmöglich vor Ansteckung mit dem Virus zu schützen, verbrachte der überwiegende Teil der Kolleginnen und Kollegen den ganztägigen Warnstreik in den heimischen vier Wänden. Vor den Werktoren fanden nur kleinere Kundgebungen und Aktionen statt – mit Abstand, Maske, Anstand und Entschlossenheit für die vielen, die den Tag überwiegend zu Hause verbrachten.

Deutlich wurde einmal mehr, dass die Beschäftigten nicht länger wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden wollen, nur weil sie ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in den gar nicht mehr so neuen Bundesländern haben. „Die Angleichung Ost muss endlich kommen. Erste Schritte und ein Entgegenkommen der Arbeitgeber am Verhandlungstisch sind in dieser Tarifrunde dringend notwendig, um den sozialen Frieden nicht noch ärger zu strapazieren“, war einmal mehr der übereinstimmende Tenor bei allen Warnstreiks.

„Das Thema glüht den Menschen in Ostdeutschland im Herzen. Die Empörung und Wut über den gerichtlichen Angriff auf das Streikrecht vom sächsischen Arbeitgeberverband ist groß und bricht sich in den Warnstreiks gerade Bahn“, hatte Birgit Dietze, Verhandlungsführerin und IG Metall-Bezirksleiterin in Berlin-Brandenburg-Sachsen, nach der vierten Verhandlungsrunde am 22. April mit dem Arbeitgeberverband Berlin-Brandenburg (VME) erklärt und die Arbeitgeber erneut aufgefordert: „Lassen Sie uns gemeinsam einen ersten Schritt machen!“

Dabei hatte Birgit Dietze auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die IG Metall nicht die Übernahme des Pilotabschlusses verweigert und auch nicht erwartet, die 8,5 Prozent Tarifliches Angleichungsgeld sofort mehr zu bekommen. Aber, so die Bezirksleiterin, „wir fordern Bewegung hin zu einer Lösung, auf dem Weg zu einer Gleichbehandlung aller Beschäftigten in Ost und West. In anderen Branchen ist das auch gelungen.“

Hinweis: Die Meldung wird fortlaufend um Fotos und weitere Informationen von den Warnstreiks ergänzt.

Forderungen der IG Metall
Die IG Metall fordert ein Volumen von 4 Prozent für Entgelterhöhungen oder zur Beschäftigungssicherung. Außerdem geht es um Zukunftstarifverträge, um die Transformation zu gestalten, und tariflich verbesserte Übernahmeregeln für Ausgebildete.
Dazu fordert die IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen für die rund 290.000 Beschäftigten (110.000 in Berlin-Brandenburg und 180.000 in Sachsen) ein Tarifliches Angleichungsgeld, damit 30 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich Schluss ist mit der Ungleichbehandlung der Beschäftigten in Ost und West.

„Die IG Metall hat die Forderung nach dem Tariflichen Angleichungsgeld im Rahmen ihrer Gesamtstrategie bewusst nur in Berlin-Brandenburg und Sachsen aufgestellt. Daher sind die jetzt erfolgenden Pilotübernahmen in anderen Tarifgebieten keine Referenz“, sagt Birgit Dietze, Verhandlungsführerin und Bezirksleiterin der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Das von den Arbeitgebern auch in der vierten Tarifverhandlung in Sachsen wiederholte Nein zum Tariflichen Angleichungsgeld befördert die in den Belegschaften bereits bestehende Empörung.“

Unten findet Ihr die aktuellen Metallnachrichten.

Berichterstattung:
Fernsehbeitrag des rbb, 23. April, mit Studio-Interview Birgit Dietze

Von: tt-aw

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