Der große Arbeitskampf 1993 im Osten

„Gemeinsam kämpfen verbindet“: Erinnerungen an den historischen Streik vor 30 Jahren

26.05.2023 | Dieser große Arbeitskampf im Osten ist unvergessen: In einem historischen Streik wehrten die Kolleg*innen der Stahlindustrie im Frühjahr 1993 den Angriff der Arbeitgeber auf den Flächentarifvertrag ab. Am 26. Mai vor 30 Jahren ging der erste Streik in der Nachkriegsgeschichte in der ostdeutschen Stahlindustrie zu Ende.

Ein historischer Arbeitskampf - Bilder aus dem Jahr 1993. (Bilder: IG Metall)

"Gemeinsam kämpfen verbindet. Ein gutes Gefühl" - so erinnerte sich Romy Schmiedl, Betriebsrätin von EKO Stahl, an die harte Auseinandersetzung im Mai 1993. Und Jürgen Leibiger, Betriebsrat vom Edelstahlwerk Freital, meinte: "Seit langem war wieder einmal so etwas wie Solidarität zu spüren. Ich glaube, das war der schönste Erfolg. Glück auf!"

Vom 3. bis zum 26. Mai 1993 dauerte der Arbeitskampf im ostdeutschen Stahl, eine Woche länger als in der Metallindustrie. Dieser Streik ging in die Geschichtsbücher ein: Zum ersten Mal seit über 60 Jahren standen die Arbeitnehmer*innen der ostdeutschen Stahlindustrie in einem gewerkschaftlichen organisierten Arbeitskampf. Eine ungewohnte Erfahrung, die aber auch einen einmaligen Anlass hatte. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte hatten die Arbeitgeber einen laufenden Tarifvertrag gekündigt. Sie wollten den Stufentarifvertrag von 1991 los werden, der die schrittweise Angleichung an die Löhne im Westen bis 1994 bringen sollte. Ihr Kalkül: Die hohe Arbeitslosigkeit in Brandenburg, in Berlin und Sachsen würde die Beschäftigten einschüchtern, genau wie die Angst vor weiteren Werksschließungen.

Doch damit hatten sich die Arbeitgeber verrechnet. Die Belegschaften wehrten sich und demonstrierten mit klaren Entscheidungen in den Urabstimmungen ihre Entschlossenheit. Mit Glockenschlag 0.00 Uhr legten die Belegschaften der Hennigsdorfer Elektrostahlwerke und der Brandenburger Elektrostahlwerke am 3. Mai 1993 die Arbeit nieder. Mit Schichtbeginn um 6.00 Uhr ging es weiter im Walzwerk Finow,  in den Gröditzer Stahlwerken, im Stahl- und Walzwerk Brandenburg und im Industrie- und  Transportbetrieb Brandenburg. Am 6. Mai schließen sich die Belegschaften von EKO Stahl AG, den Sächsischen Edelstahlwerken Freital und von der Edeldrahtzieherei in Lugau an.

Es war ein harter, ein erbitterter Arbeitskampf. Am Ende stand ein Abschluss, der die vereinbarte Angleichung sicherte, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt. Was bleibt, ist die riesige Leistung, der Mut und die Solidarität der Kolleg*innen in ihrem Arbeitskampf vor drei Jahrzehnten, mit dem sie dem massiven Widerstand der Arbeitgeber und schwierigen Umständen trotzten. Nicht zuletzt stellten sie damit unter Beweis, was Horst Wagner, damals IG Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg, so beschrieb: "Gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft können Arbeitnehmer auch in der Krise kämpfen."

Von: ms

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