30.11.2010 | Die IG Metall hat davor gewarnt, dass der Aufschwung an der jungen Generation vorbei zu gehen droht. Praktika, Leiharbeit und befristete Jobs bestimmen immer mehr die Arbeits- und Lebensbedingungen von jungen Arbeitnehmern. Die Ausbildungszahlen in der Metall- und Elektroindustrie gehen zurück.
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Erwerbstätigen unter 25 Jahren
arbeitet in prekären Arbeitsverhältnissen, neun Prozentpunkte mehr als im
Krisenjahr 2009. Bei den unter 35-Jährigen sind 30 Prozent befristet und
20 Prozent in Teilzeit beschäftigt. Mehr als ein Viertel (28 Prozent)
der Befragten gab an, im bisherigen Berufsleben nur befristet beschäftigt
gewesen zu sein.
"Der Aufschwung geht an der jungen Generation vorbei. Ihre
Prekarisierung steigt auf hohem Niveau auch nach der Krise weiter an. Die
Jungen werden abgehängt und im Berufsleben an den Rand gedrängt",
sagte Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen.
Angesichts der Debatte um Fachkräftemangel und Zuwanderung kritisierte
Höbel, dass Fachkräftepotentiale durch die betriebliche Aus- und
Weiterbildung nicht hinreichend genutzt würden. "Die Metallarbeitgeber ignorieren die Risiken insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen".
Eine Umfrage der IG Metall in 46 tarifgebundenen Metall- und
Elektrobetrieben mit 34.000 Beschäftigten in Berlin und Brandenburg ergab
sogar einen Rückgang der angebotenen Ausbildungsplätze um zehn Prozent im Jahr 2009 und ein weiteres Minus von vier Prozent für 2010.
Rund 12 Prozent der befragten Unternehmen bieten im Jahr 2010 keine neuen Ausbildungsplätze an. 63 Prozent der Betriebe stellen weniger oder nur
gleich viele Auszubildende ein.
"Die Bildungspolitik versagt, Unternehmen verweigern Aus- und Weiterbildung
und die Bundesagentur verwaltet die Jungen anstatt sie zu fördern. Die
junge Generation wird so ihrer Perspektiven beraubt und die
Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft gefährdet", sagte der Gewerkschafter.
Trotz rapide sinkender Bewerberzahlen besteht ein zusätzlicher Bedarf an betrieblichen Ausbildungsplätzen in Berlin und Brandenburg von rund 24 Prozent.
Insgesamt sind in der Region 120.000 Jugendliche zwischen 20 und 29 Jahren ohne berufliche Qualifikation.
Vor dem Hintergrund der besonderen demografischen Probleme im Osten fordert die IG Metall mehr Bildungsinvestitionen, tarifliche Regelungen zur
Fachkräftesicherung und zur Förderung der Ausbildungsfähigkeit Jugendlicher.
Die IG Metall will den tariflichen Anspruch auf Übernahme von
Ausgebildeten nach Qualifizierungszeiten oder sozialen Diensten sichern und
Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf durchsetzen.
Im Gegensatz zu vielen westdeutschen Arbeitgeberverbänden hat der Verband der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg bislang Tarifverträge zur Gestaltung des demografischen Wandels abgelehnt.
Die IG Metall wird daher die Arbeits- und Lebensbedingungen der jungen Beschäftigten im Rahmen ihrer Kampagne "Kurswechsel für ein gutes Leben" auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene zu Topthema im nächsten Jahr machen.