IG Metall: Zeitarbeit darf nicht zur Regel werden

06.06.2006 | Zunehmend stellen Unternehmen Zeitarbeiter nicht nur zur Bewältigung von Produktionsspitzen ein, sondern auch für Kernaufgaben wie Forschung, Entwicklung und Marketing, die zuvor die Stammbelegschaft erfüllte. Verfestigt sich dieser neue Trend, ist dies Missbrauch der gesetzlichen Möglichkeiten und nicht im Sinne der Erfinder, warnt Bodo Grzonka, Zeitarbeitsexperte in der IG Metall-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg Sachsen.

Bodo Grzonka auf dem Forum »Zeitarbeit« zur Bezirkskonferenz 2006 am 12. Mai

Ein Beispiel ist Daimler-Chrysler in Ludwigsfelde, wo jetzt bis zu 700 neue Stellen in der Sprinter-Produktion mit Zeitarbeitern und befristet Beschäftigten besetzt werden sollen. Damit entsteht hinter den Werktoren eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sagt Hermann von Schuckmann, IG-Metall-Bevollmächtigter in Ludwigsfelde. Einige bisher befristet Beschäftigte erhielten nun als Zeitarbeiter für die gleiche Arbeit 20 Prozent weniger Geld als fest Angestellte. Das Unternehmen hat dazu noch nicht Stellung bezogen.


Der immer häufigere Einsatz von Zeitarbeitern in der Normalauslastung spaltet die Beschäftigten, sagt Gronzka. Dies setze die Kernbelegschaft unter einen hohen psychologischen Druck.  Das sieht Christine Zumbeck vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ebenso. Zeitarbeiter zeigen nach ihren Erkenntnissen überdies oft überangepasstes Verhalten, um  den erhofften Aufstieg in die Stammbelegschaft zu schaffen.

Als Vorreiter bei der Ausweitung der Zeitarbeit hat sich das BMW-Werk in Leipzig etabliert. Hier ist nach Schätzungen der IG Metall  jeder Dritte der 2300 Beschäftigten über eine Zeitarbeitsfirma angestellt. Ein Unternehmenssprecher sagt, die Ansiedlung in Leipzig sei wegen der großen Flexibilität erfolgt, die hier möglich war. Die Maschinenlaufzeiten betrügen mal 60, mal 140 Wochenstunden. Mit dauerhaftem Stammpersonal wäre so etwas nicht möglich. »Die Zeitarbeit trägt damit zur Sicherheit der Stammarbeitsplätze bei«, so der Sprecher. 


Wenn kein Stammpersonal verdrängt werde, sei Zeitarbeit eine gute Möglichkeit, Arbeitslosen den Wiedereinstieg zu ermöglichen, heißt es im Brandenburger Arbeitsministerium. Elke Jahn vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht da nur wenig Gefahr. Überwiegend handle es sich bei Zeitarbeit um zusätzliche Beschäftigung, sagt sie.

 

Gerade hier legt Bodo Grzonka den Finger in die Wunde. »Bei BMW geben sich in letzter Zeit die Persnalchefs großer deutscher Unternehmen die Klinke in die Hand. Kurz darauf werden die Betriebsräte wie bei DaimlerChrysler mit dem Anliegen bestürmt, bei notwendigen Neueinstellungen übermäßig viele Zeitarbeitnehmer ins Unternehmen zu holen«, kritisiert Grzonka und unterstreicht, dies entspreche nicht der Absicht des Gesetzgebers und der Tarifvertragsparteien.


Die IG Metall bleibt bei diesem Problem am Ball. Aus gutem Grund, denn die Zeitarbeitsbranche boomt weiter. 453 000 Beschäftigte hatten die Personalverleiher im Juni 2005 auf der Lohn- und Gehaltsliste. Allein in Brandenburg wuchs ihre Anzahl von 2002 bis 2005 um  mehr als ein Drittel auf 12 050 Beschäftigte.

 

»Zeitarbeit ist in Deutschland noch immer unterrepräsentiert«, so  Marcel Speker, Sprecher der Interessengemeinschaft deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ), in der vor allem die kleineren Firmen organisiert sind. Hierzulande würden 1,5 Prozent der Beschäftigten bei Verleihern arbeiten, gegenüber drei bis vier Prozent in den Niederlanden und in Frankreich.

Thomas Läpple, Sprecher des Bundesverbands Zeitarbeit (BZA), rechnet sogar mit einer Verdopplung der Zahlen in Deutschland bis 2010. Zeitarbeit verschaffe den Unternehmen die im globalen Wettbewerb notwendige Flexibilität, so Läpple.


Ohne Befristung
Die Beschäftigung von Zeitarbeitskräften ist im so genannten Arbeitnehmerüberlassungsgesetz von 1972 geregelt. Die ursprünglich auf drei Monate befristete Höchstdauer der Überlassung wurde in mehreren Schritten bis auf zwei Jahre verlängert und ist 2003 komplett entfallen. Ebenfalls seit 2003 gelten für die Zeitarbeitskräfte Tarifverträge, die zwischen den beiden Branchenverbänden BZA und IGZ und den Gewerkschaften ausgehandelt wurden. Aktuell wird über Mindestlöhne verhandelt.

Von: md

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