Thema Werkverträge

Sozialreport Automobilcluster Leipzig

15.09.2015 | Leipzig: »Boomtown«, »modernster Automobilstandort Europas«, hieß es Anfang des Jahrtausends, als BMW und Porsche ihre neuesten Endmontagewerke am Stadtrand von Leipzig eröffneten. »Die Zukunft kommt aus Leipzig« - die Euphorie vor und nach der Ansiedlung von Porsche und BMW vor mehr als zehn Jahren war groß. Doch nur wenige Jahre nach der Ansiedlung sah die Wirklichkeit anders aus: Beschäftigte mit 5,77 Euro Stundenlohn und Belegschaften, die in den Streik für bessere Arbeitsbedingungen traten. Die Schattenseiten des Leipziger Booms und wie es mit den Beschäftigten gelungen ist, mehr Geld, mehr Freizeit und mehr Mitbestimmung durchzusetzen, zeigt der Sozialreport.

Die Automobilbranche rund um Leipzig zählt rund 18.000 Beschäftigte. Nur 8.300 gehören zur Stammbelegschaft von Porsche oder BMW. Alle anderen arbeiten bei Zulieferern, bei Werksvertragsunternehmen, als Leiharbeiter. Die IG Metall hat die Situation dieser Beschäftigten untersucht. Ergebnis: Fast 30 Prozent der Befragten verdienen inklusive aller Zuschläge weniger als 1.750 Euro brutto. Fast 44 Prozent sagen, ihnen fehle das Geld für Urlaub. Dabei arbeiten 90 Prozent auch an Wochenenden und Feiertagen.

 

Leipzig ist neues Produktionslabor

Die Automobilindustrie habe den Standort Leipzig zu einem Labor für Produktions- und Arbeitszeitkonzepte gemacht, sagte IG Metall-Beziksleiter Olivier Höbel. Zwar seien bis heute rund 18000 Arbeitsplätze im Automobilcluster entstanden, viele davon seien aber prekär. "Die harten Tarifauseinandersetzungen bei Schnellecke, Rudolph Logistik und der WISAG waren Meilensteine zu einem tariflichen Ordnungsrahmen. Lange Zeit waren die Arbeitsbedingungen bei den Kontraktlogistikern und Industriedienstleistern ungeregelt. Die Beschäftigten haben in diesen Konflikten erfahren, dass sie nicht per se prekäre Hilfskräfte an der letzten »verlängerten Werkbank« sind, sondern genauso Teil des Gesamtprozesses wie ihre Kolleginnen und Kollegen der Stammbelegschaften an den Endmontagebändern von BMW und Porsche", erklärte Bezirksleiter Olivier Höbel.

 


Erfolgreicher Kampf für neuen Ordnungsrahmen

Leipzigs IG-Metall-Geschäftsführer Bernd Kruppa sagte: "Die Betroffenen, die wir befragt haben, sagen: Das Entgelt, die Arbeitszeiten sind wichtige Dinge. Aber die Frage des Respekts, der Akzeptanz, die Wertschätzung der Unternehmen für die Arbeit, die die Menschen leisten, da fühlen sie sich schlecht behandelt. BMW und Porsche wollen Flexibilität, um am Weltmarkt erfolgreich zu sein. Dagegen haben wir - die IG Metall - nichts einzuwenden. Wir kämpfen aber entschieden gegen Beliebigkeit, Willkür und die Etablierung eines Niedriglohnsektors. Bei Werkverträgen und Leiharbeit darf es keine Schmutzkonkurrenz über Dumpinglöhne geben - der Wettbewerb soll ausschließlich über die Qualität und den Leistungsumfang entschieden werden. Dafür braucht es einen neuen einheitlichen tariflichen Ordnungsrahmen im Automobilcluster Leipzig."

 

System Werkverträge durchbrechen

Der Leipziger Sozialreport blickt hinter die Kulissen. Erfahrungsberichte Betroffener und Betriebsräte geben Aufschluss über die Startegien der beiden Automobilwerke und wie sich die Beschäftigten gegen die neue Arbeitspolitik, nämlich der Trennung von Stammbelegschaft und einem doch beachtlichen Teil Randbelegschaften – egal ob Werksvertragler oder Leiharbeiter, zur Wehr setzten. Es wird dargestellt, wie die Standards in den Werkvertragsunternehmen Schritt für Schritt verbessert wurden und wie es bei den produktionsnahen Dienstleistern im Umfeld von Porsche und BMW in den letzten Jahren gelungen ist, für die Beschäftigten mehr Lohn, mehr Freizeit und mehr Mitbestimmung durchzusetzen. Der Sozialreport zeigt zudem, wie das "System Werkverträge" funktioniert, welche Auswirkungen es auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der einzelnen Beschäftigten hat. 

 

Leipzig hat eine strategische Bedeutung wie sich Arbeitsbedingungen entwickeln. Betriebsräte der Logistikunternehmen sowie von BMW und Porsche unterstützen die Inititativen zur Eindämmung der Werkverträge. Betriebsräte und IG Metall haben schon viel erreicht. BMW zum Beispiel will künftig bevorzugt mit Firmen zusammenarbeiten, die einen IG Metall-Tarifvertrag haben. Eine faire Entlohnung auch bei Zulieferern ist schließlich besser fürs Image.

 

Die Bundesregierung plant einen entsprechenden Gesetzesentwurf, um dem Missbrauch von Werkverträgen entgegen zu wirken. Jetzt müssen hierfür die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten und Betriebsräte deutlich verbessert werden.

Von: bg

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