04.05.2022 | Eine deutliche Lohnsteigerung in der Entgelttabelle erwarten die Kolleginnen und Kollegen in der Metall- und Elektroindustrie von der Tarifrunde in diesem Jahr. Das machten sie bei der Sitzung der Tarifkommission für Berlin, Brandenburg und Sachsen in Berlin-Schönefeld deutlich.
Die wirtschaftliche und politische Lage ist extrem unsicher. Doch für einen Verzicht auf spürbare Tarifsteigerungen gibt es keinen Grund, gerade wenn das Leben durch die Inflation immer teurer wird. Diese Erwartungshaltung der Mitglieder beschrieben die Aktiven in der Sitzung der Tarifkommission des Bezirks für die Metall- und Elektroindustrie. „Wir brauchen eine deutliche tabellenwirksame Erhöhung in dieser Tarifrunde“, betonte Patric Succo, Vertrauenskörperleiter beim Mercedes Benz Werk Berlin. Sehr gut gestartet ist nach seinem Bericht die Befragung der Beschäftigten, mit der die IG Metall die Erwartung der Belegschaften an die Tarifrunde genau erfassen möchte. Schon in den ersten beiden Tagen führten Patric und seine Kolleg*innen dutzende Gespräche und konnten mehrere neue Mitglieder gewinnen. „Wir müssen unsere Arbeit teuer verkaufen“ – das ist auch für Claudia König von Otis in Berlin klar. Sandro Hoffmann, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei ZF Getriebe Brandenburg, erklärte: „Die steigenden Preise sind ständiges Diskussionsthema bei den Kolleginnen und Kollegen. Die Steigerung der Entgelte muss im Mittelpunkt der Tarifrunde stehen.“ Dies betonte auch Nino Ludwig, Vertrauenskörperleiter am BMW-Standort in Leipzig. „Wir brauchen eine deutliche Steigerung in der Entgelttabelle – das ist die klare Botschaft der Kolleginnen und Kollegen.“
Unsicherheit prägt die wirtschaftliche Lage
Wie schwer sich selbst die Fachleute mit der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage tun, beschrieb Beate Scheidt vom IG Metall Vorstand. Der Ukraine-Krieg, die Sanktionen gegen Russland und steigende Preise bremsen das Wachstum. Reihenweise haben die Forschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen herunterschraubt. Zugleich ist die Lage auch für die Konjunkturexperten so unübersichtlich, dass die Vorhersagen ungewöhnlich stark schwanken. Die Spannbreite bei den Wachstumserwartungen für dieses Jahr reicht von minus 0,3 Prozent bis plus 3,1 Prozent. „Das spiegelt die extreme Unsicherheit wieder“, so Scheidt. Wichtig dabei: Ein Energieembargo gegen Russland mit einem Stopp der Gaseinfuhren ist bei den gestutzten Prognosen noch nicht berücksichtigt. Zugleich steigen die Preise immer schneller – im April lagen sie in Deutschland im Schnitt um 7,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Aufträge erreichen Rekordwert
All dies heißt aber nicht, dass die wirtschaftliche Lage durchweg düster wäre. In der Metall- und Elektroindustrie stieg die Produktion 2021 um 4,6 Prozent, die Umsätze nahmen sogar noch stärker zu, nämlich um zehn Prozent. Der Unterschied erklärt sich dadurch, dass die Unternehmen die Preise deutlich erhöhten. Sie konnten also die Belastungen durch steigende Kosten zumindest teilweise an die Kundschaft weiterreichen. Ungewöhnlich gut ist auch die Auftragslage. In der Branche ist die Reichweite der Aufträge im zweiten Quartal auf einen Rekordwert von 6,1 Monaten gestiegen, wie Beate Scheidt erläuterte. Die Unternehmen brauchen also rein rechnerisch gut sechs Monate, um allein die vorliegenden Aufträge abzuarbeiten.
Gemeinsam an Durchsetzungsfähigkeit arbeiten
Weiter geht es am 2. Juni mit der nächsten Sitzung der Tarifkommission, bei der die Forderungsempfehlung beschlossen werden könnte. Dann liegt auch die Auswertung der Beschäftigten-Befragung für den Bezirk vor. Der Forderungsbeschluss der Tarifkommission steht am 30. Juni an. Bis dahin gilt es, an der Durchsetzungsfähigkeit zu arbeiten. „Wir alle zusammen müssen uns schon jetzt auf harte und schwierige Tarifauseinandersetzungen vorbereiten“, sagte IG Metall-Bezirksleiterin Birgit Dietze. „Wir müssen die Unruhe in die Betrieben aufgreifen und weiter transportieren, die Mitglieder in unsere Debatten einbinden und neue Mitglieder dazu gewinnen.“