TTIP: Transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA

11.03.2014 | Mit einem Freihandelsabkommen wollen die EU und die USA den weltweit größten gemeinsamen Wirtschaftsraum schaffen. Dabei drohen Arbeitnehmerrechte, Sozialstandards und demokratische Prinzipien unter die Räder zu kommen. Wenige sollen auf Kosten von Vielen profitieren. Die IG Metall fordert deshalb den Stopp der Verhandlungen. Der Beitrag geht den Fragen nach: •Worum geht es beim transatlantischen Freihandelsabkommen? •Was soll das Abkommen bringen? •Welche Risiken bestehen? •Wie ist die Position der IG Metall?

Worum geht es beim transatlantischen Freihandelsabkommen?


Zurzeit verhandeln Vertreter der Europäischen Kommission und der USA über eine transatlantische Freihandels- und Investitionspartnerschaft (TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership oder auch TAFTA - Trans-Atlantic Free Trade Agreement). Ziel ist es, Zölle abzubauen, Standards beim Umweltschutz zu schaffen und technische Normen und Arbeitnehmerrechte anzugleichen. Kurz: Tarifäre und nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen zwischen den USA und der EU sollen beseitigt werden.

Tarifäre und nicht-tarifäre Hemmnisse
Tarifäre Handelsbeschränkungen sind etwa Zölle, die bei der Einfuhr von Waren in ein Land erhoben werden, was diese für den Verbraucher teurer machen kann. Die Ursachen für nicht-tarifäre Handelshemmnisse liegen meist in unterschiedlichen technischen Standards, Regeln zur Produktqualität oder gesetzlichen Vorschriften für Waren und Dienstleistungen. Das betrifft zum Beispiel etwa Lebensmittel, Medikamente oder Autos. Vor der Einfuhr von Waren ist deshalb nachzuweisen, dass sie die Kriterien des Ziellandes erfüllen. Das erhöht die Kosten für ihre Ausfuhr. Sind die Kriterien nicht erfüllt, kann der Import verboten werden. So dürfen zum Beispiel hormonbehandeltes Fleisch und mit Chlor behandelte Hühnchen nicht in die EU und französischer Schimmelkäse à la Roquefort nicht in die USA eingeführt werden.

Investitionsschutz
Parallel verhandeln die EU-Kommission und die Vertreter der USA über ein so genanntes Investitionsschutzabkommen. Es soll ausländischen Investoren bei "direkter" und "indirekter" Enteignung ein Klagerecht gegenüber Staaten einräumen. Während der Staat im "direkten" Fall ein ausländisches Unternehmen enteignet, kann das Unternehmen im "indirekten" Fall klagen, wenn staatliche Entscheidungen seine Profitinteressen gefährden. Das kann der Fall sein, wenn ein Staat indirekt den Umsatz und Gewinn eines Unternehmens schmälert, indem er höhere Umweltauflagen oder mehr Arbeitnehmerrechte einführt. Ein solches Abkommen sichert Investoren ein völkerrechtlich abgesichertes Klagerecht gegenüber Staaten vor einem extra dafür einberufenen internationalen privaten Schiedsgericht. Nach Protesten von mehreren Seiten hat die EU-Kommission die Verhandlungen über den Investitionsschutz vorerst ausgesetzt.

Was soll das Abkommen bringen?


Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA entstünde der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Der nahezu schrankenlose Handel soll laut Befürwortern die Produktivität steigern und die Importkosten und Preise für die Verbraucher senken. Ihr Versprechen: mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks. Die bislang dazu durchgeführten Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Verheißungen höchst ungewiss und die positiven Effekte auf Wachstum und Arbeitsplätze eher gering sind.

Stand der Forschung
Die im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie des Centre for Economic Policy Reaserch (CERP) basiert auf dem sehr optimistischen Szenario, dass alle Zölle und fast alle nicht-tarifären Handelshemmnisse fallen. Das Ergebnis: Das Bruttoinlandsprodukt der EU wächst dank des Freihandelsabkommens zusätzlich um 0,48 Prozent - in einem Zeitraum von zehn Jahren. Das ist im Schnitt ein Plus von 0,05 Prozentpunkten pro Jahr.

Das ifo-Institut hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung die Beschäftigungseffekte untersucht. Bei einer weitreichenden Liberalisierung des Handels geht das Institut von einem Plus von 181 000 Arbeitsplätzen in Deutschland aus. Nimmt man alle Erwerbstätigen im Jahr 2012 als Ausgangspunkt, wäre das ein Anstieg von 0,4 Prozent.

Welche Risiken bestehen?


Kritiker sehen durch die TTIP die Arbeits-, Sozial-, Produkt- und Umweltstandards in den Mitgliedsländern in Gefahr. Sie befürchten, dass diese als Ergebnis der Verhandlungen auf dem jeweils niedrigsten Niveau angeglichen werden. Das würde die Lebensqualität der Menschen in Europa und Amerika entscheidend verschlechtere verschlechtern. Die Öffnung des europäischen Marktes für Chlorhünchen, Hormonfleisch und nicht gekennzeichnete, gentechnisch veränderte Lebensmittel wäre dabei nur eine Seite der Medaille.

Folgen des Investitionsschutzes
Gewerkschaften stoßen sich vor allem am Investitionsschutz. Denn ein auf die Interessen der Investoren zugeschnittenes TTIP stärkt die Macht der Konzerne. Dadurch werden die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft massiv einschränkt.

Mögliche Folgen sind bereits heute zu beobachten: So hat Der schwedische Energiekonzern Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs auf Schadensersatz verklagt, weil das Stilllegen von Atommeilern den Gewinn des Unternehmens schmälert. Der Streitwert beträgt 3,7 Milliarden Euro, die - sollte Deutschland die Klage verlieren - vom Steuerzahler zu begleichen sind. In Ägypten geht ein französisches Unternehmen gegen die Erhöhung des Mindestlohns vor. Zwar sind die USA Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), sie haben aber nur zwei der acht <link http: www.ilo.org berlin arbeits-und-standards kernarbeitsnormen lang--de index.htm _blank>ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Nicht in Kraft gesetzt wurden Normen, die Grundlagen für gewerkschaftliche Aktivitäten und Tarifverhandlungen garantieren. Amerikanische Gewerkschaften befürchten deshalb, dass diese durch den geplanten Investitionsschutz auch in Zukunft nicht in den USA ratifiziert werden.

Die Beispiele zeigen: Unternehmen können auf Grundlage des Investitionsschutzes das Stärken von Arbeitnehmerrechten oder höhere Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards juristisch bekämpfen.

Intransparentes Verfahren
Anlass zur Kritik gibt auch das Verfahren: Die TTIP-Verhandlungen sind alles andere als transparent. Auf welche Art und Weise die Freihandelszone geschaffen und überwacht werden soll, wird von einer kleinen Gruppe in außerparlamentarischen Gremien unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt. Die Zivilgesellschaft bleibt außen vor - und damit die demokratische Kontrolle.

Wirkung auf Drittstaaten
Wenn der Handel zwischen der EU und den USA durch das Fallen der noch bestehenden Schranken zunimmt, geschieht dies zu Lasten der Staaten, die nicht der Freihandelszone angehören. Das hat negative Folgen für ihre Wirtschaft. Auch das lassen die TTIP-Befürworter außer Acht.

Wie ist die Position der IG Metall?


Wie das Abkommen derzeit angelegt ist, profitieren Wenige auf Kosten von Vielen. Deswegen steht für die IG Metall fest: Ohne eingebauten Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz kein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA! Die Gewerkschaft fordert Regeln, die Arbeitnehmerrechte, Sozial- und Umweltstandards auf einem hohen Niveau schützen.

Verhandlungen stoppen!
Der zu erwartende Nutzen für Arbeitnehmer und Verbraucher ist zu gering, als dass die damit verbundenen Risiken eingegangen werden sollten. "Es geht ausschließlich um die Absenkung der Schutzmechanismen für Verbraucher und Arbeitnehmer", sagt Detlef Wetzel, Erster Vorsitzender der IG Metall, im <link http: www.fr-online.de wirtschaft _blank>Interview mit der "Frankfurter Rundschau". "Wenn aber nur Schutzrechte für Verbraucher und Arbeitnehmer abgesenkt werden, sagt die IG Metall Nein", begründet der Erste Vorsitzende die Forderung der Gewerkschaft nach einem Verhandlungsstopp.

Kein Investitionsschutz nötig
Das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA braucht aus Sicht der IG Metall keinen eingebauten Investitionsschutz. Die Rechtssysteme der Vertragspartner sind so weit entwickelt, dass sie Investoren ausreichend schützen. Der geplante Investitionsschutz würde den demokratischen Rechtsstaat untergraben, da er Unternehmen die Möglichkeit bietet, über private Schiedsgerichte nationale Gesetze und Gerichte zu umgehen. Damit würde der Handlungsspielraum demokratischer Staaten eingeschränkt. Die Zeche hätten die Steuerzahler zu zahlen: Sie müssten den ausländischen Unternehmen für ihre entgangenen Gewinne Schadensersatz leisten.

Bedingungen der Gewerkschaften
Die IG Metall und weitere DGB-Gewerkschaften würden dem Transatlantischen Freihandelsabkommen unter folgenden Bedingungen zustimmen:

  • umfassende transparente und demokratische Beteiligung der Parlamente und der Zivilgesellschaften,
  • klare, verbindliche und durchsetzbare Regelungen zum Schutz und Ausbau von Arbeitnehmerrechten sowie von Sozial- und Umweltstandards. Keine Behinderung sozialer ökologischer staatlicher Regulierung. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung sozialer Bedingungen zu knüpfen,
  • das Abkommen muss sicherstellen, dass für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens dieselben Arbeitsstandards und -rechte gelten wie für andere Beschäftigte im Zielland,
  • das Abkommen darf nicht zu einer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Bereiche - insbesondere öffentlicher Dienstleistungen - führen, oder Reregulierungen behindern,
  • das Abkommen darf keine Regelungen zum Investitionsschutz enthalten, die zu einer Beeinträchtigung von Arbeitnehmerrechten führen könnten, oder die Möglichkeiten des Staates beschränken, sinnvolle Regelungen im Interesse der Bevölkerung oder der Umwelt zu erlassen.
  • Für die IG Metall ist es eine unabdingbare Voraussetzung für das Abkommen, dass die USA die Kernarbeitsnormen der ILO ratifizieren und umsetzen.


Für die IG Metall ist es eine unabdingbare Voraussetzung für das Abkommen, dass die USA die <link http: www.ilo.org berlin arbeits-und-standards kernarbeitsnormen lang--de index.htm _blank>Kernarbeitsnormen der ILO ratifizieren und umsetzen.

Von: igm

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