DGB Ausbildungsreport 2025

Fast zwei Drittel der Auszubildenden können von ihrem Gehalt nicht leben

26.08.2025 | Annähernd 72 Prozent der Auszubildenden in Deutschland sind mit der Qualität ihrer Ausbildung zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden. Doch für viele reicht das Gehalt nicht aus zum Leben. Das sind wesentliche Ergebnisse einer repräsentativen Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Für seinen kürzlich erschienen Ausbildungsreport 2025 hat der DGB zwischen September 2024 und April 2025 rund 9.000 Auszubildende in den 25 meistfrequentierten Ausbildungsberufen befragt.

Die Zufriedenheit der Auszubildenden schwankt von Branche zu Branche deutlich. So sind beispielsweise mehr als 80 Prozent der angehenden Industriemechaniker, Mechatroniker und Fachinformatiker zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung, während dies von den befragten Hotelfachleuten und Friseur-Azubis nur etwa 60 Prozent sagen.

63 Prozent der Azubis verdienen zu wenig Geld zum Leben

Trotz der im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegenen allgemeinen Zufriedenheit mit der Ausbildungsqualität zeigt der aktuelle DGB-Ausbildungsreport deutlich auf, dass viele Auszubildende mit zahlreichen Problemen und Schwierigkeiten während ihrer Ausbildung konfrontiert sind. Bedenklich ist, dass annähernd 63 Prozent der Befragten von ihrem Azubi-Gehalt nicht leben können und deshalb auf Unterstützung ihrer Eltern oder Nebenjobs angewiesen sind. Der DGB fordert deshalb, die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung von derzeit 682 auf mindestens 836 Euro brutto im ersten Ausbildungsjahr anzuheben. „Wird Ausbildung zu etwas, was sich junge Menschen leisten können müssen, ist das nicht nur Ausdruck mangelnder Wertschätzung – es steht auch unseren Bemühungen entgegen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen“, so DGB-Jugendsekretär Kristof Becker. Zudem wissen vier von zehn Auszubildenden nach eigener Aussage im letzten Ausbildungsjahr noch immer nicht, ob sie von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden.

Ausbildungsfremde Tätigkeiten gefährden erfolgsreichen Abschluss

Obwohl laut Berufsbildungsgesetz verboten, müssen annähernd 15 Prozent während ihrer Ausbildung häufig oder manchmal sogar immer ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben: Zeit, die ihnen für die eigentlichen Ausbildungsinhalte fehlt und einen erfolgreichen Abschluss gefährdet. Ebenfalls bedenklich ist, dass noch immer annähernd ein Drittel (32,6 Prozent) der Auszubildenden Überstunden leisten muss, die sie in manchen Fällen noch nicht einmal vergütet oder in Freizeit ausgeglichen bekommen.

Zugangsvoraussetzungen und Hürden

Schwerpunktthema des diesjährigen Ausbildungsreports sind „Zugangsvoraussetzungen und Hürden“. Wie erleben Auszubildende ihre Bewerbungsverfahren? Anhand welcher Kriterien entscheiden sie sich für ihren Ausbildungsbetrieb? Die DGB-Studie zeigt diesbezüglich deutliche Defizite bei der Berufsorientierung auf. Familie, Freunde und Freundinnen sind bei weitem die wichtigsten Helfer bei der Arbeitsplatzsuche. Die Angebote der Arbeitsagenturen und die schulische Berufsorientierung werden deutlich seltener als hilfreich wahrgenommen.

Gute Erreichbarkeit des Betriebs ist besonders wichtig

Für nahezu 60 Prozent der Auszubildenden ist eine gute Erreichbarkeit des Betriebs das wichtigste Kriterium bei der Wahl ihres Ausbildungsbetriebs. Ebenso von hoher Bedeutung sind ihnen ein gutes Arbeitsklima, die Arbeitszeiten und die Höhe der Ausbildungsvergütung.

Bessere Ausbildungsqualität dank Betriebsrat und JAV

Ein weiteres signifikantes Ergebnis der Studie ist: Auszubildende, die auf eine betriebliche Interessenvertretung wie Betriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) zurückgreifen können, sind im Schnitt deutlich zufriedener mit ihrer Ausbildung (79,2 Prozent) als diejenigen, die dies nicht können (62,8 Prozent). Bemerkenswert: Rund ein Drittel der Befragten konnte keine Aussage darüber treffen, ob in ihrem Betrieb eine Interessenvertretung existiert.

Unterscheidet man bei der Interessenvertretung nochmals zwischen JAVen und Betriebs- beziehungsweise Personalräten, zeigt sich, dass die Zufriedenheit bei Auszubildenden, die auf die Unterstützung einer JAV zurückgreifen können, noch einmal größer ist.

In tarifgebundenen Betrieben gibt’s mehr Geld

In tarifgebundenen Ausbildungsbetrieben verdienen Auszubildende in der Regel signifikant besser als in nicht-tarifgebundenen. Im DGB-Ausbildungsreport heißt es dazu: Für tarifgebundene Ausbildungsbetriebe sind die tariflichen Vergütungen verbindliche Mindestbeträge. Niedrigere Zahlungen sind hier unzulässig, übertarifliche Zuschläge hingegen schon. Bei nicht-tarifgebundenen Betrieben darf die in der Branche und Region geltende tarifliche Ausbildungsvergütung um bis zu 20 Prozent unterschritten werden. Zum großen Nachteil der Auszubildenden lag der Anteil der tarifgebundenen Betriebe 2024 nur noch bei 21 Prozent, die lediglich knapp die Hälfte aller Beschäftigten (49 Prozent) repräsentieren.

IG Metall setzt überproportionale Erhöhung für Auszubildende durch

Die IG Metall hat in der vergangenen Tarifrunde 2024 eine Forderung ihrer eigenen Jugend durchgesetzt und eine überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütung erstritten: In den tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie konnte die Metaller-Gewerkschaft eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung von 140 Euro im Monat mehr durchsetzen.

Diese überproportionale Erhöhung war gut begründet: Die Ortsjugendausschüsse der IG Metall hatten bundesweit im Vorfeld Warenkörbe erstellt, um die Bedarfe von Auszubildenden zu ermitteln. Das Ergebnis: Ihre Kosten sind nahezu so hoch wie die von Facharbeiterinnen und Facharbeitern. „Das hängt auch damit zusammen, dass Auszubildende von heute deutlich älter sind als zu früheren Zeiten und in einer veränderten Arbeitswelt auch eigenständiger und flexibler sein müssen“, erläutert Markus Sievers, Pressesprecher des IG Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen. Eine eigene Wohnung und ein eigenes Auto seien deshalb für viele heute fast unausweichlich, so Sievers. „Perspektivisch wollen wir erreichen, dass Auszubildende im letzten Ausbildungsjahr in etwa die Hälfte des Facharbeiterlohns bekommen“, betont Markus Sievers. „Die überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 140 Euro war dabei ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“

Hintergrund: Annähernd jeder fünfte junge Mensch zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland hat keine abgeschlossene Berufsausbildung: insgesamt 2,9 Millionen. Die Ausbildungsabbrüche sind auf einem Rekordniveau: Etwa 30 Prozent schließen ihre Ausbildung nicht ab. Angesichts des Fachkräftemangels und zugleich Millionen junger Menschen ohne Berufsabschluss fordern Gewerkschaften seit langem, die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung zu vereinfachen. Allerdings bilden nur noch 18,8 Prozent der Betriebe in Deutschland aus – ein trauriger Tiefststand.

Von: vw

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