Wer profitiert von Flexibilität? IG Metall startet neue Debatte über Arbeitszeit

04.06.2015 | Fast alle Unternehmen fordern von ihren Beschäftigten Flexibilität, insbesondere bei der Arbeitszeit. Arbeitnehmer geraten dabei oft auf eine Einbahnstraße, bei der die Arbeitgeber die Richtung bestimmen, kritisiert die IG Metall. Wachsende Produktivität und Intensität der Arbeit erfordern mehr Selbstbestimmung der Beschäftigten, wenn sie über angesammelte Freizeit verfügen wollen. Auf einer zweitägigen Konferenz starteten am Donnerstag rund 120 Betriebsräte aus Berlin, Brandenburg und Sachsen eine neue Debatte über die Zukunft der Arbeit, speziell der Arbeitszeit.

Foto: IG Metall

„Wir wollen mehr Selbstbestimmung der Arbeitnehmer, mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung in den Betrieben durchsetzen“, sagte Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. Dieser Anspruch erfülle sich nicht im Alleingang. Der aktuelle Ost-West-Unterschied bei der Arbeitszeit bewirkt, dass die Beschäftigten in ostdeutschen Metallbetrieben bei gleicher Bezahlung pro Woche drei Stunden länger arbeiten, pro Jahr kommt dabei ein zusätzliches Volumen von einem Monat zusammen. Bei ständig wachsenden Leistungsvorgaben müsse es möglich sein, die abgeforderte Leistung ohne gesundheitlichen Schaden zu erbringen, und zwar über das gesamte Arbeitsleben hinweg, so Höbel. „Schon deshalb bleibt die Ost-West-Angleichung der tariflichen Arbeitszeit für uns auf der Tagesordnung“, sagte der IG Metall-Bezirksleiter.

 

In mehreren Fachforen unterzogen die Betriebsräte die bestehenden Arbeitszeitsysteme einer kritischen Betrachtung. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie betriebliche Interessenvertretungen und IG Metall dem Missbrauch von Flexibilität entgegenwirken können. Dabei, so die Teilnehmer, müssen Beschäftigte höchstmöglich beteiligt werden. „Die Frage lautet: Wem gehört die Zeit? Erlaube ich dem Arbeitgeber, über meine Zeit zu verfügen?“, fragte Thilo Hecht, Vertrauenskörperleiter bei Volkswagen Sachsen, Mosel. Zu viele geleistete Arbeitsstunden verfallen, und das dürfe niemand mehr widerspruchslos hinnehmen, kritisierte Matthias Weber-Piepenschneider von Siemens Berlin.

 

Jens Köhler. Betriebsratsvorsitzender bei BMW im Werk Leipzig, bezeichnete es als skandalös, dass Arbeitgeber in Ostdeutschland bei hoher Produktivität modernster Anlagen von der um drei Stunden längeren Wochenarbeitszeit einseitig profitieren. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, so Köhler.

 

René Utoff, Betriebsratsvorsitzender VW Motorenwerk in Chemnitz, sagte: „Leistungsverdichtung findet permanent statt. Verkürzte Arbeitszeiten erzeugen zusätzlichen Druck. Doch das ist kein Grund, Arbeitszeitverkürzung auf Eis zu legen, sondern zeigt: Wir brauchen kontrollierbare und begrenzbare Arbeitszeiten.“  

 

Olivier Höbel wies darauf hin, dass fast drei Viertel der Metallarbeitnehmer im Bezirk nach Zeitlohn und nicht nach Leistungslohn bezahlt werden. „Das müssen wir im Betrieb anpacken und verändern“, so Höbel. Während Zeitlohn Arbeitgebern die Tür zu unkontrollierbarer Leistungsverdichtung öffne, ermögliche das Leistungslohnprinzip höhere Verdienste bei höheren Anforderungen.

  

Von: md

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