Pressemitteilung 16. Mai 2019

Schulterschluss im Osten: Unsere flexible Arbeit braucht die 35!

16.05.2019 | Am 16. Mai tagten die Tarifkommissionen der Metall- und Elektroindustrie aus ganz Ostdeutschland erstmals gemeinsam in Berlin. Kurz vor dem 4. Gespräch zur Angleichung der Arbeitszeit in Ostdeutschland am 21. Mai war die klare Aussage: „Unsere flexible und gute Arbeit braucht die 35-Stundenwoche!“

Norbert Kuck, Meinhard Geiken, Olivier Höbel, Jörg Hofmann und Jörg Köhlinger (v.l.n.r.) - Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de

Der Schulterschluss der ostdeutschen Belegschaften wurde in einer betrieblichen Aktionswoche vom 6. bis 11. Mai mit vielfältigen Aktionen in den Betrieben und vor den Werktoren deutlich. Auf www.igmetall-bbs.de zeigen wir zahlreiche Aktionsbeispiele.

An der gemeinsamen Sitzung nahm auch der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann teil.

„Vor 30 Jahren fiel die Mauer. Doch immer noch bestehen Unterschiede zwischen Ost und West, auch in den Tarifverträgen. Das versteht heute niemand mehr und das wird mit Grund als Unrecht betrachtet“ sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall. „Diese Unterschiede sind in nichts begründet, schon gar nicht in Produktivität und Effizienz. Gerade von jungen Menschen wird massiv eingefordert, dass endlich die Angleichung der Arbeitszeit durchgesetzt wird. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit.“

Die Mitglieder der Tarifkommissionen waren sich einig, dass der aktuell von Wissenschaftlern beschriebene Teufelskreis der Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften in den Westen durch gute, tarifliche Arbeitszeiten und -bedingungen in der ostdeutschen Industrie durchbrochen werden muss.

Die IG Metall fordert die ostdeutschen Arbeitgeber in den laufenden Tarifgesprächen auf, ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung nachzukommen. Mit den solidarischen Aktionen der letzten Wochen setzten die Mitglieder der IG Metall ein deutliches Zeichen für eine demokratische Arbeitswelt. Dieses Engagement für die konkrete Verbesserung der Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen ist damit auch ein klarer Gegenentwurf zu allen rechtspopulistischen Phrasen und Parolen gerade vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland.

„Wir wollen die Arbeitswelt in den ostdeutschen Metallbetrieben gestalten und setzen damit auch ein Zeichen der Solidarität für alle Belegschaften. 30 Jahre nach dem Mauerfall müssen  die Arbeitszeitmauern in den Betrieben fallen“, sagte Olivier Höbel, IG Metall Bezirksleiter IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Gute Tarifverträge und attraktive Arbeitszeiten sind für uns das wichtigste Mittel, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine gerechte und sichere Arbeitswelt zu bieten. Tarifverträge schaffen Berechenbarkeit und Planungssicherheit für Beschäftigte und Arbeitgeber. Wir rufen deshalb die Arbeitgeber auf, gemeinsam mit uns an einer Stärkung der Flächentarifverträge zu arbeiten.“

Digitalisierung, Transformation und Demographie sind aktuelle Treiber des Wandels der Industrie in Ost und West. Dieser Herausforderung müssen sich die Tarifvertragsparteien stellen und den Wandel gestalten. Sichere, gerechte und faire Arbeitsbedingungen sind unverzichtbare Bestandteile.  

Die Tarifkommissionen haben den klaren Willen formuliert, in Zeiten des Wandels unter Friedensbedingungen eine flächentarifvertragliche Lösung zur Arbeitszeitverkürzung zu erzielen.

Hintergrund:
Im Mai 1984 begann im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden der Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche. Fast sieben Wochen dauerte der Arbeitskampf zur Durchsetzung der Arbeitszeitverkürzung, der schließlich – nach dem Schlichterspruch von Georg Leber – den Weg zum Einstieg in die schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden pro Woche ebnete. 35 Jahre später steht am 21. Mai 2019 in Berlin das 4. Gespräch zur Angleichung der Arbeitszeit in Ostdeutschland an. 30 Jahre nach dem Mauerfall arbeiten die Beschäftigten in Ostdeutschland immer noch drei Stunden mehr als im Westen. In ganz Ostdeutschland machten die Beschäftigten in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie darauf aufmerksam, dass sie endlich Gerechtigkeit einfordern. „35-Reicht“ stand auf vielen T-Shirts und Plakaten, die auf www.igmetall-bbs.de/35-aktion zu sehen sind.  

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) veröffentlichte im Mai eine Studie zur Tarifbindung. Diese zeigt, dass Sachsen beim Thema Tarifbindung das Schlusslicht unter allen Bundesländern ist. Nur knapp 32 Prozent aller Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie arbeiten in Sachsen demnach in tarifgebundenen Unternehmen.

Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen, niedrigen Löhnen und ohne Tarifbindung verspüren häufiger ein Gefühl des Ausgeliefertseins am Arbeitsplatz und sind gegenüber rechten Strömungen empfänglicher, so die Studie der Hans-Boeckler-Stiftung „Einstellungen und soziale Lebenslage“ aus dem Jahr 2017 unter Führung von Richard Hilmer.

Um die Demokratie zu stärken und rechten Tendenzen vorzubeugen, müssen den Menschen Zukunftsängste genommen werden. Daher setzt sich die IG Metall für mehr Tarifverträge, weniger Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge ein.

Die Studie zeigt auch, dass Menschen, die mit ihrem eigenen Leben zufrieden sind, seltener rechte Parteien wählen.

Für Rückfragen: Andrea Weingart, 0151 29 23 11 82

Von: aw

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