Mercedes-Benz in Berlin-Marienfelde

Zukunft für das Mercedes-Benz Werk in Berlin

18.11.2021 | Der 18. November 2021 ist ein guter Tag in der Industriegeschichte Berlins. Das Daimler-Management hat am Donnerstag die komplette Transformation für das Mercedes-Benz Werk verkündet. Der elektrische Hochleistungsmotor wird künftig in Berlin entwickelt und produziert.

Widerstand für Zukunft: Der Einsatz der Kolleginnen und Kollegen für das Werk in Marienfelde hat sich gelohnt. Das älteste Werk im Mercedes-Konzern hat Zukunft – und damit nun auch die Beschäftigten und ihre Familien. Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de

Berlin wird zum Produktionsstandort von Komponenten für E-Drive-Systeme. Der Standort erweitert damit sein Elektro-Portfolio. Daimler hatte im Sommer 2021 den britischen Elektromotorhersteller YASA gekauft. Statt Outsourcing wird hier Insourcing von Antriebsmotoren für Elektrofahrzeuge, den Axialflussmotoren, gelebt.

Die Transformation des Werkes wird mit dem neuen Mercedes-Benz Digital Factory Campus komplett. In dem Campus werden ab 2022 wegweisende MO360 Softwareapplikationen entwickelt, erprobt und implementiert. Das Werk in Berlin wird zum Kompetenzzentrum für Digitalisierung. Im Campus werden auch Beschäftigte qualifiziert und trainiert. Daimler spricht von „der Transformation eines Produktionsstandorts hin zu einem Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Produktion im Bereich der E-Mobilität“.

Gemeinsam gestalten statt phantasielos abschreiben!
„Transformation kann nur mit den Menschen gelingen. Das beweisen wir hier in Berlin in den nächsten Jahren“, so Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. „Wir werden alle Beschäftigten mitnehmen, die den Umbau und die Neuausrichtung des Werkes mitgestalten wollen. Klar verhandelt ist die Beschäftigungssicherung bis 2030. Auf dem Weg zur Fabrik der Zukunft kann in den nächsten Jahren sogar mehr Beschäftigung aufgebaut werden. Gemeinsam gestalten statt phantasielos abschreiben! Das ist der Weg der IG Metall mit gut organisierten Belegschaften. Gelingen kann so ein Prozess nur dann, wenn Belegschaften an einem Strang ziehen und eng abgestimmt gemeinsam mit der IG Metall handeln.“

Vor knapp einem Jahr drohte dem Standort, der einer der größten industriellen Arbeitgeber der Hauptstadt ist, mit dem Ende des Verbrennungsmotors das Aus.Die Zukunft von 2500 Beschäftigten und ihren Familien stand auf der Kippe. Belegschaft und IG Metall gingen auf die „Barrikaden“, wehrten sich gegen die Pläne des Managements. Die Beschäftigten wurden sehr engmaschig informiert und mit auf den Weg mitgenommen. So gelang es mitten in Coronazeiten am 12. November 2020 spontan die ganze Schicht im Mercedes-Werk mit rund 1200 Beschäftigten vors Tor zu holen. Am 9. Dezember 2020 standen die Bänder im Werk still. Die rund 2500 Beschäftigten und ihre Familien setzten gemeinsam mit der Berliner Politik ein starkes Zeichen. Nach der Betriebsversammlung folgte eine Demo – mit Abstand und Maske. Und mit Erfolg, wie sich jetzt, ein Jahr später, zeigt.

„Wir haben erfolgreich unseren Ansatz von Konflikt und Konzept verfolgt. Vor einem Jahr war noch nicht erkennbar, dass Daimler die Transformation in Berlin so durchführt, stattdessen war die Schließung des Werks beabsichtigt“, sagt Jan Otto. „Die IG Metall ist als Sozialpartner in diesem Jahrhundert gefragter als je zuvor. Auch wir haben uns erfolgreich ,transformiert‘ und weiterentwickelt. Die Zukunft gehört uns! Dafür sorgen wir jeden Tag.“

Geschlossen und entschlossen gegen die Management-Pläne
„Unsere Kolleginnen und Kollegen im Werk waren stinksauer“, berichtet Fevzi Sikar, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Mercedes-Benz Werk. „Trotz Corona waren aber fast alle dabei. Das zeigte uns, dass hier keiner bereit war, kampflos eine Standortschließung hinzunehmen. Mit dem Zielbild beginnt jetzt die Transformation und damit die sichere Zukunft des Standorts Berlin von der Verbrennerwelt hin zu Spezialisten von Elektromotoren“, sagt Fevzi Sikar, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Mercedes-Benz Werk.

Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, holte in zahlreichen Terminen die Politik ins Boot. Gespräche wurden in alle Richtungen geführt und jede Situation genutzt, um auf die drohende Gefahr für das Werk hinzuweisen. Nach dem nötigen Druck gab es die ersten Verhandlungen mit dem Unternehmen und nach zähem Ringen wurde aus einer angedrohten Standortschließung auf Raten ein zukunftsweisendes Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Produktion im Bereich der E-Mobilität.

Zukunft im Werk
„Vor einem Jahr wussten wir nicht, wie es mit dem Standort weitergeht. Heute steigen wir mit erhobenem Haupt in eine hoffentlich erfolgreiche Transformation ein“, sagt Michael Rahmel, Betriebsratsvorsitzender im Mercedes-Benz Werk. „Wir machen hier einen wichtigen Schritt in die Zukunft. Dass wir unseren ältesten Produktionsstandort erhalten, war uns von Anfang an das Wichtigste in den Verhandlungen.“ Marienfelde wird zum Kompetenzzentrum für Elektromotoren, ohne Konkurrenz mit anderen Standorten, das ist ein großer Erfolg. Hier wird keiner seinen Arbeitsplatz verlieren, die Beschäftigungssicherung bis 2030 bleibt bestehen.

„Bei uns bleibt keiner auf der Strecke. Alle Kolleginnen und Kollegen, die sich weiterqualifizieren und im Werk arbeiten wollen, werden auch weiterhin eine Zukunft im Werk haben“, sagt Bojan Westphal, Betriebsrat im Mercedes-Benz Werk. „Jetzt dürfen wir nicht lockerlassen, wir müssen dranbleiben und weiterverhandeln.“ Betriebsrat und IG Metall fordern, dass noch weitere Folgeprodukte zum High Performance Elektromotor nach Berlin, das älteste produzierende Werk, kommen.

„Unsere jahrelange Erfahrung im Motoren- und Komponentenbau zeigt, welche Klasse wir durch unser Know-how hier in Berlin besitzen“, so Patric Succo, Vertrauenskörperleiter im Werk. „Daimler ist nach dieser Entscheidung nicht mehr aus Berlin wegzudenken. Wir haben hier sichere tarifgebundene Arbeitsplätze und leben gute Mitbestimmung. Wir bleiben hier und gestalten die Transformation für unser Werk.“

Berlin gewinnt damit als Industriestandort Kompetenz dazu. „Daimler setzt hier ein gutes industriepolitisches Signal für die Region“, sagt Jan Otto. „Aus Tradition wird in Berlin Zukunft. Deutschlands Premium-Automarke beweist rund 50 Kilometer entfernt von Tesla, Zukunftsmut und Gestaltungswillen.“ Bei der nachhaltigen Digitalisierung und Automatisierung der Automobilindustrie arbeiten Siemens und Mercedes-Benz künftig – mit Unterstützung des Landes Berlin – eng zusammen.

Mehr Fotos vom Kampf der Mercedes-Benz-Beschäftigten in Berlin sowie ein Video ist auf der Homepage der IG Metall Berlin zu finden.

 

Von: aw-tt

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