Wechsel

Carmen Bahlo – eine Gewerkschafterin aus Berufung tritt ab

07.01.2021 | 25 Jahre Betriebsratsvorsitzende bei ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel, 20 Jahre ehrenamtliches Vorstandsmitglied der IG Metall für den Bezirk – Carmen Bahlo hat die Gewerkschaftsarbeit in Berlin-Brandenburg-Sachsen ein Vierteljahrhundert entscheidend mitgeprägt. Jetzt hat sie sich aus dem Betrieb zurückgezogen, den Betriebsratsvorsitz bereits an ihren Stellvertreter übergeben und im März wird sie auch ihr IG Metall-Vorstandsmandat niederlegen.

Rückzug: Carmen Bahlo war 25 Jahre Betriebsratsvorsitzende bei ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel. Fotos: Christian von Polentz/transitfoto.de

Ein Vierteljahrhundert hat Carmen Bahlo, eine Gewerkschafterin aus Berufung, die Arbeit der IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen entscheidend mitgeprägt.

20 Jahre hat Carmen Bahlo den Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der IG Metall vertreten. Das Foto zeigt sie mit ihren Bezirkskollegen Jens Rothe (l.) und Bernd Kruppa nach ihrer Wiederwahl beim Gewerkschaftstag 2019 in Nürnberg.

Einen konkreten Anlass hat es für ihren Rückzug nicht gegeben, lediglich ein Angebot an die Beschäftigten, den Betrieb mit 58 Jahren per Auflösungsvertrag zu verlassen. »Da habe ich zugegriffen«, erzählt Carmen Bahlo, auch weil sie gemerkt hat, dass die Arbeit – in diesem Jahr auch durch Corona bedingt – immer noch mehr Raum in ihrem Leben eingenommen und stark an den Kräften gezerrt hat. Und »weil es auch aus betrieblicher und gewerkschaftlicher Sicht schlicht der richtige Zeitpunkt ist, um aufzuhören«, sagt Carmen Bahlo. »ZF steht in Brandenburg momentan noch gut da und meine Betriebsratskollegen haben vor der nächsten Wahl 2022 noch genügend Zeit, um eigene Akzente zu setzen und sich freizuschwimmen.« Mit ihr, da ist sie sich sicher, wäre das nur schwer möglich gewesen, denn viele wollten immer mit der Betriebsratsvorsitzenden persönlich sprechen.

»Prägend für den Bezirk«
Denn bei ihr, das schildern Wegbegleiter, fand jeder Gehör, wusste jeder sein Anliegen gut aufgehoben. »Wir verlieren mit Carmen eine der Kämpferinnen der ersten Stunde: für Gerechtigkeit, für gute Arbeit, für die Angleichung Ost, für die Rechte der Frauen und für die Arbeitsplätze von heute und morgen«, würdigt Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen, das außerordentliche Engagement, das Carmen Bahlo in all den Jahren an den Tag gelegt hat. Sie bedauert es, dass »Carmen so unerwartet und so früh aus ihren Ämtern ausscheidet. Mit ihrem Wirken hat Carmen Struktur und Dynamik des Bezirks geprägt. Ich danke ihr sehr für ihr kraftvolles Engagement im Bezirk.«

Carmen Bahlo – Kämpferin für Gerechtigkeit 
Vor mehr als 40 Jahren hat Carmen Bahlo im damaligen IFA Getriebewerk Maschinenbauzeichnerin gelernt, später berufsbegleitend Maschinenbau studiert und in der Entwicklung gearbeitet. Nach der Wiedervereinigung wurde sie 1991 in den Betriebsrat bei ZF gewählt, 1995 wurde sie dessen Vorsitzende. Seitdem hat sie mit der Geschäftsführung um unzählige Betriebsvereinbarungen gerungen, um für ihre Kolleginnen und Kollegen bessere Arbeitsbedingungen und einheitliche Entgelte zu erreichen, um Sozialleistungen im Konzern anzugleichen, eine Betriebsrente durchzusetzen oder wie während der Pandemie Regelungen zur Kurzarbeit und Hygieneschutzmaßnahme auf den Weg zu bringen.

Untrennbar ist der Name Carmen Bahlo auch mit dem Kampf um die Einführung der 35-Stunden-Woche für die ostdeutschen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie verbunden. Das, so sagt sie, »hätte ich gerne in dieser Tarifrunde noch zu Ende gebracht«, und verspricht, dass sie die Kolleginnen und Kollegen bei ihrem Kampf weiter unterstützt, denn Gewerkschaftsarbeit »hört nicht mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb auf«. Berufung statt Beruf eben.

Das schätzt auch Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Potsdam, an Carmen Bahlo: »Leidenschaftlich hat sie für Gerechtigkeit gestritten, sich auch durch zwischenzeitliche Niederlagen nicht entmutigen lassen und immer weiter für ihre und unsere politischen Ziele gekämpft. Die Fußspuren, die sie hinterlässt, sind groß.«

Nachfolge bei ZF ist geregelt
Sandro Hoffmann hat den Betriebsratsvorsitz bei ZF in Brandenburg  übernommen. In dieser Wahlperiode war er bereits Carmens Stellvertreter, hat sie als »ständige Treiberin« erlebt. »Sie hat die Belegschaft immer mitgenommen, hatte ein sehr gutes Verhandlungsgeschick und war in ihrem Handeln stets vorwärts gerichtet«, sagt Sandro Hoffmann über seine Vorgängerin, die die Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit bei ihm und dem gesamten Gremium in guten Händen weiß. »Das Feld ist gut bestellt«, sagt Carmen Bahlo zum Abschied.

 

Von: kk

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