03.05.2023 | 2. Mai 1933: Überall in Deutschland fahren SA-Kommandos vor den Gewerkschaftshäusern vor. Die Nazis plündern und verwüsten die Gebäude. Sie attackieren, verhaften und ermorden hunderte Gewerkschafter*innen. In einer bewegenden Gedenkveranstaltung erinnerte die IG Metall in ihrem Berliner Haus an diesen Schwarzen Dienstag vor 90 Jahren. Mit der klaren Botschaft für heute: Mit starken Einheitsgewerkschaften verteidigen wir die Demokratie gegen rechte Kräfte.
Wie brutal die Nazis vor und um den 2. Mai 1993 vorgingen, verdeutlichten heutige Gewerkschafter*innen auf der Erinnerungsveranstaltung mit szenische Lesungen von Augenzeugenberichten von damals. Ein Ausschnitt: "Die SA stürmte - unter Begleitung der Schutzpolizei - in das Büro des DMV. Ihr Anführer schrie: 'Schlüssel raus!'. Alle Diskussionen nutzten nichts. Franz Nevermann, der Bevollmächtigte, wurde auf der Stelle verhaftet und wie ein Verbrecher abgeführt. Der Kollege Nevermann war Astmathiker und wurde bald vom Gefängnis ins Krankenhaus gebracht. Dort lag er dann unter der Bewachung von SA-Leuten."
In Berlin wird der gelernte Schlosser Alwin Brandes, Vorsitzender des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV), am 2. Mai 1933 verhaftet. In nach ihm benannten "Alwin-Brandes-Saal" erklärte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall: "Viele weitere Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter verschwanden in Zuchthäusern oder Konzentrationslagern." Dennoch gründen Alwin Brandes und zahlreiche weitere Gewerkschafter aktiv Widerstandsgruppen, wie Jörg Hofmann betonte: "Sie alle bezeugen, dass die Arbeiterbewegung trotz ihrer Niederlage eine bedeutende, wenn nicht sogar die wichtigste Kraft im Kampf gegen den Nationalsozialismus war." Die Gewerkschafter*innen zogen damit auch die Lehre aus dem gescheiterten Versuch, mit einer Politik der Anpassung die Nazis einzudämmen.
Dies hob auch der Politikwissenschaftler und Historiker Stefan Heinz in seinem Vortrag hervor: „Die Zerschlagung der Gewerkschaften war ein sehr bedeutender Schritt zur Festigung der nationalsozialistischen Herrschaft. Für demokratische Gewerkschaften und eine echte betriebliche Interessenvertretung war kein Platz in einem undemokratischen System", so Heinz. Die Niederlage am 2. Mai 1933 habe aber zugleich den gewerkschaftlichen Widerstand gegen den NS-Staat eingeleitetet. "Bald entstanden illegale Gruppen, in denen sich vergleichsweise viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter organisierten. Mehrere Tausend wurden inhaftiert, nicht wenige verloren ihr Leben", berichtete Heinz. "Gewerkschaftlicher Widerstand gegen den NS-Staat war wesentlich umfangreicher als gemeinhin angenommen wird.“
Auf diese Tradition können alle Gewerkschafter*innen stolz sein, meinte Heinz. Auch heute verbreiten Rechte ihre Parolen auf vielen Kanälen wie Social Media oder betrieblichen Plattformen, berichtete Jakob Heidenreich, Jugendsekretär der Geschäftssstelle Berlin. Seine Strategie dagegen: "Gegenhalten und dagegen reden, wo immer es geht." Auf die Bedeutung des Erinnerns wies Brigitte Runge, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Salzgitter-Peine, hin: "Es ist unsere Aufgabe, immer wieder zu erinnern, zu informieren, das persönliche Gespräch zu suchen."
Den Auftrag an alle Metaller*innen 90 Jahre danach fasste Jörg Hofmann so zusammen: "Gewerkschaften stehen für die Verteidigung und den Ausbau der Demokratie. Als Einheitsgewerkschaften heute haben wir aus den bitteren Erfahrungen von 1933 gelernt. Wir sind wachsam und entschieden in unserem Kampf gegen Spaltung, Ausgrenzung, Rassismus und Verschwörungstheorien. Solidarität und Einheit - diese Normative der Gewerkschaften stehen unverrückbar als Lehren aus dem 2. Mai 1933."