Arbeitgeberverbände legen Axt an betrieblichen Gesundheitsschutz

27.02.2015 | In einem medialen Handstreich haben die Arbeitgeberverbände die Beschlüsse des Kabinetts und des Bundesrats zur Einführung einer neuenArbeitsstättenverordnung zunichte gemacht. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, warf den Arbeitgebern "verantwortungsloses Taktieren auf Kosten der Gesundheit von Beschäftigten" vor.

Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

Der Mindestlohn ist seit Jahresbeginn in Kraft. Die neue Arbeitsstättenverordnung sollte ursprünglich in diesen Tagen von der Bundesregierung beschlossen werden. Beide Regelungen passen den Arbeitgeberverbänden nicht. Unterstützt von Teilen der Politik und der Medien formulieren sie heftigste Kritik und fordern lauthals „Nachbesserungen". Es ist offensichtlich: Den Kritikern geht es nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit den neuen Regelungen. Die Absicht ist eine andere: Mit den Attacken soll der Wirkungsbereich der jüngsten Sozialreformen begrenzt und der politische Spielraum für weitere Reformen eingeschränkt werden. Arbeitgeberpräsident Kramer verlangt sogar einen generellen Stopp weiterer Reformen und fordert ein „Belastungsmoratorium" für Arbeitgeber.

 

Dem Entwurf der Arbeitsstättenverordnung gingen zweijährige Vorarbeiten voraus, an denen die Länder, die Unfallkassen, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften beteiligt waren. Trotzdem wurde der massive Protest erst nach der Befassung im Kabinett und im Bundesrat laut. Arbeitsministerin Nahles hatte vorgeschlagen, die Verordnung zunächst wie geplant durch den Bundesrat zu bringen und dann bei Bedarf Änderung hinterherzuschicken, die umstrittene Knackpunkte ausbügelt.

 

Für öffentliche Aufregung hatte gesorgt, dass Teeküchen künftig nur noch mit Fenster zulässig sein sollten und für jeden Arbeitnehmer eine abschließbare Kleiderablage verlangt wurde. Diese Bestimmung stammte freilich gar nicht aus dem Haus von Andrea Nahles, sondern war auf Wunsch des CDU-regierten Sachsen aufgenommen worden.

 

Sowohl bei der Debatte um den Mindestlohn als auch um die Arbeitsstättenverordnung ist der Vorwurf der „Bürokratisierung“ und Überforderung der Arbeitgeber ein zentrales Argument. Ziele und Inhalte der Regelungen spielen dabei entweder so gut wie keine Rolle oder werden irreführend dargestellt.

 

Arbeitsstättenverordnung: Fakten statt Propaganda

Die aktuell gültige Verordnung stammt – von kleineren Änderungen abgesehen – aus dem Jahre 2004. Eine erneute Überarbeitung der Verordnung ist überfällig. Es fehlen vielfach konkrete Angaben und Handreichungen für die Umsetzung. Während die Arbeitsstättenverordnung von 1975 noch klare und eindeutige Regelungen enthielt, brachte die Verordnung von 2004 Verschlechterungen für die Beschäftigten und Unklarheiten.

 

Ein Teil dieser Regelungslücken soll durch die anstehende Novellierung geschlossen werden. Eine wesentliche Änderung betriff die beabsichtigte Integration der Bildschirmarbeitsverordnung in die Arbeitsstättenverordnung. Die IG Metall begrüßt dieses Vorhaben. Die Anforderungen an den Arbeitgeber als Normadressaten werden übersichtlicher und den Regelungen zur Bildschirmarbeit kommt in der viel beachteten Arbeitsstättenverordnung ein höherer Stellenwert zu. Fakt ist: Anders als Arbeitgeberverbandsvertreter behaupten, bringt die neue Verordnung nicht mehr Bürokratie, sondern mehr Rechtsklarheit und Vereinfachung. Ein Mehr an verbindlichen Anforderungen sorgt für einen besseren Schutz der Beschäftigten und kann einen Beitrag zur Reduzierung betrieblicher Konflikte leisten.

 

Kritik am Mindestlohn
Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn haben die Gewerkschaften seit langem gefordert. Nun gilt seit dem 1. Januar dieses Jahres der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 €. Kritisch sind die Ausnahmen – etwa für Langzeitarbeitslose oder Praktikanten. Doch trotz dieser Mängel ist der Mindestlohn ein wichtiger Schritt zur Eindämmung des Niedriglohnsektors.


Das ist den Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Sie wollen weiter auf Armutslöhne setzen. Kaum drei Wochen nach Einführung des Mindestlohns wollen sie das Mindestlohngesetz bereits ändern, da es untragbare Lasten und Pflichten mit sich bringe. Konkret stört sie die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten für Minijobber und Beschäftigte in Wirtschaftsbereichen, die in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt werden.

 

Abgerundet werden die Klagen der Arbeitgeberlobby mit den Argumenten, der Mindestlohn befördere Schwarzarbeit und führe zu Preissteigerungen. Dass der Mindestlohn hingegen für viele Beschäftigte unabdingbar ist, um die eigene Existenz zu sichern, wird dabei nicht erwähnt.

 

Warum die Aufregung?

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es der Arbeitgeberlobby vor allem um politische Stimmungsmache geht. Dabei werden die wichtigen Ziele der Maßnahmen, existenzsichernde Verdienste zu gewährleisten und den Schutz der Gesundheit und gute Arbeitsbedingungen zu sichern, beiseitegeschoben.

 

Stattdessen werden die in Rede stehenden Regelungen ins Lächerliche gezogen, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll vorgeführt werden.

Diese Rechnung darf nicht aufgehen. Existenzsichernde Löhne sind nicht verhandelbar! Wir müssen uns um gute Bedingungen an Bildschirmarbeitsplätzen kümmern – egal ob sie im Betrieb oder im „Home Office" eingerichtet sind. Und wir müssen uns darum kümmern, dass die Gesundheit der Beschäftigten durch die Ausgestaltung der Arbeitsstätten geschützt wird – egal ob es dabei um Temperaturen, Beleuchtung oder Luftqualität geht.

 

Für die IG Metall gilt: Wir werden die nötigen Reformen weiterhin entschieden gegen die Angriffe der Arbeitgeberlobby verteidigen! Und wir werden uns nicht davon abhalten lassen, für weitere Reformschritte zu werben!

Von: bg

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