Berthold Huber bei der Tarifauftaktveranstaltung in Berlin-Brandenburg

25.03.2006 | Der 2. Vorsitzende der IG Metall erläutert in seiner Rede in der Tarif-Auftaktveranstaltung 2006 die Forderungen in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen. Es geht um gerechtere materielle Teilhabe an der gesellschaftlichen Wertschöpfung, um Qualifizierung und Innovation sowie um vermögenswirksame Leistungen als betrieblicher Beitrag zur Finanzierung der Altersvorsorge.

„Wir stehen schon mitten im Tarifkampf. Und wenn wir nicht flächendeckend und sichtbar kämpfen, wird sich die andere Seite nicht bewegen! « Zu dieser Vermutung veranlassen Huber die Äußerungen der Arbeitgeberseite, die sich – nachdem die Forderungen der IG Metall seit zwei Monaten auf dem Tisch lägen – weigert ein Angebot zu formulieren.

 

Stattdessen würden nur fragwürdige wirtschaftspolitische Äußerungen, Fehlinformationen und widersprüchliche Gegenforderungen präsentiert: „Wir wollen eine Lösung am Verhandlungstisch!« bekräftigt Huber die gegenwärtig noch kompromissbereite Haltung der IG Metall. Ab dem 28. März ende jedoch die Friedenspflicht. Dann würde gegen den immer rücksichtsloser agierenden Kapitalismus im Lande auf der Straße gekämpft.

 

Auch am aktuellen Beispiel des Kampfes im öffentlichen Dienst würde die harte Haltung der Arbeitgeberseite deutlich. „Wir stehen an der Seite von ver.di gegen Arbeitszeitverlängerung, Entgeltkürzungen oder gar dem kompletten Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag. «

 

Gegen diese Begehrlichkeiten seitens des Kapitals helfe nur eigene Stärke und Kraft der Gewerkschaften. „Auch wir als IG Metall sind für die Tarifrunde gut aufgestellt. Wir können und werden sie kraftvoll führen – und zwar in der ganzen Republik!«

 

Auch wenn wie immer das Geschrei um das Geld am größten wäre, sei genügend davon da, wie die vergangenen Gewinne und die aktuellen Ertragsaussichten zeigen, betont Huber. „Entgelterhöhungen von fünf Prozent nützen nicht nur den Menschen, sondern auch der Wirtschaft. Wir brauchen endlich eine Belebung der Binnenkonjunktur. Das ist der Schlüssel für Wachstum und Arbeitsplätze.

 

Das neoliberale Großexperiment im Labor Deutschland, wirtschaftlichen Fortschritt durch Lohnzurückhaltung zu erzielen, ist offentsichtlich gescheitert. Und dieser richtigen Erkenntnis müssen Taten folgen. Wir werden für unsere berechtigte Entgeltforderung kämpfen!« Dies gälte uneingeschränkt auch für die neuen Bundesländer, wo die Produktivität überdurchschnittlich stiege und das Lohnniveau deutlich unter dem des Westens läge.

 

Nicht akzeptal seien Einmalzahlungen als Entgelterhöhungen sowie niedrige Einstiegstarife bei Neueinstellungen oder im Dienstleistungssektor insgesamt. Und nicht akzeptabel sei die Schaffung von betrieblichen Bündnissen unter Ausschluss der IG Metall. „Was die Arbeitgeber uns da überreichen ist kein Blumenstrauß, das ist ein Grabgebinde und zwar für die Wirtschaft und den Flächentarifvertrag!«, fasst Huber zusammen.

 

Im letzten Jahr habe die IG Metall ein Konzept vorgelegt, wie die vermögenswirksamen Leistungen künftig zum Rentenbaustein werden können. Gesamtmetall zeigte grundsätzlich kein Interesse. Das sei vor dem Hintergrund der schockierenden Ergebnisse im Rentenbericht ein Skandal. „Wir fordern von Gesamtmetall, die alte Regelung bei den vermögenswirksamen Leistungen wieder in Kraft zu setzen. Und wir wollen als einen ersten Schritt eine Verpflichtung zur verbindlichen Verwendung dieser Gelder für die Altervorsorge», so Huber weiter.

Wenn die Arbeitgeber die Kosten für die vermögenswirksamen Leistungen künstlich nach oben rechneten, wäre dies der Versuch, sich der sozialen Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten zu entziehen.

 

Berthold Huber geht im Folgenden auf die zweite Tarifforderung nach Qualifikation und Innovation ein. Fast die Hälfte der Erwerbstätigen mit einem Hochschulabschluss nähmen regelmäßig an Weiterbildungsmaßnahmen teil, dagegen nur elf Prozent der Erwerbstätigen ohne Berufsbildung – und das auch nicht regelmäßig. Angelernte, Ältere und Frauen seien oftmals vollständig von Weiterbildungsmöglichkeiten ausgeschlossen. „Eine Gesellschaft, deren Wirtschaft ausschließlich auf dem Wissen und Können der Menschen basiert, kann nicht zulassen, dass allein die Arbeitgeber über den Zugang zu Bildung entscheiden. Wir brauchen verbriefte Rechte in einem Tarifvertrag!«

 

Auch bezogen auf betriebliche Innovationen brauche man ein Mitspracherecht. 2005 wären die Investitionen aller deutscher Unternehmen zum vierten Mal in Folge rückläufig und lägen jetzt noch unter deren Tiefstand von 1992. Während die Arbeitgeber angesichts der Forderung der IG Metall aufschrien – sich selbst ‘Innovatoren per se’ nennen und von ‘Zwangsinnovation’ reden würden – sei in der Wirklichkeit ein anderes Bild ihres Handelns zu sehen. „Oft existiert weder eine mittelfristige Unternehmensplanung, geschweige denn ein mittelfristiges Investitionskonzept für die Entwicklung neuer Produkte«, so Huber, «häufig gibt es nicht einmal ein Marketing- Konzept. Und wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, sollen die Belegschaften mit Tarifabweichungen für diese Versäumnisse bezahlen. Das akzeptieren wir nicht!«

 

Im Tarifgebiet Nordwürttemberg- Nordbaden ginge es um die Fortführung des Lohnrahmen- Tarifvertrages II und somit um elementare Mitbestimmungsrechte. Es würde ohne die Fortführung dieses Vertrages keinen Tarifabschluss 2006 geben, betonte Huber.

 

Er fasst am Schluss seiner Rede die Forderungen für den Tarifkampf 2006 zusammen:

• „Wir lassen nicht zu, dass Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Altersarmut leben müssen!

• Wir kämpfen dafür, dass alle Beschäftigten einen Anspruch auf Qualifizierung haben!

• Und wir bestehen auf unserem berechtigten Anteil am wirtschaftlichen Fortschritt!«

Von: bk

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