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"Die SRW-Kollegeninnen und -Kollegen sind wahre Kämpfer"

12.04.2024 | Der Streik bei SRW in Espenhain bei Leipzig geht auch nach mehr als 150 Tagen weiter. Ein Interview mit dem Verhandlungsführer Michael Hecker und dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Leipzig, Steffen Reißig.

SRW-Beschäftigte zeigen sich kämpferisch auf einer Streikversammlung am 8. April 2024. (Foto: IG Metall)

Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. (Foto: Christian Werner)

Michael Hecker, Verhandlungsführer und Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. (Foto: Christian Werner)

Vor Ostern habt Ihr den Streik-Container vor dem Werkstor in Espenhain abgebaut. Wie steht es jetzt um den Streik? Gibt es inzwischen ein Angebot des Arbeitgebers?

Michael Hecker: Nein, immer noch liegt kein Angebot des Arbeitgebers vor. Wir haben weiterhin die Lage, dass der Geschäftsführer der SRW, Thomas Müller, kein Verhandlungsmandat hat. Der Geschäftsführer des Mutterkonzerns Scholz Recycling im baden-württembergischen Essingen, Yongming Qin, der diese unsägliche Eskalation ausgelöst hat, scheut sich Verantwortung zu übernehmen und ignoriert jegliche Gesprächsangebote.

Steffen Reißig: Für uns heißt das, dass der Streik weiter geht! Die Kolleginnen und Kollegen bei SRW sind wahre Kämpferinnen und Kämpfer, die ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren. Mit der Forderung nach einer Tarifbindung geht es ihnen um Würde, Respekt, Mitbestimmung und Rechtssicherheit. Wer denkt, dass die Kolleginnen und Kollegen einknicken, hat sich getäuscht. Nach 142 Tagen rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche Schichtschieben im Streik-Container sind wir nun zu regelmäßigen Streikversammlungen übergegangen. Dort werden alle informiert, es wird diskutiert und die Streikteilnahme registriert.

In einer regionalen Zeitung war die Aussage des Geschäftsführers von SRW zu lesen, dass mehr als 100 Beschäftigte beim Schrott- und Recyclingunternehmen in Espenhain arbeiten.

Steffen Reißig: Solche Aussagen überraschen uns nicht. Sie sind aber trotzdem ärgerlich und ein weiterer Versuch des Arbeitgebers, die Öffentlichkeit zu täuschen. Die Mehrheit der rund 180 Beschäftigten befindet sich weiterhin unermüdlich im Arbeitskampf. Wir haben in der bisherigen Streikzeit mehrere Beschäftigte gehabt, die in tarifgebundene Betriebe in der Region gewechselt sind. Es gab auch Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund ihres Alters in den Rentenbezug gewechselt sind. Dass es angeblich mehr als 100 Streikbrecher geben soll, wird aus den offiziellen Schichtplänen und den von uns geführten Streiklisten nicht ersichtlich. Offensichtlich geht es dem Arbeitgeber darum, den Kampfgeist der Streikenden zu treffen, in dem man versucht die breite Solidaritätswelle für unsere Kolleginnen und Kollegen zum Brechen zu bringen. Das wird aber nicht gelingen!

Michael Hecker: Für die Eskalation dieses Arbeitskampfs und den schlechten Ruf des Unternehmens ist einzig und allein der Arbeitgeber verantwortlich. Er ist es aber auch, der das ändern kann, in dem er seine Verweigerung, einen Tarifvertrag abzuschließen, überdenkt und lösungsorientierte Gespräche mit uns aufnimmt, wie es im unternehmenseigenen "Code of Conduct" geschrieben steht.

Die Solidarität aus der IG Metall, Politik, Gesellschaft und aus dem ganzen Land ist sehr groß. Aber natürlich fragen sich alle, wie es jetzt weitergeht.

Michael Hecker: Scholz Recycling hat mittlerweile freiwillig an den deutschen Standorten und Tochterfirmen die Monatsentgelte zum Januar 2024 um 200 Euro angehoben sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zugesagt. Gewählte Betriebsräte gibt es in den wenigsten dieser Standorte und selbst, wenn es eine örtliche Betriebsvereinbarung über die Entgelthöhe sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld geben sollte, ist diese nicht rechtsverbindlich. In Deutschland gibt es aus gutem Grund den sogenannten Tarifvorbehalt. Nach § 77.3 Betriebsverfassungsgesetz können Arbeitgeber und Betriebsräte solche Vereinbarungen nicht abschließen. Die vom Scholz-Sprecher erwähnte Sozialpartnerschaft besteht in Deutschland aus Arbeitgebern und Gewerkschaften.

Steffen Reißig: Wir haben uns während der ganzen Zeit um die Fortführung der Verhandlungen bemüht und immer wieder Gesprächsangebote gemacht. Wir haben heute den 153. Streiktag, das sind mehr als fünf Monate. Die unglaubliche Solidarität aus allen Teilen der Republik gibt Kraft, aber selbstverständlich, ist es hart für die streikenden Kolleginnen und Kollegen. Jeden Tag werden sie in ihrer Familie und von Freunden gefragt, wie es weitergeht. Dazu können wir nur sagen: "Herr Qin, kommen Sie an den Verhandlungstisch. Lassen Sie uns endlich über einen Tarifvertrag verhandeln, den Arbeitskampf damit beenden und einen Neustart unserer gemeinsamen Arbeitsbeziehung einleiten!

Von: igm/mr

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