Die Wiederkehr der sozialen Unsicherheit – Fachtagung in Berlin

22.03.2007 | Prekäre Beschäftigung boomt – Jobs, die ungeschützt, unsicher, widerruflich, heikel sind, breiten sich aus. "Es kommt darauf an, diese Situation nicht nur zu beklagen, sondern Auswege für die Betroffenen zu suchen", sagte Doro Zinke, stellvertretende DGB-Vorsitzende Berlin-Brandenburg, am Donnerstag auf einer Fachtagung in Berlin. .

Rege Diskussion auf der Konferenz

Zum Thema "Unsicherheit und Armut trotz Arbeit" diskutierten rund 250 Wissenschaftler, Gewerkschafter, Mitglieder von Arbeitsloseninitiativen und Betroffene. Ihr Fazit: Der  Beschäftigungsboom in  Berlin und Brandenburg  steht auf tönernen Füßen. Denn anstatt regulärer Arbeitsverhältnisse entstehen immer mehr prekäre Jobs wie Leiharbeit, 1-Euro-Jobs oder Mini-Jobs. Der DGB schätzt, dass sich allein in der Region mehr als eine halbe Million Menschen in prekärer Beschäftigung befinden, bei steigender Tendenz. Es müsse Abschied genommen werden von der Illusion, im Aufschwung entstünden automatisch Normalarbeitsverhältnisse, sagte Doro Zinke auf der Konferenz, die der DGB zusammen mit der Freien und der Technischen Universität organisierte.

Während mittlerweile fünf Millionen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland als prekär gelten im Sinne von ungeschützt, mit geringen Sozialstandards und niedrigen Löhnen, sind es nach Erhebungen der EU-Kommission europaweit bereits 40 Prozent aller Jobs. „Mit den klassischen Gewerkschaftsangeboten erreichen wir diese Arbeitnehmer nicht mehr. Wir müssen mit ihnen zusammen Mitmach-Angebote entwickeln, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind“, sagte Doro Zinke. Dazu diene auch die Fachtagung, um eine Ideenbörse branchenübergreifend ins Leben zu rufen.

 

Bei den Praktikanten sei es dem DGB bereits gelungen, spezifische Angebote zu entwickeln. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) habe mit ihrer Kampagne zu „decent work“ deutlich gemacht, dass fair bezahlte, menschenwürdige und sichere Arbeit nicht nur ein Thema für die „Dritte Welt“ sei. Es gehe auch bei uns um eine Wertedebatte, wie sozial Arbeitsbedingungen ausgestaltet seien. "Ein Arbeitsvertrag gehört zur Menschenwürde", sagte Zinke.

Die Gewerkschaften müssten den politischen Druck erhöhen, um den Mindestlohn als Existenzgrundlage für Millionen Menschen durchzusetzen. In der EU hätten bereits 18 von 25 Ländern einen gesetzlichen Mindestlohn, sagte die Gewerkschafterin, die mehrere Jahre bei der EU-Kommission in Brüssel gearbeitet hat. Sie kritisierte,  dass in Brandenburg in 10 Branchen  Löhne zwischen 3 und 5 Euro pro Stunde gezahlt würden, die die Existenz nicht sicherten.  120 000 Arbeitnehmerinnen und  Arbeitnehmer bekämen hier einen staatlichen Zuschuss zu ihrem Niedriglohn. Neben dem Mindestlohn sieht Zinke in der öffentlichen Vergabe von Aufträgen ein Instrument, um Tariftreue von Unternehmen und existenzsichernde Einkommen für die Beschäftigten zu gewährleisten.

Von: md

Unsere Social Media Kanäle