Johano Strasser: IG Metall hat die Krise nicht verschlafen

22.03.2009 | Nach der Krise stärker sein als zuvor – das wird die Bundesrepublik nur erreichen, wenn die Werte der sozialen Marktwirtschaft, die Deutschlands Aufstieg bestimmten, in neuer Form zur Geltung kommen. Das sagte der Schriftsteller Johano Strasser, Präsident des deutschen P.E.N.-Zentrums, am Sonntag auf einem politischen Frühschoppen der IG Metall in Berlin. Die Gewerkschaft habe die Krise nicht verschlafen, sondern seit Jahren die richtigen Forderungen auf die Tagesordnung gesetzt, etwa die Stärkung der Binnenkonjunktur durch kräftige Einkommenserhöhungen.

Johano Strasser im Gespräch mit Ulrike Hermann, Wirtschaftsredakteurin bei der taz

"Die Wirtschaft der Bundesrepublik darf sich nicht länger auf die weitere Ausdehnung der Exporte fixieren. Langfristig kann eine zivilisierte Gesellschaft nur fortbestehen, wenn sich die Wirtschaft wieder der Politik unterordnet", unterstrich er in einer Podiumsdiskussion mit Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der "taz", und Teilnehmern des "Kompass-Workshops".

Starker Staat - gut für die Schwachen


Den Staat stärken, die Einkommen der Menschen anheben und die Einkommen der wirklich Vermögenden in der Bundesrepublik für die Finanzierung staatlicher Aufgaben heranziehen, das wäre aus Sicht Johano Strassers die richtige Strategie. Derzeit zahlen allein die Arbeitnehmer, Rentner, Leiharbeitskräfte, Scheinselbständigen, Geringverdiener und Bezieher von Sozialleistungen für die Folgen der Krise - durch Verzicht. "Auch die Reichen müssen einen erkennbaren Beitrag leisten, etwa durch Zwangsanleihen des Staates, denn unter ihnen finden wir diejenigen, die die Krise angerichtet haben", sagte Strasser. Denkbar zur Finanzierung eines sozialen Staates sei auch die Erhebung einer Börsentransaktionssteuer.  "70 Prozent der Käufe und Verkäufe von Aktien erfolgen allein aus spekulativen Gründen", so Strasser.  Darauf eine Steuer zu erheben, sei nur recht und billig, denn die ungebremsten und unkontrollierten Aktivitäten etlicher Finanzjongleurehätten den Weg frei gemacht in die aktuelle Weltwirtschaftskrise.


Politik muss die Wirtschaft zügeln

Strasser, bekennendes Mitglied der SPD und des Aktionsbündnisses ATTAC, mahnte ein umfassendes Umdenken in der Gesellschaft an. Es gelte, die neoliberalen Positionen der zurückliegenden Jahrzehnte zu verlassen. Die Wirtschaft habe wieder den Menschen zu dienen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Das erfordere eine Rückkehr zu den sozialen Aspekten der Marktwirtschaft und eine Hinwendung zu einer ökologisch verfassten Wirtschaft. "Die Legitimation des Kapitalismus gegenüber dem untergegangenen System der osteuropäischen Staaten bestand darin, dass er trotz aller Probleme die materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen besser befriedigen konnte, und dass für die meisten Menschen klar war: Diese Form der Demokratie bringt ein hohes Maß an Gerechtigkeit", so Strasser.In dem Maße, wie diese Werte vernachlässigt wurden, sei auch die Akzeptanz gegenüber der Demokratie gesunken.


Was ist heute Fortschritt?

Die Begriffe "Fortschritt" und "Reformen" seien für die Menschen gleichbedeutend mit "Es wird schwieriger und härter" geworden. Der Marktradikalismus habe sich als eine totalitäre Wirtschaftsform erwiesen, die nunmehr als gescheitert betrachtet werden könne." Wir müssen den Fortschrittsbegriff neu bestimmen", sagte Strasser. Es gehe nicht mehr um Wachstum um jeden Preis, da auf diesem Weg die wirklichen Bedürfnisse der Menschen langfristig nicht befriedigt werden könnten. Fortschrittlich ist eine Gesellschaft mit einer Ökonomie, die die Welt nicht verwüstet, die Arbeits- und Einkommensverhältnisse bietet, die das Leben der Menschen planbar und lebenswert machen", sagte Strasser unter dem Beifall der Diskussionsteilnehmer.


Wen sollen wir wählen?

Gegenstand der Diskussion war auch die Frage, welche Volksvertreter und Parteien im Superwahljahr die Stimme von Gewerkschafternbekommen sollten. "Seht Euch jeden Kandidaten, jede Kandidatin sehr genau an", sagte Strasser. "Wer nicht klar Position für die Interessen der einfachen Menschen bezieht, oder wer um den heißen Brei herumredet, den oder die solltet Ihr nicht wählen. Wer Reiche schonen und Ärmere zur Kasse bitten will, bekommt unsere Stimme nicht, ganz gleich, welcher Partei er oder sie angehört." Die SPD habe von ihren Wurzeln her auch heute noch großes Potenzial, Politik für die Bedürfnisse der Menschen zu machen. Politiker wie Otmar Schreiner bewiesen das, so Strasser.









Von: md

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