SRW metalfloat

Neues Jahr: Der Streik für einen Tarifvertrag geht weiter

10.01.2024 | Auch im neuen Jahr setzen sie ihren Streik mit großer Entschlossenheit und Kraft fort: Die rund 180 Beschäftigten von SRW metalfloat in Espenhain bei Leipzig wollen endlich einen Tarifvertrag. Für unter 2000 Euro netto im Monat recyclen sie Schrott - bei Kälte, Hitze und Lärm, in drei Schichten, mit Metallstaub in der Lunge. So geht das nicht weiter.

Sie machen weiter, bis der Tarifvertrag seht: Streikende bei SRW metalfloat in Espenhain. (Bild: IGM)

Die Feuertonnen vor der Werkseinfahrt fallen schon fast auseinander, nach bald neun Wochen Streik. Das Streikzelt dahinter ist in Schichten Tag und Nacht besetzt. Notfalls wollen sie auch bis Ostern weiterstreiken. Die Beschäftigten von SRW metalfloat in Espenhain bei Leipzig wollen endlich einen Tarifvertrag. Nicht nur wegen dem Geld (oft weniger als 2000 Euro im Monat): Sie wollen endlich wertschätzend und auf Augenhöhe behandelt werden.

Mittlerweile zeigt ihr Streik auch Wirkung: Die Lagerbestände an Metallen, die sie aus dem Schrott heraussortieren und recyclen, sind langsam leer. Das Stahlwerk Riesa hat bereits nachgefragt, wo die Lieferungen bleiben. Und auch das Aluminium, das sie an BMW, Porsche und VW liefern, geht zur Neige.

Doch nach wie vor weigert sich ihr Arbeitgeber zu verhandeln. SRW hat Wachleute mit Hunden angeheuert, die ums Werk herum patrouillieren, um den Streik zu stören. Das ärgert sie besonders: Ihr Arbeitgeber behandelt seine eigenen Beschäftigten wie kriminelle Randalierer. Immer wieder verstört die Geschäftsführung mit merkwürdigen und irreführenden Aussagen in der Öffentlichkeit.

Ein Tarifvertrag wäre auch gut für das Unternehmen. SRW findet kaum noch Leute. Viele sind in den letzten Jahren weggegangen. „Dabei braucht SRW hier wirklich Fachkräfte“, erklärt Michael Hecker, Verhandlungsführer der IG Metall Leipzig bei SRW, der von früh morgens bis spät abends im Streikzelt ist. „Das Unternehmen schneidet sich ins eigene Fleisch.“

Weniger als 2000 Euro im Monat

Die Geschäftsleitung will keinen Tarif. Dabei macht die Scholz-Gruppe, zu der SRW gehört, jährlich 1,6 Milliarden Euro Umsatz. Scholz wiederum gehört zum chinesischen Schrott-Konzern Chiho mit weltweit 200 Standorten und 225.000 Beschäftigten.

Die Beschäftigten bei SRW in Espenhain machen hunderte Millionen an Umsatz – bekommen jedoch nur 2000 Euro netto im Monat, aber nur, wenn sie auch Nachtschicht arbeiten. Viele haben sogar weniger als 2000 Euro. Sie fordern 8 Prozent mehr Geld, je 1500 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden in der Woche.

Vor allem wollen sie, dass der Arbeitgeber nicht mehr machen kann, was er will. „Wir haben uns jahrelang den Mund fusselig geredet – aber Du wirst einfach nicht gehört und auch noch für dumm verkauft“, ärgert sich Nico, der 2011 als Leiharbeiter hier angefangen hat und heute stellvertretender Schichtleiter und Mitglied des Betriebsrats ist. „Durch die IG Metall und unsere Forderung nach Tarifverhandlungen kommen wir nun endlich mal auf eine Diskussion auf Augenhöhe.“

Kaum Lohnerhöhung, immer wieder Verzicht

Lohnerhöhungen gab es in den vergangenen Jahren kaum. „Sie haben sie uns das ganze Jahr über immer erzählt, der Firma ginge es so schlecht und sie könnten uns nichts geben. Und bei der Weihnachtsfeier war es dann doch wieder das beste Jahr unserer Geschichte“, erzählt der gelernte Betriebsschlosser Mirco, der als Springer bei SRW alles macht: als Anlagenführer die Maschinen bedienen, Schrott per Hand sortieren, Stapler fahren.

Einmal hat SRW die Löhne mal etwas mehr erhöht – aber nur, weil die Löhne unter dem deutlich gestiegenen gesetzlichen Mindestlohn lagen.

Immer wieder haben sie verzichtet – etwa in der Finanzkrise 2010. Damals hieß es, dass sie das Geld danach wiederbekommen. Doch als sie nach der Krise den Betriebsleiter auf der Betriebsversammlung darauf ansprachen, wollte der sich daran nicht mehr erinnern.

Die Beschäftigten erinnern sich noch gut daran. Deshalb wollen sie den Tarifvertrag. Vor der Urabstimmung über ihren Streik Anfang November hatte der Arbeitgeber ihnen eine Lohnerhöhung versprochen – 8 Prozent (allerdings über zwei Jahre). Aber sie lehnten ab. Sie wissen, dass der Arbeitgeber ihnen das Geld jederzeit wieder wegnehmen kann. Sie wollen endlich Sicherheit durch einen Tarifvertrag. Sie wollen auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln. Sie wollen endlich Wertschätzung, für all die Jahre.

Im Winter eiskalt, im Sommer brüllend heiß

Sie arbeiten hart. Das Material, das zu groß für die maschinelle Trennung durch Fliehkräfte und Magneten ist, muss von Hand sortiert werden, nach gut zwei Dutzend Metallsorten. Das Förderband läuft gnadenlos. Offiziell gibt es nur eine halbe Stunde Pause in der Schicht. Ein Kollege soll sich sogar schon mal in die Hose gemacht haben, weil keine Ablösung kam.

Es ist laut. Und die Hallen sind nicht isoliert. Drinnen ist es im Winter genauso kalt wie draußen. Und im Sommer wird es brüllheiß, vor allem in den Sortierkabinen aus Blech. Zwar hat SRW mittlerweile Klimageräte in die Sortierkabinen eingebaut, doch die bringen kaum etwas - genauso wenig wie die Heizplatten an der Decke: sinnlos.

Es gibt auch eine Sortierkabine draußen. Hier wird es im Sommer unter dem Blechdach besonders heiß. Und es gibt keine Heizplatten. Wenn es extrem kalt wird, stellt die Betriebsleitung Elektroheizkörper rein. „Aber da müssen wir dreimal nachfragen“, kritisiert Sortiererin Heike. Sie hat Energiewirtschaft studiert und in einem Kraftwerk gearbeitet. Doch das machte zu. Sie wurde arbeitslos – und nach einigen Umschulungen fing sie dann 2009 Jahren bei SRW an. „Es hat sich seitdem schon einiges verbessert, vor allem seit wir einen Betriebsrat gewählt haben“, berichtet Heike. „Früher mussten siebeneinhalb Stunden lang am Förderband stehen. Jetzt haben wir wenigstens Hocker.“

Laut, dreckig und giftig

Bei SRW ist es kalt, heiß, laut und dreckig. So einmal in der Woche gibt es Brandalarm, oft mit viel Rauch. Und überall liegt Metallstaub in der Luft, der in der Sonne glitzert und flimmert.

 „Es kann uns keiner sagen, was wir einatmen – und wie das alles miteinander reagiert: Blei, Kupfer-Grünspan, Alu, Oxide, ätzend stinkende Autobatterien, Schrott aus der Müllverbrennung. Das ist alles extrem ungesund“, kritisiert Springer Tino, der schon 1995 hier angefangen hat. Eigentlich wollte er ja nur zwei Jahre bleiben. „Fast jeder hier kann spontan eine Handvoll ehemaliger Kolleginnen und Kollegen aufzählen, die früh gestorben sind - kurz nach ihrer Rente oder schon davor. Auch mein Onkel war ein halbes Jahr nach seiner Rente tot.“

Solidarität für den Streik

Eine Wand im Streikzelt hängt voll mit Solidaritätsgrüßen mit Infos zu Spenden von Metallerinnen und Metallern aus anderen Betrieben bundesweit. Und immer wieder kommen sie auch persönlich vorbei.  Und Politiker waren hier, Lars Klingbeil, Saskia Esken, die DGB-Vorsitzendende Yasmin Fahimi, der Ost-Beauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider.

Mittlerweile berichten auch die Medien bundesweit. Die BILD-Zeitung titelte: „Schrott-Streik gegen China-Bosse“.

Von: de/ms

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