Tarifrunde Stahl Ost

Warnstreik! Beschäftigte der Stahlindustrie kämpfen für ein faires Angebot

23.03.2021 | Rote Karte für das mickrige Angebot der Arbeitgeber in der ostdeutschen Stahlindustrie: In Eisenhüttenstadt haben am frühen Morgen des 23. März die Kolleginnen und Kollegen von ArcelorMittal und der auf dem Werkgelände angesiedelten Betriebe ihre Arbeit vorübergehend niedergelegt, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Für den Mittag hat die IG Metall die Beschäftigten der Brandenburger Elektrostahlwerke (BES) zum Warnstreik und zur Beteiligung am gemeinsamen Autokorso mit Betrieben der Metall- und Elektroindustrie in Brandenburg an der Havel aufgerufen.

Warnstreik! Die Beschäftigten von Arcelor Mittal und der Betriebe, die auf dem Werkgelände in Eisenhüttenstadt angesiedelt sind, haben die Arbeit für knapp zwei Stunden niedergelegt. Sie kämpfen für ein faires Angebot der Arbeitgeber in der Tarifrunde. Fotos (4): Volker Wartmann

Die Auszubildenden rücken zu Beginn des Warnstreiks geschlossen an ...

... "mauern" die Einfahrt zu Tor 1 zu.

Die Beschäftigten unterstützen die Forderungen der IG Metall.

Die Kollegen von B.E.S. fordern einen Flächentarifvertrag.

Coronakonform: Mit einem Autokorso durch Brandenburg an der Havel beteiligten sich die Kolleginnen und Kollegen von BES am Warnstreik. Fotos (2): Volker Wartmann

Mit Feuer für die Forderungen in der Stahl-Tarifrunde: die Kolleginnen und Kollegen von Ilsenburger Grobblech

Warnstreik der Beschäftigen von Ilsenburger im Autokinoformat – Fotos (2): IG Metall

Feuertonnen brannten. Sie sorgten vor allem in den frühen Morgenstunden für eine stimmungsvolle Atmosphäre rund um das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt. Stapler blockierten die Einfahrten der Tore zum Werkgelände von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt. Tor 1 des Stahlwerks hatte die Jugend symbolisch noch mit einer Mauer versperrt. Ihre Botschaft: „Während unseres Warnstreiks kommt hier heute keiner rein.“ Knapp zwei Stunden dauerte dieser erste coronakonforme Warnstreik der Beschäftigten in Eisenhüttenstadt, der einen dringenden Appell an die Arbeitgeber richtete, am Verhandlungstisch nachzulegen und gemeinsam mit den Beschäftigten Zukunft zu gestalten.

Dirk Vogeler, Betriebsratsvorsitzender von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt, erklärte: „Wir zeigen mit diesem Warnstreik, dass wir es auch in diesen schwierigen Zeiten schaffen, die Tore dicht zu machen. Aus gutem Grund: Denn selbst die Arbeitgeber sagen, dass die Auftragsbücher für Flachstahl so voll sind wie noch nie. Vor diesem Hintergrund ist unsere Forderung noch sehr bescheiden. Klar ist: In dieser Tarifrunde muss sich im Portemonnaie der Kolleginnen und Kollegen etwas bewegen. Wir wollen ein besseres Angebot.“

Das forderte auch Heiko Nühse, Betriebsratsvorsitzender bei der Vulkan Energiewirtschaft Oderbrücke (VEO), denn: „Das bisherige Angebot der Arbeitgeber ist eine Respektlosigkeit gegenüber uns Beschäftigten.“ Die Beschäftigten von VEO unterstützten den Warnstreik ebenso wie ihre Kolleginnen von Imperial Con-pro, ArcelorMittal Eisenhüttenstadt Recycling und von ArcelorMittal Eisenhüttenstadt Forschungs- und Qualitätszentrum.

In der zweiten Verhandlungsrunde hatten die Arbeitgeber zwar eine Art „Angebot“ auf den Tisch gelegt, das jedoch weder im Volumen ausreicht, noch eine akzeptable Laufzeit vorsieht. Die angebotenen Einmalzahlungen sind nicht tabellenwirksam und somit nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Das bisherige Angebot der Arbeitgeber ist so nicht annehmbar – trotz der schwierigen Situation und der unterschiedlichen Gemengelage in der Stahlindustrie“, erklärte Stephan Vetter, der für die Stahlbranche zuständige Gewerkschaftssekretär im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen, den Kolleginnen und Kollegen in Eisenhüttenstadt. „Wir wollen einen Zukunftstarifvertrag, der fair und sicher ist. Es geht uns um die Gestaltung von Zukunft und dazu braucht es zum einen mehr Geld, um die Kaufkraft in der Region zu stärken, und zum anderen sichere Beschäftigung für die Kolleginnen und Kollegen in den Stahlbetrieben.“

Holger Wachsmann, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostbrandenburg, war sehr zufrieden mit der Beteiligung an diesem ersten Warnstreik. „Die Teilnahme ist hervorragend“, sagte Wachsmann. „Ich hoffe, das Signal kommt bei den Arbeitgebern an und sie legen in der nächsten Verhandlungsrunde ein akzeptables Angebot vor. Sonst ist dies nicht der letzte Warnstreik.“

Holger Wachsmann nahm in seiner Rede während der Kundgebung auch die Situation der Dienstleister, die auf dem Werkgelände von ArcelorMittal ansässig sind, in den Blick. „Teilweise bestehen zwischen ArcelorMittal und Dienstleistern Lohnunterschiede von bis zu 50 Prozent bei vergleichbaren Tätigkeiten. Wenn Bereiche ausgegliedert werden, geht das auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Das Lohngefälle darf nicht so groß sein, wir wollen keine Zweiklassengesellschaft“, sagte Wachsmann.

Warnstreik per Fahrzeugkorso der BES-Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg an der Havel
Per Fahrzeugkorso trugen am Mittag die Beschäftigten von BES gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von ZF Getriebe und Heidelberger Druckmaschinen ihren Protest auf die Straße in Brandenburg an der Havel. Rund 125 Pkw und mehr als 100 Fahrräder sorgten für einige Verzögerungen auf den Straßen.

Allein die BES-Beschäftigten beteiligten sich mit rund 80 Autos, 50 Fahrrädern und insgesamt etwa 160 Kolleginnen und Kollegen an der Aktion. Sie kämpfen darum, dass Riva, der Konzern, zu dem BES gehört, in den Arbeitgeberverband eintritt, denn auf Dauer sind die Kolleginnen und Kollegen nicht damit zufrieden, nur einen Anerkennungstarifvertrag zu haben, sagte Thomas Albrecht, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und Metaller bei BES: „Anerkennungstarifverträge haben Erpressungspotenzial, weil der Arbeitgeber im Vergleich zu Flächentarifverträgen immer tarifliche Regelungen nachfordern kann.“

Wohin das letztlich führen kann, haben die Riva-Beschäftigten in Trier und Horath zu spüren bekommen. „Bei den dortigen Arbeitskämpfen im Sommer 2019 hat der Konzern sein wahres Gesicht gezeigt“, sagte Thomas Albrecht. Gegen solches Vorgehen hilft nur Geschlossenheit. Viele Kolleginnen und Kollegen haben sich seither bei BES in Brandenburg der IG Metall angeschlossen. „Jetzt kämpfen wir Seite an Seite mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben der Fläche für die Forderungen der IG Metall in der Tarifrunde“, so Thomas Albrecht.

Auch die Kolleginnen und Kollegen von Ilsenburger Grobblech unterstützten die Forderungen der IG Metall mit einem imposanten Warnstreik.

Forderungen der IG Metall in der Tarifrunde Stahl Ost und Verhandlungsstand
Die IG Metall fordert für die rund 8000 Beschäftigten in der deutschen Eisen- und Stahlindustrie ein Volumen von vier Prozent, das zur Stärkung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen sowie zur Finanzierung von Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung eingesetzt werden kann. Außerdem sollen die ausgelaufenen Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, zur Altersteilzeit und zu Werkverträgen verlängert werden. Diesen Forderungen haben die Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde bereits entsprochen. Ebenso haben sie signalisiert, einer Gesprächsverpflichtung zur Situation der dual Studierenden nachkommen, sowie Gespräche über einen Transformationstarifvertrag aufnehmen zu wollen, um unter anderem die Ausbildung von zukünftigen Fachkräften in der Stahlindustrie attraktiver zu machen.

Strittig ist das von der IG Metall geforderte Volumen von vier Prozent für Beschäftigungssicherung und/oder mehr Geld zur Stärkung der Kaufkraft. In der zweiten Verhandlung hatten die Arbeitgeber lediglich eine Coronaprämie von 350 Euro (bis zum 30. Juni 2021) sowie eine weitere Einmalzahlung von noch einmal 350 Euro (zum 1. Februar 2022) im Gepäck – bei einer Laufzeit von 17 Monaten bis zum 30. Juni 2022. IG Metall und Beschäftigte haben das Angebot abgelehnt. Birgit Dietze, Verhandlungsführerin der IG Metall und Bezirksleiterin in Berlin-Brandenburg-Sachsen, erklärte: „Ein erster Schritt ist zwar erkennbar, allerdings ist das Angebot insgesamt zu gering und die Laufzeit zu lang.“

Ab 23. März ruft die IG Metall die Beschäftigten auch in der ostdeutschen Stahlindustrie deshalb zu Warnstreiks auf. Bereits der erste Tag hat deutlich gezeigt, dass Kolleginnen und Kollegen geschlossen und entschlossen hinter den Forderungen der IG Metall stehen.

 

 

 

Von: tt

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