Halbleiter-Konferenz in Dresden

IG Metall- eine starke Gewerkschaft für Digital-Beschäftigte

05.03.2024 | Zu ihrer ersten bundesweiten Halbleiter-Konferenz lädt die IG Metall am 10. April nach Dresden ein. Mit dabei sein werden Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, Bezirksleiter Dirk Schulze, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sowie Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin, mit einer Video-Botschaft. Im Interview erläutern Stefan Ehly, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Dresden und Riesa, und Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, warum die IG Metall das Thema gute Arbeit in der Digitalwirtschaft mit so hoher Energie angeht.

Freuen sich auf die erste bundesweite Halbleiter-Konferenz der IG Metall: Stefan Ehly (links) und Jan Otto. (Bild: IGM)

Warum eine Halbleiter-Konferenz in Dresden?

Stefan Ehly: Wir stellen in Dresden und Sachsen mittlerweile das größte Halbleiter- und IT-Cluster Europas dar. Wenn wir vom Silicon Saxony reden, ist das keine Überhöhung, sondern das spiegelt die reale Entwicklung wider. In Dresden sind derzeit fünf Fertigungsanlagen für Halbleiter und Wafer angesiedelt. Neben dem als Teil von Siemens gegründeten ersten Infineon-Werk besitzen dort auch Firmen wie X-Fab, die Halbleiter-Tochter von Bosch, und GlobalFoundries aus den USA Fabriken. Wir siedeln hier die namhaften und bedeutenden Mikrochip-Hersteller weltweit an. Mit der Ansiedlung von TMSC beziehungsweise  ESMC haben wir den weltweit größten Chip-Produzenten hier in Dresden.

Warum sind mit Dresden und Berlin zwei Geschäftsstellen an der Organisation dieser Konferenz beteiligt?

Jan Otto: Das Thema ist größer als eine Geschäftsstelle. Mit der Zusammenarbeit der IG Metall Berlin und Dresden-Riesa sind wir ein starkes Beispiel für die gewachsene Zusammenarbeit. Gleichzeitig haben wenige Geschäftsstellen so viel Erfahrung im Organizing wie Berlin und auch nur wenige so viel „neue“ Industrie wie Dresden und Berlin. Deshalb gehen wir voran. Wir unterstützen uns gegenseitig. Und natürlich sind der IG Metall-Vorstand und die Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen mit dabei.

In Berlin wurde ASML organisiert und tarifiert. ASML hat in der Halbleiterindustrie eine sehr strategische Rolle. Warum?

Jan Otto: Bei ASML arbeiten derzeit mehr als 1.800 Beschäftigte. ASML ist ein wichtiger Forschungs- und Entwicklungs- sowie Produktionsstandort für Schlüsselkomponenten der Lithografiemaschinen. In so gut wie jedem elektronischen Gerät befinden sich Mikrochips, die es ohne die Lithografiemaschinen von ASML nicht geben würde. Chiphersteller nutzen die komplexen Maschinen zur Produktion von integrierten Schaltkreisen oder Computerchips und ASML entwickelt diese gemeinsam mit Partnern weiter. Unser Cluster in Berlin wächst derzeit. Beispielsweise bei ASML werden künftig bis zu 3.000 Beschäftigte erwartet. In der Digitalwirtschaft haben wir inzwischen in Berlin rund 140.000 Beschäftigte in Berlin. Wir sind als IG Metall die Gewerkschaft für die Halbleiter-Industrie, für die Digitalwirtschaft. Wir haben bei ASML bewiesen, einen Tarifvertrag oberhalb der klassischen Fläche der Metall- und Elektroindustrie abschließen zu können.

Am 10. April kommt auch Christiane Benner, die Erste Vorsitzende der IG Metall, nach Dresden. Was passiert denn auf der Halbleiter-Konferenz?

Stefan Ehly: Es geht darum, dass wir aufgrund der Dynamik in dieser Branche unsere Branchenarbeit auf ganz neue Füße stellen. Die IG Metall steckt viel Energie rein, um die Mitbestimmung zu stärken, die Mitbestimmung auszubauen und die Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Wir werden gemeinsam Akzente setzen, um noch durchsetzungsstärker zu werden und mitzureden. Wir bewegen uns auf europäischem und deutschem Level: Es geht hier um Fördermittel in zweistelligen Milliardenbeträgen. Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmer/-innen am Katzentisch sitzen. Wir gehören vorne mit an den Tisch. Die Beschäftigten, die die Wertschöpfung produzieren, müssen mitreden. Und das gelingt nur mit der IG Metall als starker Gewerkschaft im Rücken. Wir haben die Mittel, um die Lobbyarbeit zu leisten. Wir bauen jetzt ein Netzwerk auf. Wir bauen gemeinsam eine schlagkräftigte Branchenarbeit auf.

Jan Otto: Außer Christiane kommen auch der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer und Kai Wegner, der Regierende Bürgermeister von Berlin, wird mit einer Video-Botschaft dabei sein. Beide haben erkannt, dass das Thema Mikroelektronik, aber auch IT und Digitalwirtschaft entscheidend sind. Wir werden in diesen Branchen gute Tarifverträge installieren, die eine gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sichern.

Wie sieht denn die Halbleiterindustrie in Deutschland im weltweiten Vergleich aus?

Stefan Ehly: Ein entscheidender Teil der Chip-Produktion findet vor allem in Taiwan statt. Wir sind weit entfernt und es gibt dort geostrategische Turbulenzen. Es besteht eine große Gefahr, weil China Taiwan als sein Territorium sieht. Wenn China angreifen würde, würde die Weltwirtschaft stillstehen, weil insbesondere die immens wichtigen Leistungshalbleiter aus Taiwan kommen. Also müssten die Produktionskapazitäten von der Insel wegverlagert werden.

Was genau braucht denn die Halbleiterindustrie für ihre Ansiedlungen?

Stefan Ehly: Für die Halbleiterindustrie braucht es hohe Investitionen, gute infrastrukturelle Voraussetzungen und es braucht eine geopolitisch ruhige Lage. Politische Instabilität und die Gefahr autoritärer Regime sind Gift für Neuansiedlungen. Der Wasserverbrauch ist hoch: Die Chip-Industrie verbraucht in Dresden genauso viel Wasser wie die komplette Bevölkerung und die gesamte andere Industrie zusammen. Es gibt eine hohe Anforderung an die Energiesicherheit. Es braucht eine gute Anbindung über Autobahn, Schiene und mehr. Die Anfangskosten für die Ansiedlung einer Halbleiterindustrie sind so hoch, dass die Ansiedlungen dort stattfinden, wo es schon Kapazitäten gibt und wo die Infrastruktur schon geschaffen wurde. All das führt dazu, dass es einen selbstverstärkenden Effekt gibt und Dresden mit jeder Neuansiedelung immer attraktiver wird. Natürlich wächst auch die Forschung, Universitäten, weltweite Kooperationen. Diese Synergie-Effekte machen das Ganze noch attraktiver. Es gibt keinen Aufbau an Überkapazitäten, sondern der Bedarf an Mikrochips und Halbleitern ist weltweit so hoch, dass der Effekt sich gegenseitig verstärkt.

Die IG Metall ist schon länger in der Digital- und Halbleiterindustrie aktiv…

Stefan Ehly: Wir haben diese Werke in Dresden und in vielen anderen Teilen Deutschlands sind Halbleiter-Betriebe schon seit langer Zeit tarifiert. Beispielsweise bei Infineon und auch bei Bosch in Reutlingen gibt es seit vielen Jahren Tarifverträge der IG Metall. Das Beispiel ASML in Berlin haben wir schon genannt.

Jan Otto: Wir sind qua Satzung und faktisch als IG Metall zuständig für die Halbleiterindustrie. Denn wir vertreten nicht nur eine bestimmte Branche, sondern auch die Wertschöpfungskette am Ende. Es ist eine Unterkategorie der Metall- und Elektroindustrie. Diese Kategorisierung stammt von anerkannten Wirtschaftsverbänden. Also gibt es keine Zweifel daran.

Stefan Ehly: Im Kern produziert die Halbleiterindustrie in Dresden für die Automobilindustrie und so wird es auch bei dem neuen Unternehmen ESMC sein. Die machen Mikrocontroller der neuesten Generation für die Automobilindustrie. Es ist ein Joint-Venture verschiedener Dresdner Unternehmen wie Infineon, Bosch, NXP, die bei uns organisiert sind, und eben dem taiwanesischem Hersteller TSMC.

Jan Otto: Wir brauchen bei den Halbleitern und Mikrochips eine regionale Wertschöpfung, um nicht bei komplexen und gefährlichen geopolitischen Lagen abhängig zu sein. Natürlich werben wir auch für weitere Ansiedelungen in Dresden und Berlin. Deutschland ist ein guter Standort. Wir brauchen Top-Fachkräfte. Nach Berlin kommen sie, weil die Stadt die schönste Stadt der Welt ist. Nach Dresden kommen sie, weil es bereits die entsprechende Infrastruktur gibt, wie Stefan bereits beschrieben hat. Natürlich ist Dresden auch sehr schön!

Welche Themen werdet Ihr auf der Konferenz bearbeiten?

Jan Otto: Wir werden auf der Konferenz mit den Kolleginnen und Kollegen auch Themen wie die Ansprache im digitalen Raum beleuchten. Wir müssen analog zur Digitalwirtschaft schauen, ob es nicht einen neuen Ordnungsrahmen braucht, weil wir merken, dass wir in der Metall- und Elektroindustrie an Grenzen kommen. Es gibt einen IT-Rahmen-Tarifvertrag, der eine gute Grundlage bieten kann, aber weiterentwickelt werden muss. Aber es gibt eben in der Halbleiterindustrie auch Entgelte, die bei 100.000 Euro und mehr liegen. Das gleiche gilt für die Digitalwirtschaft.

Stefan Ehly: Ganz wichtig ist uns, dass wir die Beschäftigten und insbesondere die Betriebsräte der Branche effektiv miteinander vernetzen. Nur so können wir mit einer Stimme auf die Unternehmen, aber auch auf die Politik zugehen und klar machen: Spitzentechnologie brauch Spitzenleute - ohne uns geht nichts!

Das Interview führte Andrea Weingart.

Von: ms

Unsere Social Media Kanäle