Industriestandort Sachsen

IG Metall legt einen "4-Punkte-Plan" zur Sicherung des Industriestandorts Sachsen vor

11.06.2020 | Mit einem „4-Punkte-Plan“ fordern die Bezirksleitung und die Geschäftsstellen der IG Metall die Politik dazu auf, für die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Region zu sorgen.

Die IG Metall wendet sich mit einem "4-Punkte-Plan" an Politik und Öffentlichkeit, um Betriebe über wirtschaftlich schwierige Zeiten zu bringen und Kolleginnen und Kollegen (wie bei Schaudt Mikrosa in Leipzig/Bild) Beschäftigung zu sichern. Foto: Wolfgang Zeyen

Zentrale Voraussetzungen dafür sind eine stabile wirtschaftliche Entwicklung, ein starker industrieller Sektor und gute Arbeit für die Menschen in Sachsen.

Anlass für den „4-Punkte-Plan“ ist die Situation vieler Unternehmen in Sachsen. In der gegenwärtigen Corona-Krise verschärfen sich vor allem die Risiken für die beschäftigungsstarken Kernbranchen der Metall- und Elektroindustrie: In der Automobil- und Zulieferindustrie muss deutschlandweit mit einem Absatzrückgang von bis zu 25 Prozent allein 2020 gerechnet werden.

Allein in Sachsen sind so circa 8.000 Arbeitsplätze in dieser Branche bedroht. Mit weitreichenden Folgen für die ganze Region: Der industrielle Sektor war und ist in Sachsen Motor der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er muss besonders in der aktuellen, beispiellosen Krise gepflegt und erhalten werden. Das sächsische Automobilcluster gehört zu den führenden Automobilregionen Deutschlands und ist seit Jahren umsatzstärkste Branche in Sachsen. Fünf Fahrzeug- und Motorenwerke von Volkswagen, BMW und Porsche, rund 780 Zulieferer, Ausrüster und Dienstleister mit insgesamt rund 95.000 Beschäftigten – davon etwa 80 Prozent in der Zulieferindustrie – fertigen, liefern und entwickeln im Verbund mit Universitäten und Forschungseinrichtungen moderne Fahrzeuge auf Weltniveau.

Innovationskraft entsteht für die Autobranche durch die enge Vernetzung mit dem Maschinenbau. Der Maschinenbau ist in Sachsen konzentriert und realisiert mit etwa 360 Betrieben und rund 39.500 Beschäftigten ein rundes Fünftel der Industrieproduktion in Ostdeutschland. Damit zählt der Maschinenbau zu den wichtigsten sächsischen Industriebranchen und weist eine Exportquote von deutlich über 50 Prozent auf.

"Die IG Metall fordert jetzt eine Steuerung durch die sächsische Staatsregierung unter Beteiligung der Gewerkschaften", sagt Stefan Schaumburg, Bezirksleiter der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen. "Gefragt ist eine nachhaltige Industrie- und Beschäftigungspolitik, um ein zielloses Versickern von Milliarden öffentlicher Mittel zu vermeiden."

Neben einer Industrie-Holding für den sächsischen Industriestandort fordern Bezirksleitung und die sächsischen Geschäftsstellen der IG Metall die schnelle Umsetzung wichtiger im Koalitionsvertrag vereinbarter Eckpunkte, wie ein Sächsisches Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit, ein Hand-in-Hand-Gehen von Beschäftigungssicherung und ökologischer Transformation sowie eine Kampagne für „Gute Arbeit“ in Sachsen.

Gute Arbeit ist in den Betrieben gewährleistet, in denen starke Betriebsräte und Tarifbindung vorhanden ist. Aktuell ist Sachsen jedoch Schlusslicht bei der Mitbestimmung in Deutschland und hat die niedrigste Betriebsratsquote. Nur 33 Prozent der sächsischen Beschäftigten haben einen Betriebs- oder Personalrat gewählt, der ihre Rechte vertritt. Und auch um die Tarifbindung ist es im Freistaat nicht zum Besten bestellt.

„Die Bewältigung von Strukturumbrüchen wird nur gelingen, wenn unsere Betriebsräte eine aktive Industriepolitik mitgestalten“, so Stefan Schaumburg, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Auch die Angleichung der Arbeitszeit ist 30 Jahre nach der deutschen Einheit nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern kann ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung von Beschäftigung leisten.“

Im Namen aller in der IG Metall organisierten Beschäftigten in Sachsen fordert die IG Metall folgende 4 Punkte zur Krisenintervention noch in diesem Jahr:

  1. Branchen- und Unternehmenserhalt durch Liquiditätssicherung
    Sachsens industrielle Kerne mit ihren strukturpolitischen Wirkungen für die Regionen müssen gestärkt und ausgebaut werden. Deshalb muss umgehend die Einrichtung einer sächsischen Industrieholding beschlossen werden, um die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln für die Grundfinanzierung und Liquiditätssicherung von in die Krise geratenen branchenrelevanten Unternehmen zu gewährleisten. Die Holding hilft, gute Beschäftigung zu sichern und perspektivisch auszubauen, sie verhindert eine Branchenerosion sowie Abwanderung und Kompetenzabfluss in andere Regionen.
     
  2. Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit
    Die IG Metall fordert Dialoge aller Akteure auf Landesebene, um notwendige wirtschaftliche Weichenstellungen mit der Entwicklung industriepolitischer Leitbilder und Guter Arbeit zu verbinden. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Sächsische Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit muss aus Sicht der IG Metall zum zentralen Koordinierungsgremium zur Bewältigung der Krise und zur Gestaltung nachhaltiger Transformation in den sächsischen Kernbranchen ausgerichtet werden.
     
  3. „Gute Arbeit“-Kampagne in Sachsen
    Die IG Metall fordert eine landesweite Kampagne zur Stärkung der Mitbestimmungsstrukturen und der Tarifbindung in Sachsen. Denn die Corona-Pandemie hat erneut gezeigt: Mitbestimmte Unternehmen meistern schwierige Phasen erfolgreicher. Sachsen ist Schlusslicht bei der Mitbestimmung in Deutschland und hat die niedrigste Betriebsratsquote. Nur 33 Prozent der sächsischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Betriebsrat oder Personalrat gewählt, der ihre Rechte vertritt. Tarifautonomie und Mitbestimmung sind tragende Grundpfeiler unserer Demokratie. Ihr Schutz und Ausbau ist ebenso dringend geboten wie eine Abkehr der über viele Jahre in Sachsen propagierten Niedriglohnpolitik. Die IG Metall fordert die Staatsregierung zu einem deutlichen Bekenntnis zu Tarifverträgen auf.
     
  4. Sicherheit für Beschäftigung insbesondere in den sächsischen Kernbranchen und ökologische Transformation müssen Hand in Hand gehen
    Sächsische Kernbranchen wie der Maschinenbau, die Automobilindustrie, aber auch die Stahlindustrie und der Flugzeugbau sind transformationsbedingt und durch die gegenwärtige Corona-Krise in schwieriges Fahrwasser geraten. Der Erhalt der Beschäftigung und der Wertschöpfungsketten muss auch in Sachsen dauerhaft oberste Priorität haben. Die IG Metall ist überzeugt, dass langfristiger Klimaschutz nur mit einer erfolgreichen Energie- und Mobilitätswende gelingt.
    Die IG Metall fordert unter anderem den Ausbau der privaten und öffentlichen Ladeinfrastruktur. Außerdem muss ausgeschlossen werden, dass Unternehmen in Sachsen Investitionsförderung erhalten, wenn sie in der Krise Arbeitsplätze abgebaut haben, dies planen oder Betriebsänderungen oder -verlagerungen vornehmen.

Der „4-Punkte-Plan“ von Bezirksleitung und sächsischen Geschäftsstellen der IG Metall im Wortlaut

 

Von: kk-aw

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