Transformation in Berlin-Brandenburg

Industrie der Zukunft schaffen: CO2-neutral und mit Kreislaufwirtschaft

07.02.2023 | Berlin-Brandenburg hat beste Voraussetzungen der Referenzraum für CO2-neutrale Produktion und Wertschöpfung zu werden. Mit guter Arbeit und zukunftssicherer Produktion. Wie das gelingen kann, stellen Irene Schulz und Robert Drewnicki in einem gemeinsamen Beitrag dar. Irene Schulz ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und Bezirksleiterin Berlin-Brandenburg-Sachsen. Robert Drewnicki ist für das Berufsfortbildungswerk des DGB (bfw) Projektleiter im ReTraNetz Berlin-Brandenburg in Kooperation mit der IG Metall Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen.

Irene Schulz. (Bild: Alexander Paul Englert (IGM)

Robert Drewnicki (Bild: IGM)

Von Irene Schulz und Robert Drewnicki

Die Klimawende braucht viele Faktoren für ihr Gelingen. Einer davon ist eine gelungene Transformation der Industrie. Wer die Anforderungen der Klimawende und Industrie umfangreich und nachhaltig zusammenbringt, wird nicht nur eine nachhaltige, sondern auch eine zukunftssichere Industrie und damit einen entscheidenden Wachstumsfaktor und gute Arbeit schaffen. Zudem können wir gleichzeitig unabhängiger von Märkten und Lieferketten werden, die krisenanfällig und undemokratisch sind. Die „Mission nachhaltige Industrie in der Klimawende“ zu erfüllen bedarf es aber einer großen Anstrengung und Zusammenarbeit aller Akteure!

Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg hat beste Voraussetzungen, in dieser Transformation eine der führenden zukünftigen Industrieregionen Deutschlands und darüber hinaus zu werden. Wissenschaft, Forschung, Digitalisierungs- und Innovationswirtschaft, oftmals in Form hoch agiler StartUps treffen hier auf traditionelle und krisenbewährte industrielle Kerne. Zudem ist die Zukunft der Energiegewinnung in Brandenburg schon heute Realität – die Region kann sich aus erneuerbarer Energie versorgen, Tendenz steigend. Wichtig wird für die Zukunft der Industrie sein, dass all diese Faktoren miteinander verbunden und zu einer ganzheitlichen Wertschöpfungskette genutzt werden.

Diese Chance be- und ergreifend kann nach der De-Industrialisierung im Zuge der Nachwendezeit und den jahrzehntelangen Kämpfen zum Erhalt industrieller Strukturen zu einer Renaissance des Industriestandortes Berlin-Brandenburg führen.

Dabei will das im Sommer gestartete „Regionale Transformationsnetzwerk für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie Berlin-Brandenburg“ (kurz ReTraNetz BB) eine zentrale Rolle spielen. Denn im ReTraNetz BB arbeiten die Sozialpartner der Region – für die Arbeitnehmenden ist dies die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen – gemeinsam mit den Wirtschaftsförderungen beider Länder und der Wissenschaft eng zusammen. Eine einzigartige Konstellation über die Ländergrenzen hinweg, die eine abgestimmte, nach vorne orientierte Industriepolitik ermöglicht, in die beide Länder ihre industriellen Qualitäten optimal einbringen können

Noch ist nicht klar, ob beide Landesregierungen diese Chance ausreichend sehen. Aber bei einer klugen gemeinsamen Standortpolitik kann sich Berlin-Brandenburg auch mithilfe dieses neuen, länderübergreifenden Netzwerkes als Nukleus einer Re-Industrialisierung Ost-Deutschlands erweisen und gleichzeitig eine zentrale Vorreiterrolle in der Klima-, Mobilitäts- und Energiewende spielen. Ein Aspekt, der auch nach der Berlinwahl am 12.2.23 eine große Rolle für die sich dann bildende Landesregierung spielen sollte.

Aufgabe des ReTraNetzes BB ist es dabei, einen für die Region wichtigen – und durch die Teslaansiedlung an Bedeutung wachsenden - Wirtschaftszweig zu transformieren. Dabei geht es aber um weitaus mehr als die Zukunft von Automobilherstellern oder Zulieferern. Es geht um die Sicherung und den Aufbau einer modernen Mobilitäts- und Energieindustrie und damit um die Zukunft Berlin-Brandenburgs als zentraler Referenzraum CO2-neutraler Wertschöpfung.

In dieser Transformation spielt natürlich die Elektromobilität eine zentrale Rolle. Denn der CO2-Foodprint ist nur so gut wie seine Produktionskette. Es reicht nicht, dass ein Elektromobil CO2-neutral unterwegs ist – es muss auch klimaneutral hergestellt und am Ende wieder in seine Einzelteile zerlegt werden können. Anders gesagt: In Zukunft muss ein Elektromobil von der „Wiege bis zur Bahre“ klimaneutral sein. Und schon jetzt ist klar, dass nationale und europäische Gesetzgebung das in nicht ferner Zukunft vorschreiben werden. Hier liegt die Chance für unsere Region, Vorreiter zu werden, Wertschöpfung zu sichern und neue zu schaffen. Damit liefern wir zusätzlich einen wichtigen Baustein bei den Bestrebungen Europas, im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in der Wertschöpfung und Energieversorgung autarker und diversifizierter zu werden.

Dazu müssen wir die hervorragenden Kapazitäten aus Forschung und Wissenschaft nutzen, Digitalisierungs- und Innovationstreiber mit Wirtschaft vernetzen und ein gemeinsames Leitbild verfolgen, das möglichst viele Industriezweige einbindet. Für das ReTraNtz BB lautet das strategische Leitbild für die Mobilitätswirtschaft „CO2-neutrale Produktion und Mobilität“.

Und gerade die regionale Verbindung aus der mit Abstand größten deutschen Metropole Berlin und dem Flächenstaat Brandenburg haben das Potenzial, uns zu einem neuen industriellen Referenzraum zu machen. Vernetzte „smarte“ Mobilität, Autonomes Fahren zum Beispiel zur Erschließung ländlicher Regionen, Energieversorgung aus erneuerbarer Energie sind der Schlüssel dafür. Zukünftig könnte in Schwedt grüner Wasserstoff erzeugt werden, durch den in Eisenhüttenstadt grüner Stahl produziert wird, der dann wiederum als „grünes Blech“ in die Automobil- oder Schienenfahrzeugindustrie in und um Berlin geht.

Hinzu kommen die mit grüner Energie hergestellten Batterien, die spätere intelligente Second-Life-Nutzung für Speicherlösungen und das Recycling wertvoller Stoffe der Elektromobilität vom Blech, über den Armaturenkunststoff bis hin zu seltenen Erden in Batterien. Wer heute noch als Unternehmen von der Verbrennertechnologie abhängig ist, kann schon morgen in dieser neuen Wertschöpfungskette zum Beispiel für den Maschinenbau zur Batterieherstellung zuständig sein. Die Wertschöpfungspotenziale für eine nachhaltige Industrie sind in der Region riesig.

Als Gewerkschaftsseite im ReTraNetz stehen für uns als IG Metall natürlich vor allem die Arbeitnehmenden im Vordergrund der Transformation. Es geht um die Sicherung von Arbeit – es wird großenteils andere Arbeit, aber auch beim Ausstieg aus der Verbrennertechnologie wird es nicht weniger Arbeit sein. Im Gegenteil.

In Zeiten des Fachkräftemangels werden Umschulung und Qualifizierung des vorhandenen Personals dabei eine mindestens genauso große Rolle spielen wie zielgerichtete und im Umfang größere Ausbildung und teilweise auch – unter anderem eine überzeugende Willkommenskultur vorausgesetzt – Zuwanderung. Die meisten Unternehmen haben das schon heute erkannt und wollen sich mit uns gemeinsam auf diesen Weg machen. Unsere Aufgabe wird es auch sein, gemeinsam mit den Unternehmensleitungen die Belegschaften in die Transformation mitzunehmen und so den Standort zu sichern. In der Konkurrenz um die immer weniger werdenden Arbeitskräfte wird auch das nur mit tarifgebundener, mitbestimmter und zukunftssicherer Arbeit gehen.

Das ReTraNetz BB will als eins von deutschlandweit 27 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Transformationsprojekten diese Entwicklung anstoßen und erste Initiativen im Förderzeitraum bis 2025 auf den Weg bringen.

Um diesen Prozess effektiv zu implementieren, müssten die beiden Länder Berlin und Brandenburg drei zentrale Entscheidungen treffen:

  • Vereinbarung eines gemeinsamen Industrieleitbildes für den Bereich Mobilität, in dem eine CO2-neutrale Produktion und abgestimmte Politik für den Mobilitätssektor im Vordergrund stehen. Hierbei geht es um die Wertschöpfungskette Energie, Elektromobilität, Metallverarbeitung, und integrierte Mobilität.
  • Klare Positionierung als Region der Kreislaufwirtschaft im Fahrzeug- und Batteriebereich mit unter anderem Förderung des Aufbaus einer Batterie-Kreislaufwirtschaft inkl. Anlagenbau.
  • Unter Einbeziehung des ReTraNetzes Schaffung einer länder- und ministeriumsübergreifenden Steuerungsstruktur für den Gesamtprozess unter Einbeziehung der Ressorts Wirtschaft, Arbeit und Wissenschaft beider Länder und Leitung der beiden Länderchefs.

Diese drei Punkte sind essentiell, denn nachhaltig kann der Prozess nur sein, wenn die Politik beider Länder sich als Treiber versteht und möglichst schnell mit dem ReTraNetz eine Struktur schafft, die die Entwicklung der Hauptstadtregion zum Standort einer nachhaltigen und zukunftssicheren Mobilitäts- und Energieindustrie macht und diesen Prozess aktiv begleitet. Als IG Metall innerhalb des ReTraNetz-Konsortiums wollen wir diese industrielle Weichenstellung mittragen und damit nicht nur, aber auch industrielle Arbeitsplätz in der Region sichern und neue schaffen. Denn Industrie steht in der Regel nicht nur für gute Arbeit, sie macht uns gerade als Kreislaufwirtschaft angelegt auch unabhängiger und damit krisen- sowie zukunftssicherer.

Wenn Berlin und Brandenburg die Transformation jetzt wirtschaftlich und politisch abgestimmt nutzen, kann die Region ein nachhaltiger, unabhängiger Industriestandort mit internationaler Ausstrahlung und verlässlichem Wachstum werden. Wir werden als ReTraNetz BB dabei ein verlässlicher Partner sein!

 

Von: ms

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