Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie

Menschenkette, Warnstreik und Aktionen: 2240 Beschäftigte kämpfen für ihre Forderungen

03.03.2021 | Eine kilometerlange Menschenkette, Warnstreiks und Flugblattaktionen: 2240 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in Berlin, Brandenburg und Sachsen haben deutlich demonstriert, dass sie hinter den Aktionen ihrer IG Metall stehen und die Arbeitgeber unmissverständlich aufgefordert, den Stillstand am Verhandlungstisch endlich zu beenden.

Beschäftigte aus zwölf Berliner Betrieben bildeten eine kilometerlange Menschenkette durch Spandau. Fotos (6): Christian von Polentz/transitfoto.de

Metallerinnen und Metaller von Siemens Energy und Alstom in Görlitz traten gemeinsam in den Warnstreik, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Fotos (2): IG Metall

Warm-up bei Clarios in Zwickau: Die IG Metall informierte die Kolleginnen und Kollegen mit einer Flugblattaktion. Foto: IG Metall

Verzicht rettet keinen einzigen Arbeitsplatz! Die Belegschaft von Heidelberger Druck in Brandenburg an der Havel fordert Zukunftssicherung.

Warnstreik in der Pandemie: mit Maske, Abstand und Anstand!

Die Botschaft ist eindeutig: Arbeit auf alle verteilen. Das sichert auch Unternehmen auch die Fachkräfte von morgen. Fotos (3): Volker Wartmann

Allein in Berlin waren am Vormittag 1500 Beschäftigte aus zwölf Betrieben im Warnstreik. Kolleginnen und Kollegen von Siemens Gas and Power, Siemens Energy Global, Siemens Mobility, Siemens Mobility Nord, Osram, Fujitsu Technology Solutions, Rhenus AL, BSH Hausgeräte, der Siemens AG, dem Siemens Dynamowerk, Siemens Schaltwerk und dem BMW Werk bildeten – coronakonform mit Abstand und Anstand – eine kilometerlange Menschenkette durch den Berliner Bezirk Spandau. Sie setzten das Motto „Abstand, Maske, Arbeitskampf!“ vorbildlich um.
Die Menschen auf der Straße verlangen, dass die Arbeitgeber ihre Arbeit endlich wertschätzen. Dazu gehören auch gleiche Wochenarbeitszeiten in Ost und West, sprich 35 Wochenstunden für alle. Mit dem Tariflichen Angleichungsgeld, das die IG Metall für die Beschäftigten in Ostdeutschland fordert, sollen endlich erste Schritte in Richtung Angleichung gegangen werden.

Beschäftigte, die Vollgas geben, dürfen nicht leer ausgehen Und sie wollen teilhaben an den guten Ergebnissen, die viele Unternehmen trotz Pandemie einfahren. In den meisten Betrieben der anwesenden Beschäftigten brummt das Geschäft, auch weil sie in der Produktion und im Homeoffice alles für ihr Unternehmen gegeben haben – trotz Corona, Lockdown und Spagat zwischen Arbeit, Homeschooling und Familie. „Das BMW-Motorradwerk hat im vergangenen Jahr das zweitbeste Ergebnis seit seinem Bestehen eingefahren, weil hier alle Vollgas gegeben haben. Und dann wollen sie uns mit einer Nullrunde abspeisen. Nicht mit uns“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Markus Kapitzke.

„Die Tarifrunde hätte ja schon vor einem Jahr stattfinden sollen. Da haben die Unternehmen Rückstellungen für Entgelterhöhungen gebildet. Die haben sie sich letztes Jahr in die eigene Tasche gesteckt. Deshalb gibt es für uns keinen Grund, uns jetzt zurückzuhalten“, sagte Frank Droge, Betriebsratsvorsitzender der BSH Hausgeräte vor den Beschäftigten.

„Wir erwarten, dass die Arbeitgeber endlich ein Angebot vorlegen, das den Namen verdient. Die ersten beiden Tage der Warnstreiks zeigen, dass wir mit unseren Forderungen richtig liegen. Und klar ist, wir werden weiterkämpfen, bis wir einen ordentlichen Tarifabschluss erzielt haben“, betonte Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin.

Ein Video und eine Bildergalerie zur Menschenkette sowie weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der IG Metall Berlin.

Gemeinsamer Warnstreik von Siemens Energy und Alstom in Görlitz
Am Mittag haben mehr als 400 Beschäftigte von Siemens Energy und Alstom Görlitz bei einem gemeinsamen Warnstreik eine deutliche Botschaft an die Arbeitgeber geschickt. Sie forderten sie auf, an der Zukunftssicherung mitzuwirken und endlich ein Angebot vorzulegen, das den Namen verdient. Nach Ankündigungen des Managements, 150 Stellen in Görlitz zu streichen und das Ausbildungszentrum am Standort dicht zu machen, ist der Unmut der  Siemensianer besonders groß, vor allem  weil im Rahmen des gerade erst gewonnenen Kampfs um den Standort ein gemeinsamer Zukunftspakt unter anderem mit der Bundespolitik vereinbart wurde. Auch die Beschäftigten von Alstom, ehemals Bombardier, schauen nach der Übernahme durch den französischen Zughersteller ebenfalls gespannt in die Zukunft.  Die Forderung der IG Metall nach Zukunftstarifverträgen, die Innovation und Investition an den Standorten sichern sollen, treffen hier genau auf den Nerv der Zeit.

„Die IG Metall hat nicht so hart um die Standorte gekämpft, um jetzt einen stufenweisen Aderlass in Kauf zu nehmen“, sagte Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen. „Es ist beeindruckend, dass sich die Beschäftigten von Alstom und Siemens trotz Corona heute hier so zahlreich in Görlitz versammelt haben. Die IG Metall wird ganz genau hinschauen, was an den Standorten passiert. Die Metallerinnen und Metaller werden für ihre Interessen eintreten, dazu sind sie streikbereit. Wir werden auch in dieser Tarifrunde mit ihnen im Zweifel bis zum äußersten Mittel gehen.“

Eine Bildergalerie und weitere Informationen stellt die IG Metall Ostsachsen auf ihrer Internetseite zur Verfügung.

Flugblattaktion bei Clarios
Bei Clarios im sächsischen Zwickau beteiligten sich 140 Beschäftigte an einer Flugblattaktion der IG Metall vor dem Werktor. „Das war ein erstes Warm-up für das, was noch kommt“, erklärte Benjamin Zabel, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Zwickau. Acht Kolleginnen und Kollegen haben die Beschäftigten mit aktuellen Informationen rund um die Tarifrunde versorgt, sind mit ihnen ins Gespräch gekommen. Sie haben viel Zustimmung für Forderungen der IG Metall und jede Menge Unverständnis für die Verweigerungshaltung, die die Arbeitgeber am Verhandlungstisch an den Tag legen, erfahren.

Heidelberger Druck: "Verzicht rettet keinen einzigen Arbeitsplatz!"
In Brandenburg an der Havel legte am Mittag annähernd die gesamte Belegschaft von Heidelberger Druck in Brandenburg die Produktion vorübergehend still, um am Warnstreik mit Kundgebung vor dem Werktor teilzunehmen und so den Druck auf die Arbeitgeber in der laufenden Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie zu erhöhen. Zukunft- und Beschäftigungssicherung steht bei den Metallerinnen und Metallern von Heidelberger Druck ganz oben auf der Agenda. Aus gutem Grund. „Wir haben im Rahmen der Restrukturierung in den vergangenen Jahren erfahren, dass Verzicht und Entgeltverlust keinen einzigen Arbeitsplatz retten“, sagte Sven Hutengs, Betriebsratsvorsitzender.

„Nur wer qualifizierte Beschäftigte hält, kann bei kommenden Herausforderungen auf eine top Belegschaft mit hoher Motivation zurückgreifen“, erklärte Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Potsdam. „Deshalb brauchen wir jetzt gute Lösungen im Sinne der Menschen. Wenn es weniger Arbeit im Betrieb gibt, dann ist es – auch im Sinne des Unternehmens und dessen Zukunft – klüger, die verbliebene Arbeit heute auf alle zu verteilen und auf Entlassungen zu verzichten, sonst fehlen morgen die gut qualifizierten Fachkräfte.“ Stefanie Jahn erklärte, es sei ein Skandal, dass die Beschäftigten „allein die Zeche für die Krise zahlen sollen. Das werden wir nicht zulassen!“

Mehr Informationen und weitere Fotos gibt es auf der Homepage der IG Metall Potsdam.

Forderungen der IG Metall in der Tarifrunde
Die IG Metall fordert für die rund 290.000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin, Brandenburg und Sachsen ein Volumen von vier Prozent, das optional für eine Entgelterhöhung oder zur Beschäftigungssicherung eingesetzt werden kann, sowie einen tariflichen Rahmen für betriebliche Zukunftstarifverträge. Außerdem fordert die IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen ein Tarifliches Angleichungsgeld, um endlich erste Schritte in der Angleichung Ost voran zu kommen. Zudem soll die Verbesserung der Übernahme der Auszubildenden sowie die Einbeziehung der dual Studierenden in den Tarifvertrag geregelt werden.

Bislang haben die Arbeitgeber in drei Verhandlungsrunden nur eine Nullnummer „geboten“ und stellen Tarifstandards in Frage. „Die große Beteiligung an Warnstreiks und Aktionen der ersten Tage nach Ende der Friedenspflicht zeigt deutlich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen die Verweigerungshaltung ihrer Arbeitgeber nicht kampflos schlucken und engagiert für ihre Forderungen eintreten“, sagt Birgit Dietze, IG Metall-Bezirksleiterin und Verhandlungsführerin in Berlin, Brandenburg und Sachsen. „Die Arbeitgeberverbände bekommen jetzt die Quittung für den Stillstand am Verhandlungstisch.“

Programmhinweis: Birgit Dietze diskutiert im Deutschlandfunk
Dass Arbeitskampf auch in der Pandemie möglich ist, haben die Beschäftigten schon an den ersten Tagen nach Ende der Friedenspflicht bewiesen. Am Abend diskutiert Bezirksleiterin Birgit Dietze um 19.15 Uhr im Deutschlandfunk mit Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer METALL NRW, und Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik an der Hochschule Koblenz, zum Thema „Tarifverhandlungen: Arbeitskampf in der Corona-Pandemie".

 

Von: kk

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