Ausbildungsreport 2022

Neue DGB-Studie: Wie zufrieden sind junge Menschen mit ihrer Ausbildung?

01.09.2022 | Tischlerei, Maschinenbau, Textildesign oder vielleicht doch ein duales Studium? Welches Berufsziel streben junge Menschen nach Ende ihrer Schulzeit an? Die Antwort darauf fällt vielen Jugendlichen schwer, auch weil es um die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen nicht allzu gut bestellt ist, wie der neue Ausbildungsreport zeigt, den die DGB Jugend zum Start in das neue Ausbildungsjahr veröffentlicht hat. Schwerpunkt in diesem Jahr: Zugang zu Ausbildung und Berufsorientierung.

Mehr als sieben von zehn Auszubildenden geben der Berufsorientierung an ihren früheren allgemeinbildenden Schulen eine schlechte Note. Fast 73 Prozent der befragten jungen Menschen sagen, dass ihnen die Angebote „weniger“ oder „gar nicht“ geholfen haben, um eine Berufswahlentscheidung zu treffen.

Und je höher der Schulabschluss der Auszubildenden ist, umso schlechter bewerten sie die Berufsorientierung. Nur knapp ein Fünftel der Absolventinnen und Absolventen mit (Fach-)Abitur sagt, dass ihnen die Angebote geholfen haben, während fast die Hälfte der Auszubildenden ohne Schulabschluss (45,5 Prozent) der schulischen Berufsorientierung ein gutes Zeugnis ausstellt.

Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit haben, so der DGB-Ausbildungsreport 2022, nur knapp 29 Prozent gesucht. Und 40 Prozent derjenigen, die die Beratung in Anspruch genommen haben, sagen, dass diese ihnen bei der Konkretisierung ihrer Entscheidung „weniger“ oder „gar nicht“ geholfen habe.
„Diese Ergebnisse machen uns Sorgen – auch weil die Schülerinnen und Schüler immer öfter mit höheren Schulabschlüssen auf den Ausbildungsmarkt kommen“, so Kristof Becker, DGB Bundesjugendsekretär, bei der Vorstellung der Studie. Er fordert: „Die schulische Berufsorientierung muss deshalb in allen Schulformen gestärkt und die Zusammenarbeit mit den Jugendberufsagenturen muss ausgebaut werden. Passiert dies nicht, ist mit weiterhin hohen Vertragslösungsquoten unter Auszubildenden zu rechnen.“

Denn Berufsorientierung ist für die berufliche Laufbahn und einen gelingenden ersten Schritt in den neuen Lebensabschnitt der jungen Menschen enorm wichtig. Denn wer seine Optionen kennt und auf dieser Grundlage seine Berufswahl trifft, ist beim Bewerbungsgespräch besser vorbereitet und startet mit realistischen Vorstellungen von seinem späteren Beruf in die Ausbildung.

Ausbildungsqualität auf dem Prüfstand
Auf 80 Seiten informiert die Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) neben dem Schwerpunktthema zum Beispiel über die Ausbildungsqualität, Ausbildungszeiten und Überstunden oder über die Ausbildungsqualität. Außerdem gibt der Ausbildungsreport Auskunft darüber, wie zufrieden die jungen Menschen mit ihrer Berufswahl und ihrer gewählten Interessenvertretung im Betrieb sind.

Befragt wurden für die repräsentative DGB-Studie die Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet, die Auszubildenden selbst. In die Untersuchung flossen die Daten von 14.428 Auszubildenden aus den 25 meist frequentierten Ausbildungsberufen im dualen System ein. Aufgrund der Coronapandemie wurde der Befragungszeitraum für den aktuellen Ausbildungsreport ausgedehnt, er erstreckte sich von September 2020 bis Frühjahr 2022 und deckt somit die wesentliche Zeitspanne pandemiebedinger Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die berufliche Ausbildung ab.

Historischer Einbruch der Ausbildungszahlen
Fakt ist: Obwohl viele Branchen über einen enormen Fachkräftemangel klagen, wurde noch nie so wenig ausgebildet wie seit der Coronapandemie. Der Ausbildungsmarkt hat sich von diesem historischen Einbruch der Ausbildungszahlen noch nicht erholt. Weiterhin bleiben viele Ausbildungssuchende ohne Ausbildungsplatz. Die IG Metall Jugend fordert deshalb gemeinsam mit der gesamten im DGB organisierten Jugend eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie.

Fachkräftemangel hat viele Ursachen
Aber genauso wichtig wie eine ausreichende Anzahl an Ausbildungsplätzen gegen den Fachkräftemangel ist eine hohe Anzahl an Interessierten für den Ausbildungsberuf. Vor allem dort, wo Unternehmen über zu wenig Fachkräfte verfügen, sollten sie daran interessiert sein, dass ihre Auszubildenden als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Freundes- und Bekanntenkreis Werbung für ihren Beruf und ihren Betrieb machen. Aber fast jeder sechste Auszubildende würde die Ausbildung im eigenen Ausbildungsbetrieb nicht weiterempfehlen. Im Laufe der Zeit nimmt die Begeisterung dabei sogar noch ab. Während im ersten Ausbildungsjahr noch mehr als 70 Prozent eine Empfehlung abgeben, sind es im dritten Ausbildungsjahr nur noch etwas mehr als die Hälfte und im vierten Ausbildungsjahr sogar noch weniger (48,6 Prozent).

Ursachen für die mangelnde Begeisterung gibt es viele, wie der Ausbildungsreport nahelegt.
Ergebnisse:

  • Mehr als ein Drittel der Auszubildenden verfügt über keinen betrieblichen Ausbildungsplan und weiß so auch nicht, wie die Ausbildung ablaufen soll und was Lerninhalte sind. Dabei ist ein Ausbildungsplan sogar gesetzlich vorgeschrieben (§11 Abs. 1 Nr. 2 Berufsbildungsgesetz).
  • Elf Prozent der befragten Auszubildenden geben an, „häufig“ oder sogar „immer“ sogenannte ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen zu müssen. Kaffee kochen, ständiges Werkstattfegen oder Mittagessen für die Kolleginnen und Kollegen sind die Klassiker unter diesen unliebsamen Tätigkeiten, die Bestandteil der Ausbildung sind und auch dem Lernerfolg nicht dienen. Nach §14 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sind sie sogar verboten.
  • 11,6 Prozent der Auszubildenden gaben an, dass ihre Ausbilder*innen „selten“ oder sogar „nie“ am Ausbildungsplatz verfügbar sind. Das ist der höchste Wert seit 2008. Auch die Qualität der fachlichen Anleitung durch die Ausbilder*innen bewerten nicht alle Auszubildenden als gut, 13, 2 Prozent sagen, dass ihnen Arbeitsvorgänge „selten“ oder „nie“ zufriedenstellend erklärt werden.
  • Knapp ein Drittel der Auszubildenden (32,8 Prozent) muss regelmäßig Überstunden machen und arbeitet so durchschnittlich 3,6 Stunden pro Woche mehr. 11,6 Prozent bekommen für die geleisteten Überstunden weder einen Freizeitausgleich noch Geld.
  • Die durchschnittliche Vergütung über alle Ausbildungsjahre hinweg beträgt 881 Euro.. Gegenüber vorherigen Untersuchungen ist der Wert zwar gestiegen, dennoch liegt er immer noch mehr als 100 Euro unter dem Durchschnitt der tariflich festgelegten Ausbildungsvergütungen von 987 Euro. In Zeiten hoher Inflationsraten durch die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise sowie hohe Mietpreise ist eine Ausbildungsvergütung, die den Weg in ein eigenes Leben ermöglicht, besonders wichtig. Die Gewerkschaftsjugend im DGB fordert deshalb eine Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung um 130 Euro sowie Entlastungen und echte Unterstützung für junge Menschen in Form eines Energiepreisdeckels und einer Übergewinnsteuer.
  • 43,5 Prozent der Auszubildenden wissen selbst im letzten Ausbildungsjahr noch nicht, ob sie von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Die Tendenz ist gegenüber dem letzten Ausbildungsreport im Jahr 2020 deutlich gestiegen (plus 6,2 Prozent). Und viele Auszubildende mit Übernahmezusage haben zunächst nur eine kurzfristige Perspektive, denn 30 Prozent werden erst mal nur befristet eingestellt – zumeist für maximal ein Jahr.

„Wer Fachkräfte will, muss gute Ausbildungsbedingungen bieten“, sagt Kristof Becker. „Gerade in Branchen, die für einen rauen Umgangston und für Mängel in der Ausbildung bekannt sind, haben es die Arbeitgeber selbst in der Hand, neue Auszubildende zu finden.“

Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, ergänzte: „Wer an der Ausbildung spart, wird den Fachkräftemangel ernten. Bereits jetzt ist Schadensbegrenzung gefragt. Der Gesetzgeber muss tätig werden. Die Koalition hat sich auf eine Ausbildungsgarantie verpflichtet. Das heißt jede und jeder junge Mensch, der oder die eine Ausbildung machen möchte, soll dazu künftig die Möglichkeit haben. Wir setzen darauf, dass diese Garantie jetzt auch schnell ins Gesetzblatt kommt. DGB und DGB-Jugend fordern allerdings zusätzlich eine Umlagefinanzierung, damit für alle Unternehmen Anreize entstehen, endlich wieder mehr betriebliche Ausbildungsplätze bereitzustellen.“

Weitere Informationen zur DGB Jugend-Studie gibt es hier.

Von: kk

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