20.04.2022 | Die Renten steigen zum 1. Juli so stark wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Das Bundeskabinett hat die geplante Erhöhung am 13. April per Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. In Ostdeutschland bekommen Rentnerinnen und Rentner 6,12 Prozent mehr Geld, in Westdeutschland steigt die Rente um 5,35 Prozent. Eine Erhöhung, die „vor dem Hintergrund der aktuellen Inflation und Lebenshaltungskosten dringend benötigt wird“, sagt Iris Billich, IG Metall-Gewerkschaftssekretärin in Berlin-Brandenburg-Sachsen.
Durch die unterschiedlichen prozentualen Erhöhungen in Ost und West gleicht sich das Rentenniveau in Deutschland immer mehr an. Mit der geplanten Steigung zum 1. Juli 2022 beträgt der Rentenwert Ost dann 98,6 Prozent des Westwerts. Mit den nächsten Rentenerhöhungen zum 1. Juli 2023 und ein Jahr später zum 1. Juli 2024 gibt es keine Unterschiede mehr beim Rentenwert in Deutschland. „Knapp 35 Jahre nach dem Mauerfall ist die Rentenangleichung 2024 endlich erreicht“, sagt Iris Billich, die im Bezirk für die Themen 55plus und Seniorenarbeit zuständig ist.
Iris Billich begrüßt die „größte Rentenerhöhung seit fast 40 Jahren“, betont aber auch, dass dies angesichts der derzeit explodierenden Energie- und Lebensmittelpreise „nur ein Tropfen auf den heißen Stein" sei. „Von der Inflation wird diese Erhöhung im Grunde sofort wieder aufgefressen“, sagt sie. „Und auch das von der Bundesregierung im März beschlossene Entlastungspaket, das Härten durch die steigenden Kosten für Heizung und Strom ausgleichen soll, berücksichtigt die Gruppe der Rentnerinnen und Rentner nicht.“
Altersarmut in Deutschland beende das Rentenpaket nicht. Viele Seniorinnen und Senioren müssten durch die Erhöhung im kommenden Jahr außerdem eine Steuererklärung abgeben, „weil sie dann mit dem steuerpflichtigen Teil ihrer Jahresbruttorente knapp über dem Grundfreibetrag liegen“, sagt Iris Billich. Der Grundfreibetrag liegt 2022 für Alleinstehende bei 10 347 Euro im Jahr, für Verheiratete gilt der doppelte Betrag.
Zuschlag auch auf Erwerbsminderungsrenten
Der Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett am 13. April beschlossen hat, sieht außerdem Veränderungen bei den Erwerbsminderungsrenten vor. Davon betroffen sind etwa drei Millionen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner. Sie haben von den gesetzlichen Rentenverbesserungen seit 2014 nicht oder nur teilweise profitiert. Diejenigen, die von 2001 bis 2018 in eine Erwerbsminderungsrente gingen, erhalten künftig einen Zuschlag auf ihre monatliche Rente. Bei der Höhe des Zuschlags wird zwischen zwei Gruppen unterschieden. Mehr Informationen dazu gibt es hier.
Bessere Rente mit Tarifvertrag
Auch die Kolleginnen und Kollegen selbst haben Einfluss auf ihre Rente. Vom ersten Ausbildungstag an sollten junge Menschen darauf achten, dass sie gut qualifiziert werden und nach Tarifvertrag arbeiten. „Für eine gute Rente zählt tatsächlich jeder Monat“, sagt Iris Billich. „Je mehr Entgeltpunkte die Kolleginnen und Kollegen im Laufe ihres Erwerbslebens sammeln, umso höher fällt am Ende die Rente aus und umso besser lässt sich davon leben.“
Wenn es keinen Tarifvertrag gibt, sollten sich die Beschäftigten unbedingt gewerkschaftlich organisieren, rät Billich. „Es lohnt sich, darum zu kämpfen. Und selbst wenn die Firma tarifgebunden ist, sollten die Kolleginnen und Kollegen sich organisieren, um jederzeit in der Lage zu sein, Angriffe auf den Tarifvertrag gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln abwehren zu können.“