Jugend in Bewegung – Interview

Verstärkung für die junge Generation im Bezirk

31.08.2022 | Ausbildungsstart, Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) oder die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie – auf die IG Metall Jugend in Berlin, Brandenburg und Sachsen warten im Herbst zahlreiche Baustellen. Jenny Pollow und Raimund Meß, die seit 1. Juli das Jugendteam im Bezirk verstärken, berichten im Interview, wie sie sich den Herausforderungen stellen, was sie für den Tarifauftakt im September planen und warum es gerade jetzt so wichtig ist, sich von Anfang an in der IG Metall zu organisieren.

Jenny Pollow und Raimund Meß verstärken die Jugend im IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen. Foto: Kathryn Kortmann

Herzlich willkommen, Jenny und Raimund, im Jugendteam des IG Metall-Bezirks. Ihr seid am 1. Juli gestartet …
Jenny: … und wie. Wir sind direkt ins kalte Wasser gesprungen. Unser erster Arbeitstag als Bezirkssekretär für Jugend und Bezirkssekretärin für Studierende fiel gleich auf den ersten Tag des bezirklichen Jugendcamps. Mehr als 100 Teilnehmende aus Berlin, Brandenburg und Sachsen trafen sich nach einer gefühlten Ewigkeit Zwangspause durch die Coronapandemie am Grillensee in Sachsen endlich in Präsenz wieder – und wir zwei Neulinge mittendrin. Das war eine großartige Erfahrung und eine gute Gelegenheit, gleich alle Aktiven – Ehren- und Hauptamtliche – kennenzulernen.

Raimund: Mehr Lokalkolorit auf einmal geht nicht. Klar mussten wir uns erstmal aufeinander einstellen und uns eingrooven in bestehende Strukturen. Aber das hat gut funktioniert. Und die Kreativität, den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl, das in der Bezirksjugend besteht, gleich an den ersten drei Tagen mitzubekommen, hat Mut gemacht für all das, was an Herausforderungen jetzt auf uns zukommt.

Das hört sich nach viel Arbeit an. Welche Aufgaben stehen konkret auf Eurem Zettel?
Raimund: Die Begrüßung der neuen Auszubildenden in den Betrieben in Kooperation mit den Geschäftsstellen vor Ort, die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie, die Vorbereitung der JAV-Wahlen, die vom 1. Oktober bis 30. November stattfinden, oder Anträge für die bundesweite Jugendkonferenz der IG Metall im Februar auf den Weg zu bringen: Das sind erstmal ganz konkrete Herausforderungen, die uns kurz- und mittelfristig einen zeitlichen Rahmen setzen. Daneben planen wir aber auch noch weitere Veranstaltungen, die noch nicht fix terminiert sind. Zum Beispiel Seminare und Workshops für Aktive und alle, die aktiv werden und mitgestalten wollen, oder Aktionstage. Gemeinsam mit den Jugendsekretärinnen und -sekretären in den Geschäftsstellen wollen wir außerdem die neuen Jugendvertreterinnen und -vertreter fit machen für die Arbeit, die vor ihnen liegt. Und das alles möglichst in Präsenz. Der Austausch im unmittelbaren vis-à-vis schafft mehr Bewegung und sorgt für viel mehr Spirit. Das alles will gut vorbereitet sein.

Jenny: Präsenz ist auch für die Studierendenarbeit ein ganz wichtiges Stichwort. Wir werden an den Hochschulen wieder sichtbarer sein und mit den Studierenden direkt vor Ort ins Gespräch kommen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Studierende einen hohen Bedarf an Informationen haben, es gleichzeitig für die Gewerkschaften aber auch schwieriger ist, Zugang zu ihnen zu finden.  Ganz oben auf meiner To-do-Liste stehen deshalb auch ganz spezielle Angebote zu den spezifischen Themen der Studierenden und Vernetzungsangebote.

Ein neues Ausbildungsjahr beginnt. Warum ist es für Berufsstarterinnen und Berufsstarter so wichtig, gleich von Anfang in der Gewerkschaft mitzumachen?
Raimund: Wer sich der IG Metall gleich zu Ausbildungsbeginn anschließt, hat sofort einen starken Partner an seiner Seite. Das ist nicht nur so dahergesagt, das habe ich selbst erlebt, als die IG Metall erfolgreich für mich um zu wenig gezahlte Ausbildungsvergütung gegen meinen damaligen Ausbildungsbetrieb gekämpft hat. Die IG Metall sorgt nicht nur für mehr Gerechtigkeit im Arbeitsleben, sondern bietet neben persönlicher Beratung auch Rechtsschutz und maßgeschneiderte Seminare – und ganz besonders auch ein gegenseitiges Empowerment. Bedeutet: Die Neuen können gleich auf ein riesiges Netzwerk und die Erfahrungen vieler vieler Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zurückgreifen und müssen nicht alleine gegen Windmühlen kämpfen …

Jenny: … was in Zeiten von Pandemie, Krieg und Inflation von enormem Vorteil ist. Es gibt im Grunde keinen geeigneteren Zeitpunkt als gerade jetzt, sich einem so starken Kollektiv wie der IG Metall anzuschließen. Nur gemeinsam können wir diese Krise meistern und dafür kämpfen, dass niemand auf der Strecke bleibt und Beschäftigte und Auszubildende die steigenden Lebenshaltungskosten zahlen können.

Vor diesem Hintergrund ist die im Herbst beginnende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie von zentraler Bedeutung. Wie engagiert sich die Jugend im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen in der Tarifrunde, in der es – anders als sonst üblich – keine eigene Jugendforderung gibt?
Jenny: Auszubildende und (dual) Studierende sind keine Topverdiener. Die explodierenden Lebenshaltungskosten durch stark verteuerte Lebens- und sogar Grundnahrungsmittel sowie Energiepreise auf hohem Niveau treffen insbesondere die niedrigen Einkommen, zu denen unsere Azubis gehören, hart. Insofern sind die acht Prozent mehr Geld, die die IG Metall auch für die Ausbildungsvergütung fordert, durchaus eine Jugendforderung.

Raimund: Dafür werden wir uns im Bezirk stark machen und die Arbeitskämpfe, auf die wir uns allen Prognosen nach einstellen müssen, mit kreativen Aktionen aus dem Jugendlager unterstützen. Einen ersten Vorgeschmack darauf gibt es bereits beim Tarifauftakt des Bezirks am 10. September in Leipzig. Ohne zu viel vorwegzunehmen, verrate ich nur, dass „Märchen und Superhelden“ im Mittelpunkt unserer Jugendaktion stehen. Die Jugend fordert die Arbeitgeber kreativ – und nicht nur sprichwörtlich – auf, „Schluss mit den Märchen“ zu machen und ihre Superhelden – Beschäftigte und Auszubildende –, die die Unternehmen auch in Krisenzeiten am Laufen halten, angemessen zu bezahlen. Eine Ausbildung muss auch finanziell attraktiv sein. Angesichts des Fachkräftemangels, der heute schon überall spürbar ist, sollte das auch im Interesse der Arbeitgeber sein.

Allein durch eine bessere Ausbildungsvergütung ist der Fachkräftemangel vermutlich nicht zu bewältigen. Was muss sonst noch passieren, damit Industrie und Handwerk in Deutschland Zukunft haben?
Raimund: Der kontinuierliche Rückgang an Ausbildungsplätzen ist besorgniserregend. Die duale Ausbildung, wie sie in Deutschland üblich ist, ist der Garant für eine hohe Qualität der Produktion. Damit die Industrie und Handwerk in Deutschland Zukunft haben, setzen wir uns gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) politisch für eine umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie ein. Wer nicht ausbildet, sollte sich trotzdem an den Ausbildungskosten der ausbildendenden Unternehmen beteiligen. Fachkräfte brauchen schließlich alle, auch die Ausbildungsverweigerer. Dass sie sich an Fachkräften bedienen, die auf Kosten anderer ausgebildet wurden, ist nicht gerecht. Die umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie schafft Abhilfe und motiviert vielleicht auch, zukünftig selbst wieder mehr auszubilden.

Da habt Ihr Euch ja für Eure neuen Aufgabenfelder einiges vorgenommen!
Raimund: Stimmt, das sind einige dicke Bretter, die wir bohren wollen. Aber ganz ehrlich: Ich freu mich drauf, nach dem gelungenen Auftakt beim Aktivencamp umso mehr.
Jenny: Das Camp hat gezeigt: Wir sind nicht allein. Es gibt viele arbeitsfähige Strukturen. Darauf bauen wir auf und übernehmen gemeinsam mit den anderen haupt- und ehrenamtlich Aktiven Verantwortung für unsere Auszubildenden, jugendlichen Beschäftigten und (dual) Studierenden.  

Vorgestellt – die beiden  „Neuen im Team:
Jenny Pollow und Raimund Meß sind seit 1. Juli als Bezirkssekretärin für Studierende und Bezirkssekretär für Jugend und Ausbildung zuständig. Jenny, Industriekauffrau und Diplom-Wirtschaftsingenieurin, war vor ihrer hauptamtlichen Tätigkeit als Erschließungssekretärin im Tesla-Team der IG Metall Vertrauensfrau und Betriebsrätin bei Mercedes Benz in Ludwigsfelde. Raimund hat nach seiner Ausbildung als Gießereimechaniker sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik mit einem Master abgeschlossen. Bevor er 2019 hauptamtlich zur IG Metall gestoßen ist, hat er im Ortsjugendausschuss der IG Metall Suhl-Sonneberg mitgearbeitet. Zuletzt hat Raimund in der Vorstandsverwaltung der IG Metall in Frankfurt am Main für das Ressort Junge IG Metall gearbeitet und dort unter anderem die Berufsschultour betreut und die internationale Gewerkschaftsarbeit unterstützt.

 

Von: kk

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