20.10.2021 | Für drei Stunden standen die Maschinen im Zahnradwerk Pritzwalk am 19. Oktober still. Die Beschäftigten der Früh- und Spätschicht versammelten sich zu einem ihrem zweiten Warnstreik vor dem Werkstor. Sie fordern die Geschäftsleitung auf, mit der IG Metall über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Die hatte am 15. Oktober erklärt, dass sie nicht mit der IG Metall verhandelt, weil sie die Gewerkschaft nicht als Verhandlungspartner akzeptiert.
Mit ihrem zweiten Warnstreik innerhalb von vier Wochen machten die Beschäftigten unmissverständlich deutlich, dass sie nicht bereit sind, die fortwährende Blockadehaltung und Tatenlosigkeit ihres Arbeitgebers hinzunehmen.
„Wir bedauern es sehr, dass die Geschäftsführung jegliche Gesprächsbereitschaft verweigert, mit uns konstruktiv und zielführend über einen fairen Tarifvertrag für die Beschäftigten zu verhandeln", sagte Stefanie Jahn, Geschäftsführerin der IG Metall Oranienburg-Potsdam. „Die Geduld der Kolleginnen und Kollegen ist am Ende. Sie sind nicht bereit, sich noch länger hinhalten zu lassen. Sie wollen endlich auf Augenhöhe verhandeln.“
Die IG Metall hatte der Geschäftsführung beim bisher letzten Gespräch am 11. Oktober ein konkretes Angebot vorgelegt. „Besonnene Kompromisse sind die Grundlage unseres Angebots. Unser Vorschlag ist ein Haustarifvertrag, der die betriebliche Realität berücksichtigt und den Arbeitgeber nicht überfordert“, erklärte Stefanie Jahn. „Wir bewegen uns mit unseren Forderungen deutlich unter dem, was in der Metall- und Elektroindustrie in Brandenburg Maßstab ist. Unser Vorschlag bietet sowohl für die Beschäftigten als auch für den Arbeitgeber eine langfristige Planungssicherheit. Umso ärgerlicher ist es, dass die Geschäftsführung es ablehnt, weitere Gespräche mit uns zu führen. Das ist den Beschäftigten gegenüber mehr als respektlos.“
Die IG Metall fordert neben höheren Löhnen vor allem Einkommensgerechtigkeit. Das heißt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dafür braucht es ein transparentes und gerechtes Entgeltsystem, das es bisher im Zahnradwerk nicht gibt. „Wir schlagen vor, ein solches Entgeltsystem Mitte kommenden Jahres einzuführen. Das bietet auch der Geschäftsführung ausreichend Zeit für die Vorbereitung“, so Stefanie Jahn.
Am Vortag des Warnstreiks hatte die Geschäftsführung im Werk eilig noch eine „Mitarbeiterinformation“ ausgehängt, in der sie „die Auffassung teilt", „dass es an einigen Stellen Unklarheit über die richtige Eingruppierung von Mitarbeitern gibt“. Darüber wolle sie jetzt mit dem Betriebsrat reden.
„Wenn wir als Betriebsrat auf diesen Vorschlag der Geschäftsführung eingehen würden, würden wir den Auftrag der Kolleginnen und Kollegen torpedieren. Die meisten Beschäftigten hier im Zahnradwerk sind IG Metall-Mitglieder: Und diese haben ganz klar der IG Metall den Auftrag erteilt, mit dem Arbeitgeber zu verhandeln“, sagte Dennis Weidel, Betriebsratsvorsitzender im Zahnradwerk Pritzwalk. „Manche arbeiten hier bereits in der zweiten oder dritten Generation. Die Kolleginnen und Kollegen haben über Jahrzehnte die Erfahrung gemacht, dass hier keine vernünftige Lohnentwicklung stattgefunden hat." Die Leute seien erwartungsvoll, so Weidel: „Um endlich bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen, müssen wir jetzt mit Unterstützung der IG Metall weiter Druck machen.“
Michael Siemens, Mitglied der IG Metall-Verhandlungskommission, betonte, dass die Belegschaft kampfbereit sei. „Wenn die Geschäftsführung weiterhin keine Bereitschaft zeigt, mit der IG Metall zu verhandeln, behalten wir uns weitere Maßnahmen vor. Wir sind noch steigerungsfähig!“
Stefanie Jahn kündigte zu Abschluss des zweiten Warnstreiks an: „Wir laufen uns gerade warm. Die Kolleginnen und Kollegen stehen zusammen und erwarten eine angemessene Wertschätzung. Auf Dauer wird der Arbeitgeber sich den berechtigten Interessen der Belegschaft nicht verweigern können.“
Weitere Fotos vom zweiten Warnstreik im Zahnradwerk Pritzwalk sind auf der Homepage der IG Metall Oranienburg-Potsdam zu finden.