FAQ Wasserstoff

Wasserstoff – Schlüssel zur Klimaneutralität

04.11.2021 | Die IG Metall fordert von der künftigen Bundesregierung den Aufbau einer tragfähigen und nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur. Dafür haben sich Metallerinnen und Metaller aus Berlin, Brandenburg und Sachsen am 29. Oktober beim Fairwandel-Aktionstag der IG Metall im Berliner Regierungsviertel neben anderen Forderungen stark gemacht. Aus gutem Grund: Denn Wasserstoff spielt auf dem Weg zur Klimaneutralität eine entscheidende Rolle. Wie? Und wer soll den Zukunftsstoff produzieren? Oder: Wie wird das flüchtige Gas transportiert? Hier gibt es Antworten.

Foto: iStock.com/Petmal

Industrie, Mobilität, Strom- und Wärmeerzeugung – all das muss in etwas mehr als 20 Jahren komplett klimaneutral sein. Fossilen Energieträger wie Kohle, Öl oder Gas müssen verschwinden und durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Neben Wind und Sonne kommt Wasserstoff künftig eine entscheidende Bedeutung zu. Das erste Element des Periodensystems kommt insbesondere da zum Einsatz, wo es mit der Klimaneutralität knifflig wird.

Was Wasserstoff leisten kann und was nicht, wo er herkommt und wie er eingesetzt wird – hier gibt es Antworten auf häufig gestellte Fragen.

Wie kann Wasserstoff Öl oder Gas ersetzen?
Wasserstoff ist ein Energieträger. Diese Energie kann man durch eine Brennstoffzelle „freisetzen“. Das funktioniert so: Wasserstoff H wird mit Sauerstoff O zusammengebracht, die Elemente reagieren miteinander zu Wasser (H2O) – wobei Strom und Wärme entstehen.  Hiermit kann man Züge, Bagger, Flugzeuge und Lkw sowie Schiffe antreiben, heizen oder beides für Industrieprozesse einsetzten. Der Clou dabei: Während bei Kohle, Öl oder Gas am Ende der Reaktionsgleichung immer CO2 entsteht, ist es beim Wasserstoff eben nur Wasser. Tauscht man also die fossilen Energieträger gegen Wasserstoff, kann Industrie, Mobilität und Wärme klimaneutral werden.

Wo macht der Einsatz von Wasserstoff als erstes Sinn?
Die Frage lässt sich mit drei Worten beantworten: In der Stahlindustrie! Aber fangen wir von vorne an: Anwendungsmöglichkeiten für den Wasserstoff gibt es viele – nur der Zukunftsstoff ist momentan noch Mangelware. Während die Nachfrage bereits sehr groß ist, kommt das Angebot erst langsam in Schwung. Das Ergebnis: Der Preis ist hoch. Und das wird auch erstmal so bleiben. Unterm Strich bedeutet das: „Wir müssen als Gesellschaft viel Geld aufwenden“, sagt Matthias Deutsch, Programmleiter Wasserstoff bei der Denkfabrik Agora Energiewende, die die Bundesregierung berät. Er empfiehlt deshalb, dass wir Wasserstoff nur da nutzen, wo es keine anderen Alternativen gibt. Für Deutschland sind das: Stahl, Chemie und einige andere Industriebereiche. Beim Thema Schwerlast ließe sich schon darüber streiten, so Deutsch.

Wie kann man mit Wasserstoff grünen Stahl erzeugen?
Dass Klimaexperten den knappen Wasserstoff als erstes in die Stahlindustrie leiten wollen, hat einen Grund: Stahl ist für 30 Prozent der industriellen CO2-Emissionen verantwortlich. Damit sind wir der größte Hebel. Und dieser Hebel kann Richtung Klimaneutralität umgelegt werden. Technologisch ist das möglich. Statt im Hochofen und mit Kokskohle, wird Stahl dann in der Direktreduktionsanlage mit Hilfe von Wasserstoff erzeugt. Doch einen Haken hat die Sache bislang noch: Die entsprechenden Rahmenbedingungen muss die Politik erst schaffen. Die IG Metall fordert die Politikerinnen und Politiker der künftigen Bundesregierung nachdrücklich auf, für diese Rahmenbedingungen zu sorgen.

Drei Dinge benötigt die heimische Stahlindustrie von der Politik:

  • finanzielle Unterstützung für den Aufbau der neuen Anlagen;
  • finanzielle Unterstützung für die dann steigenden Betriebskosten. Denn mit Wasserstoff klimaneutral Stahl zu produzieren, ist deutlich teurer.
  • Infrastruktur, die die Versorgung der Stahlbetriebe mit Wasserstoff gewährleistet. Thyssenkrupp Steel Betriebsrat Nasikkol verdeutlicht, um welche Mengen es dabei geht:

Welche Rolle spielt Wasserstoff auf der Straße
Da Wasserstoff sehr knapp ist und in der EU ab 2035 alle neuzugelassenen Autos klimaneutral sein müssen, ist vorerst wohl nur das batterieelektrische Fahren eine realistische Option für den Individualverkehr. Dennoch gibt es Bereiche, in denen auch bei vier Rädern Wasserstoff sinnvoll sein kann: Hohe Leistung über einen längeren Zeitraum – das ist das, was für seinen Einsatz spricht. Auf den Straßen und in den Städten sind es hier dann vor allem Baufahrzeuge und Arbeitsmaschinen, für die Wasserstoff infrage kommt.

Georg Töpfer, Projektkoordinator Vorentwicklung beim Motorenhersteller Deutz, sieht bei Wasserstoff den Vorteil, dass die Dieselmotoren relativ unkompliziert auf den neuen Kraftstoff angepasst werden können. Kritisch hinterfragt er aber, ob es auch künftig noch Zulieferer gibt, die seinen Betrieb mit den nötigen Teilen versorgen. Töpfer und die Metallerinnen und Metaller bei Deutz gehen auch deshalb ihre Entwicklungsarbeit technologieoffen an: Biodiesel, Multikraftstoffe, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe. Sie beschäftigen sich mit allen und beraten ihre Kunden, welche Lösung die beste für die jeweiligen Anwendungsgebiete ist.

Wo kommt der Wasserstoff her?
Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum. Auf der Erde ist es vor allem in Verbindung mit Sauerstoff „O“ als Wasser (H2O) zu finden. Um reinen Wasserstoff also H beziehungsweise H2 zu bekommen, muss man Wasser unter Einsatz von Energie in H2 und O zerlegen. Das geschieht in einer Elektrolyse. Die notwendigen Elektrolyseanlagen stellen zum Beispiel Siemens oder Thyssenkrupp Industrial Solutions her. Wichtig bei der Elektrolyse ist aber: Die für die Zerlegung notwenige Energie sollte aus erneuerbaren Quellen stammen. Nur dann ist der Einsatz von Wasserstoff auch wirklich klimaneutral.

Produziert Deutschland genug Wasserstoff?
Nein. Bislang ist Wasserstoff in Deutschland nur in sehr geringen Mengen und zu hohen Preisen zu bekommen. Das liegt daran, dass die Produktion von Wasserstoff sehr energieintensiv ist. Es ist meist deutlich effizienter, den Strom direkt zu nutzen, statt ihn erst in Wasserstoff umzuwandeln und dann wieder aus diesem herauszuholen. Ein Elektroauto verbraucht so pro gefahrenen Kilometer unterm Strich deutlich weniger Strom, als ein Wasserstoffauto. Dennoch gibt es Gebiete, wo es klimaneutral ohne Wasserstoff nicht gehen wird: In der Stahlproduktion kann Wasserstoff als Reduktionsmittel Koks ersetzten und so den Stahl klimaneutral werden lassen und auch beim Fliegen ist die Stromversorgung per Batterie keine echte Alternative. 1,8 Millionen Tonnen Wasserstoff wird die Stahlindustrie jährlich brauchen, um klimaneutral produzieren zu können. Um den für die Wasserstoffproduktion nötige Strommenge zu produzieren, braucht es so circa 12 000 neue Windräder.

Wie soll der Wasserstoff transportiert werden?
Bei kurzen Distanzen können Pipelines die Lösung sein. Die Metallerinnen und Metaller vom Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa wollen beispielsweise Windturbinen in die Nordsee stellen, die direkt mit einer Elektrolyse kombiniert sind. Statt Strom per Kabel, kommt dann direkt Wasserstoff per Pipeline an die Küste und kann dort die Betriebe versorgen. Eine erste Pilotanlage steht schon vor Dänemark. Damit die Metallerinnen und Metaller auch am sogenannten Entenschnabel vor der deutschen Nordseeküste loslegen können, brauche es aber noch die politische Zusage, erklärt Betriebsrätin Maike Rübke. Bei größeren Entfernungen aber wird der Transport von Wasserstoff per Pipeline sehr teuer.
Auch das Frachtschiff kommt hier nicht in Frage. Der Wasserstofftransport wäre hier schon bei kürzeren Distanzen äußerst kostspielig. Eine Lösung kennen Metallerin Maren Jonczyk und ihre Kolleginnen und Kollegen von Thyssenkrupp Industrial Solutions, die Elektrolysen zur Wasserstoffgewinnung bauen: Mit einem Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC) oder kombiniert mit Stickstoff zu Ammoniak, wird der Wasserstoff verflüssigt und so leichter zu speichern und zu transportieren sein. Unterm Strich sinken dann die Kosten für den Transport per Schiff, aber auch bei langen Pipelinestrecken immens.
 
Antworten auf weitere Fragen gibt es hier.

Das fordert die IG Metall von der Politik
Die IG Metall trommelt schon seit geraumer Zeit bei der Politik für die Zukunftschancen, die im Wasserstoff stecken. „Um die Klimaneutralität zu schaffen, braucht es nicht De-Industrialisierung, sondern wir müssen die Zukunftsfelder besetzen“, erklärt Daniela Jansen, die für die IG Metall das Thema bei Politik und Unternehmen auf die Agenda setzt. Damit das gelingt, haben wir acht Forderungen aufgestellt:

  • Elektrolysekapazität auf 10 GW bis 2030 erhöhen,
  • Quoten für den Ausbau von grünem Wasserstoff festlegen und Ausbau heimischer Wasserstoffproduktion unterstützen,
  • Leitmärkte für den Wasserstoffhochlauf fördern,
  • erneuerbare Energien ausbauen,
  • Infrastrukturausbau von Leitungen und Netzen aufbauen,
  • Aus- und Weiterbildung nicht vergessen,
  • Beschäftigte an Innovationsprozessen beteiligen,
  • teurere Wasserstoffproduktion durch geeignete politische Instrumente schützen.

 

Von: igm-tt

Unsere Social Media Kanäle