28.06.2021 | Der Druck in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie hat Wirkung gezeigt: Der Weg für die Angleichung der Arbeitsbedingungen ist frei. Die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen und die Arbeitgeberverbände Berlin-Brandenburg (VME) und Sachsen (VSME) haben sich am Abend des 25. Juni in Leipzig in der dritten Verhandlungsrunde auf einen tariflichen Rahmen zur Angleichung geeinigt.
Im Mai hatten die IG Metall im Bezirk und die Arbeitgeberverbände den Pilotabschluss aus Nordrhein-Westfalen für die rund 290.000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg-Sachsen übernommen und zusätzlich eine Verhandlungsverpflichtung vereinbart, um bis zum 30. Juni einen tariflichen Rahmen für die mehr als 30 Jahre schwelende Frage der Angleichung Ost zu schaffen.
„Es hat sich gezeigt, dass unser Druck in der Tarifrunde erheblich gewirkt hat. Die Arbeitgeber haben verstanden, dass sie den Weg freimachen müssen für die Arbeitszeitangleichung Ost. Wir haben jetzt nach einer langen und harten Auseinandersetzung einen tariflichen Rahmen geschaffen, so dass Betriebe mit freiwilligen Betriebsvereinbarungen Stufenpläne zur 35-Stunden-Woche verhandeln können“, sagte Birgit Dietze, Verhandlungsführerin und Bezirksleiterin der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Die Arbeitgeber übernehmen damit ihre Verantwortung, um gleiche Arbeitsbedingungen in Ost und West möglich zu machen. Aus der Arbeitszeitmauer hatten wir in der Tarifrunde bereits mit einzelnen Lösungen Steine gebrochen. Jetzt ist die Statik dran.“
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, begrüßte die gefundene Lösung als einen notwendigen Schritt zur Angleichung der Arbeitszeiten in Ost und West: „Die Tarifvertragsparteien haben damit den Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für die soziale Einheit Deutschlands zu stellen. Wie jeder Tarifvertrag ist auch dieser ein Kompromiss unterschiedlicher Interessen. Wichtig für uns ist, dass die tarifliche Arbeitszeit als Kern tariflicher Materien nicht alleine den Betriebsparteien überlassen wird, sondern der Zustimmung der Tarifvertragsparteien bedarf."
Mit der tariflichen Vereinbarung wird eine Öffnungsklausel geschaffen. Obwohl der Manteltarifvertrag geschlossen bleibt, in dem die Arbeitszeit geregelt ist, können Belegschaften innerhalb des neuen tariflichen Rahmens mit der Geschäftsführung eine Betriebsvereinbarung verhandeln, die den Weg zur 35-Stunden-Woche ab 1. Januar 2022 freimacht. Dabei kann zunächst um eine Stunde abgesenkt oder aber auch der ganze Weg zur 35-Stunden-Woche festgelegt werden.
Der Tarifvertrag regelt auch Fragen einer Teilkostenkompensation. Sie muss zeitlich und der Höhe nach befristet sein. Es können ausgewählte tarifliche Bausteine, übertarifliche Leistungen, Produktivitäts- und Effizienzmaßnahmen oder übertarifliche Leistungen in Ansatz gebracht werden. „Maßgeblich ist jedoch, dass am Ende des Prozesses immer eine echte Angleichung – also eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich – steht“, sagte Birgit Dietze.
Wie Birgit Dietze bedankte sich auch Jörg Hofmann für die Kampfbereitschaft der Beschäftigten in den zurückliegenden Monaten. „Durch eindrucksvolle Warnstreiks haben die Kolleginnen und Kollegen es geschafft, dass die Mauer des Widerstands gegen eine Arbeitszeitangleichung durchbrochen werden konnte. Nun gilt es, Betrieb für Betrieb die gefundenen Regelungen zur Arbeitszeitangleichung umzusetzen. Wir gehen davon aus, dass auf Basis dieser Lösung auch in den übrigen Tarifgebieten Ostdeutschlands die Gespräche über die Arbeitszeitangleichung fortgesetzt werden.“
Schon im Mai hatten im IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen Volkswagen Sachsen, SAS in Meerane und ZF in Brandenburg an der Havel Stufenpläne zur 35-Stunden-Woche abgeschlossen. „Es werden jetzt Betriebsvereinbarungen in vielen weiteren Betrieben folgen. Einige stehen bereits in den Startlöchern, um zu verhandeln. Als Tarifvertragsparteien müssen wir den betrieblichen Lösungen jeweils zustimmen. Und wir werden uns im Januar 2023 zusammensetzen, um die Lage zu evaluieren und daraus Schlüsse für die Tariflandschaft abzuleiten“, erklärte Bezirksleiterin Birgit Dietze.
Die Tarifvereinbarung tritt am 1. Juli 2021 in Kraft und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende, erstmals am 31. Januar 2024 gekündigt werden.