05.05.2020 | Bei Mahle Filtersysteme in Wustermark läuft infolge der Corona-Krise so gut wie gar nichts mehr. Das Zulieferunternehmen ist von der Automobilindustrie abhängig – und die hat fast überall in Deutschland über Wochen stillgestanden. Fast alle der rund 150 Kolleginnen und Kollegen sind seit Anfang April in Kurzarbeit. Für den langjährigen Betriebsratsvorsitzenden David Schmidt ist die aktuelle Corona-Krise eine turbulente Zeit, wie er sie bisher „noch nie“ erlebt hat.
„Bei uns steht die Produktion seit Wochen still. Seit Anfang April sind nahezu alle Beschäftigten auf Kurzarbeit Null. Der Produktionsstopp in unserem Werk fand bereits Mitte März statt, bevor wir eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt hatten. Während der Zeit dieser zweiwöchigen Betriebsschließung haben wir versucht, die Verdienstausfälle für die Kolleginnen und Kollegen über den T-ZUG A und Arbeitszeitkonten abzufangen.
Der Betriebsrat hat es in zähen Verhandlungen mit der Geschäftsleitung geschafft, in dieser Krise eine für die Beschäftigten halbwegs verträgliche Betriebsvereinbarung abzuschließen. Bei Kurzarbeit Null bekommen Beschäftigte 350 Euro monatlich auf ihr Kurzarbeitergeld von 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kindern) des Nettoeinkommens obendrauf. Bei uns besteht die Schwierigkeit, dass Mahle neben seinen Werken in Baden-Württemberg insgesamt acht weitere Standorte in Deutschland hat, in denen die Betriebsräte unterschiedlich erfahren und aufgestellt sind. Die Kolleginnen und Kollegen bei Mahle in Baden-Württemberg sind über ihren Tarifvertrag in dieser Situation besser abgesichert. Für die Standorte außerhalb Baden-Württembergs sollte der Gesamtbetriebsrat eine einheitliche Lösung für alle Beschäftigten finden. Eine Lösung zu finden, mit der alle leben können, war wirklich nicht einfach.
Die Verhandlungen des geschäftsführenden Ausschusses des Gesamtbetriebsrats liefen über Videokonferenzen mit zuweilen rund 20 Teilnehmern ab. Das war teilweise sehr anstrengend und nervig. Man hat keinen direkten Kontakt zu den Gesprächspartnern, kann ihnen nicht in die Augen schauen und ihre Reaktionen nicht richtig sehen. Und wenn die Technik stottert, versteht man manches noch nicht mal richtig.
Wir vom Betriebsrat Mahle Wustermark treffen uns zu unseren Sitzungen noch immer physisch. Nicht alle Kollegen sind zuhause auf dem technischen Stand, problemlos an Videokonferenzen teilnehmen zu können. Um den gebotenen Mindestabstand einhalten zu können, haben wir unsere Sitzungen in den großen Konferenzraum unseres Betriebs verlegt.
Eigentlich hatte ich in den Wochen vor und nach Ostern Urlaub. Aber trotzdem war ich jeden Tag stundenlang am Telefon, um Fragen von besorgten und ratlosen Kolleginnen und Kollegen zu beantworten. Als Betriebsrat kann ich mein Telefon in einer solchen Situation ja nicht abschalten. Ich wurde häufig angerufen, weil die Personalstelle und die Vorgesetzten die Fragen der Kolleginnen und Kollegen oft nicht zu deren Zufriedenheit beantworten konnten. Richtiger Urlaub war das rückblickend für mich nicht.
So dynamische Prozesse und eine so turbulente Zeit wie in den vergangenen Wochen habe ich in meiner Zeit als Betriebsratsvorsitzender noch nie erlebt – und ich mache diesen Job bereits seit 17 Jahren. Absprachen, die wir vormittags mit Kunden getroffen hatten, waren am Nachmittag schon wieder über den Haufen geworfen. Wie beispielsweise im Fall BMW: Morgens sprechen wir noch über anstehende Lieferungen – abends sehe ich in der Tagesschau, dass BMW seine Produktion noch am gleichen Tag eingestellt hat. Planbarkeit ist in diesen Zeiten ein Fremdwort ...“