Ausbildungsreport 2023

Moderne Ausbildung? Ergebnisse des DGB-Ausbildungsreports 2023

30.08.2023 | Die Digitalisierung schreitet voran. Sie prägt und verändert den Alltag in der Freizeit und im Beruf. Spätestens seit die Lockdowns infolge der Coronapandemie die Auszubildenden ins Homeoffice oder Homeschooling gezwungen haben, sind digitale Lehr- und Lernmethoden auch in der Ausbildung angekommen. Wie gut bereitet die Ausbildung auf die Anforderungen der Digitalisierung vor? Der neue Ausbildungsreport mit Schwerpunkt „Moderne Ausbildung“, den die DGB Jugend am 30. August zum Start in das neue Ausbildungsjahr vorgestellt hat, gibt Antworten.

Die DGB Jugend hat für ihren 17. Ausbildungsreport Auszubildende aus dualen Ausbildungsberufen befragt, wie es um die technische Ausstattung in Betrieb und Berufsschule bestellt ist, ob die Ausbildung sie auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet und wie gut das Lehrpersonal für die neuen Herausforderungen qualifiziert ist?

Die Ergebnisse machen deutlich: Es besteht noch reichlich Luft nach oben. Nahezu jede und jeder Vierte (39,8 Prozent) sagt, dass der Ausbildungsbetrieb nur „selten“ oder „nie“ die benötigten technischen Geräte für eine digitale Ausbildung zur Verfügung stellt. Und annähernd ebenso viele Auszubildenden (39,0 Prozent) geben an, dass die Berufsschulen nur „ausreichend“ oder sogar „mangelhaft“ digital ausgestattet sind.

Auch den Lehrkräften an den Berufsschulen attestieren die Auszubildenden Nachholbedarf: Mehr als jede und jeder Vierte (25,7 Prozent) sagt, das Lehrpersonal sei allenfalls „ausreichend“ oder sogar nur „mangelhaft“ für den Umgang mit digitalen Medien qualifiziert.

Für die Anforderungen der Digitalisierung fühlt sich knapp ein Viertel (24,1 Prozent) der Auszubildenden im Betrieb nicht vorbereitet und vergibt dafür nur ein „ausreichend“ oder sogar „mangelhaft“.

Noch schlechter schneidet die Abstimmung zwischen Schule und Ausbildungsbetrieb in Sachen Digitalisierung ab. Die funktioniert nicht, sagen 36,7 Prozent und bewerten diese nur mit „ausreichend“ oder „mangelhaft“.

„Eine moderne Ausbildung? Vielerorts nur ein Traum!“, resümiert DGB Bundesjugendsekretär Kristof Becker. „Die bittere Realität: Viele Berufsschulen sind nicht zeitgemäß ausgestattet und viele Betriebe sind scheinbar zu geizig, ihre Auszubildenden angemessen und modern auszustatten. Das können wir uns nicht leisten, wir brauchen sofort massive Investitionen in die berufliche Bildung.“

Die IG Metall Jugend und die anderen im DGB organisierten Gewerkschaftsjugenden fordern eine deutliche Nachbesserung der digitalen Ausbildung:

  • Betriebe müssen ihren Auszubildenden alle technischen Geräte – zum Beispiel Laptops oder Tablets – zur Verfügung stellen, die sie für eine moderne Ausbildung benötigen. Dafür sollte die Lernmittelfreiheit nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG um digitale Endgeräte und Software erweitert werden.
  • Das Lehr-, Ausbildungs- und Prüfungspersonal muss ausreichend bezahlte Freistellungen für regelmäßige Fort- und Weiterbildungen erhalten, um eine moderne Ausbildung von Anfang bis Ende zu gewährleisten.

Denn nur wenn die duale Berufsausbildung mit modernsten Ausbildungsmitteln stattfindet, wird es auch in Zukunft genügend Fachkräfte in Deutschland geben, die die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich meistern.

Ausbildungsqualität auf dem Prüfstand
Auf 84 Seiten präsentiert die Studie des DGB neben dem Schwerpunktthema auch aktuelle Entwicklungen zur Ausbildungsqualität. Sie berichtet über Ausbildungszeiten, Überstunden, die Einhaltung des Jugendarbeitsschutzes oder wie häufig Auszubildende ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten müssen. Außerdem gibt die DGB-Studie Auskunft darüber, wie zufrieden die jungen Menschen mit ihrer Berufswahl und ihrer gewählten Interessenvertretung im Betrieb sind und benennt Probleme in der Berufsschule.

Befragt wurden für den repräsentativen Ausbildungsreport die Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet, die Auszubildenden selbst. In die Untersuchung sind die die Daten von 9855 Auszubildenden aus den 25 meistfrequentierten Ausbildungsberufen im dualen System eingeflossen. Der Befragungszeitraum erstreckte sich von September 2022 bis April 2023.

Fachkräftemangel ist bereits Fakt
In nahezu allen Branchen wird bereits jetzt deutlich, dass gut ausgebildete Fachkräfte fehlen. Dennoch ist es um die Ausbildungssituation in Deutschland weiter schlecht bestellt. Der aktuelle Berufsbildungsbericht, den der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) im Mai vorgelegt hat, belegt historische Rekordwerte, negative! Nur jeder fünfte Betrieb bildet überhaupt noch aus. Und gleichzeitig sind mehr als 2,6 Millionen junge Menschen zwischen 19 und 35 Jahren in Deutschland ohne Berufsabschluss. „Ein enormes Potenzial, das gehoben werden muss“, fordert Raimund Meß, Bezirksjugendsekretär in Berlin-Brandenburg-Sachsen. 

Dass Handlungsbedarf besteht, hat inzwischen auch die Bundesregierung eingesehen. Noch vor den Parlamentsferien hat sie ein Gesetz auf den Weg gebracht, das ab August 2024 eine Ausbildungsgarantie vorsieht und Bewerbenden in Regionen, in denen es weniger Angebote als Bewerbende gibt, einen Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz einräumt. „Das ist ein erster kleiner Schritt, mehr nicht“, sagt Raimund Meß, „da muss noch deutlich nachgebessert werden.“ Denn durch das neue Gesetz entsteht kein einziger betrieblicher Ausbildungsplatz. Der Anspruch wird nur auf außerbetriebliche Angebote angewendet. Außerdem kritisiert Meß, dass die geforderte bundesweite Ausbildungsumlage nicht eingeführt wurde. „Schließlich sind alle Betriebe an gut ausgebildeten Fachkräften interessiert, also müssen sich auch alle an der Qualifizierung beteiligen. Deshalb müssen wir das nun Bundesland für Bundesland durchsetzen.“ Dass das möglich ist, hat Bremen unlängst vorgemacht.

Weniger Fachkräfte – viele Ursachen
Ebenso wichtig wie eine ausreichende Anzahl an Ausbildungsplätzen gegen den Fachkräftemangel ist eine hohe Anzahl an Interessierten für den Ausbildungsberuf. Insbesondere dort, wo Unternehmen besonders laut über den Fachkräftemangel jammern, sollten sie daran interessiert sein, dass ihre Auszubildenden als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Werbung im Freundes- und Bekanntenkreis für ihren Beruf und eine Ausbildung in ihrem Betrieb machen.

Aber oft ist das Gegenteil der Fall. Jede/jeder sechste Auszubildende (16,9 Prozent) würde die Ausbildung im eigenen Ausbildungsbetrieb nicht weiterempfehlen. Und mit zunehmender Ausbildungsdauer sinkt die Begeisterung signifikant: Während im ersten Ausbildungsjahr noch zwei Drittel (66,9 Prozent) eine Empfehlung abgeben, sind es im letzten Ausbildungsjahr nur noch weniger als die Hälfte (47,6 Prozent). Damit zeichnet sich gegenüber dem Vorjahr eine zunehmend negative Tendenz ab.

Gründe für die nachlassende Begeisterung gibt es viele, wie der Ausbildungsreport 2023 nahelegt. Ergebnisse:

  • Knapp ein Drittel der Befragten (32,1 Prozent) muss regelmäßig Überstunden machen, durchschnittlich 3,6 Stunden pro Woche fallen zusätzlich an. Und 9,5 Prozent bekommen dafür keinen Ausgleich, weder Geld noch Freizeit. Damit verstoßen deren Arbeitgeber eindeutig gegen das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Das nämlich schreibt in § 11 Abs. 1 Nr. 8 ausdrücklich fest, dass „Vergütung oder Ausgleich von Überstunden“ verbindlich zu regeln ist.
  • Für 12,7 Prozent der Auszubildenden gehören ausbildungsfremde Tätigkeiten zum Alltag in der Ausbildung – ein Anstieg von fast 2 Prozent. Sie geben an, dass sie „immer“ oder „häufig“ solche Tätigkeiten erledigen müssen – obwohl diese nach § 14 Berufsbildungsgesetz sogar verboten sind.
  • Mehr als ein Drittel (33,6 Prozent) der Auszubildenden hat keinen betrieblichen Ausbildungsplan. Somit fehlt ihnen oft die Orientierung, wie ihre Ausbildung ablaufen soll und was Lerninhalte sind. Dabei ist dieser gesetzlich vorgeschrieben und ist Bestandteil des Ausbildungsvertrags.
  • Mehr als jede/jeder zehnte Auszubildende (10,9 Prozent) gibt an, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder „nie“ oder nur „selten“ am Ausbildungsplatz zur Verfügung stehen. Und 13,3 Prozent der Auszubildenden sagen, dass ihnen die Arbeitsvorgänge „nie“ oder nur „selten“ zufriedenstellend erklärt werden. In Zeiten, in denen die die Auszubildenden die hohe Inflation schon an der Supermarktkasse für Grundnahrungsmittel spüren, brauchen sie eine spürbare Entlastung ihres Portemonnaies. Die im DGB organisierten Gewerkschaftsjugenden fordern deshalb eine Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung um 130 Euro.
  • 42,3 Prozent der Auszubildenden wissen selbst im letzten Ausbildungsjahr noch nicht, ob sie von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Und: Von den Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr, die bereits wussten, dass sie nicht übernommen werden, hatten 39,5 Prozent keine konkrete berufliche Perspektive.

„Schlechte Ausbildungsqualität, unattraktive Ausbildungsvergütungen und unklare Übernahmeper­spektiven müssen endlich der Vergangenheit angehören. Außerdem muss sich die Berufsausbildung an die Verän­derungen anpassen, die sich zum Beispiel aus der zunehmenden Digitalisierung ergeben“, fordern DGB Jugendsekretär Kristof Becker und Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, im Vorwort des neuen Ausbildungsreports. Andernfalls drohe sich der Fachkräftemangel, den die Arbeitgeber schon heute „lautstark beklagten“ weiter zu verschärfen. Vor allem aber „bedroht diese Ent­wicklung die Zukunft junger Menschen. Denn ohne Berufs­abschluss sind sie deutlich häufiger mit Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung konfrontiert. Umso wichtiger ist es deshalb, die duale Berufsausbildung jetzt deutlich zu stärken.“

Positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit: betriebliche Mitbestimmung und Gewerkschaftsmitgliedschaft
Einmal mehr zeigt der Ausbildungsreport aber auch, wie wichtig betriebliche Mitbestimmung und Gewerkschaften für die Zufriedenheit der Auszubildenden sind:

  • Gibt es im Betrieb eine Interessenvertretung, wirkt sich das positiv auf die Zufriedenheit der Auszubildenden aus. Unter den befragten Auszubildenden mit Interessenvertretung ga­ben 76,8 Prozent an, mit ihrer Ausbildung »sehr zufrie­den« oder »zufrieden« zu sein. Bei den Auszubildenden in Betrieben ohne Interessenvertretung waren dies nur 62,2 Prozent.
  • Auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft wirkt sich positiv auf die persönliche Ausbildungszufriedenheit aus. 75,8 Prozent der Auszubildenden, die Mitglied einer Ge­werkschaft sind, geben an, mit ihrer Ausbildung »sehr zu­frieden« oder »zufrieden« zu sein. Unter den Auszubilden­den ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft sind es lediglich 69,9 Prozent.

Der Weg zu mehr Zufriedenheit ist ganz leicht: Mitglied in der IG Metall werden. Hier geht es direkt zu mehr Zufriedenheit!

 

 

 

 

Von: kk

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