Qualitätsreport duales Studium 2023

Viel Luft nach oben! Ergebnisse des DGB-Qualitätsreports duales Studium 2023

30.10.2023 | Das duale Studium hält offenbar in vielerlei Hinsicht nicht, was es verspricht. Seinem Anspruch, akademische und berufliche Ausbildung zu verbinden, wird es oft nicht gerecht. Das ist das Ergebnis eines aktuellen repräsentativen Qualitätsreports, den die Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) jüngst veröffentlicht hat. Verbesserungsbedarf für die rund 120.000 dual Studierenden hierzulande gibt es zum Beispiel bei den Ausbildungs- und Vertragsbedingungen oder in Sachen Vergütung und Übernahmechancen. Vielen dual Studierenden fehlt außerdem der gesetzliche Schutz des Berufsbildungsgesetzes (BBiG).

Das duale Studium erfreut sich großer – und zunehmender – Beliebtheit. 2022 gab es 120.517 dual Studierende in 1749 Studiengängen – 11,4 Prozent mehr als drei Jahre zuvor. Und auch die Zahl der beteiligten Unternehmen ist stark gestiegen, innerhalb des zurückliegenden Jahrzehnts um etwa ein Viertel. 2022 boten 56.852 Unternehmen ein duales Studium an, so dass inzwischen in fast einem Fünftel aller Bachelorstudiengänge in Deutschland dual studiert werden kann.

Befragung von 3516 dual Studierenden
Seinem Anspruch aber hinkt das duale Studium oft hinterher, wie die Zahlen des neuen DGB-Qualitätsreports zum dualen Studium offenbaren. Für die repräsentative Studie hatte das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Essen-Duisburg zwischen Mai und August 3516 dual Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet befragt und um ihre Bewertung gebeten.

Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht ernüchternd.

  • Die enge Verzahnung von Hochschule und Praxis – eigentlich die Besonderheit des dualen Studiums – bewerten 75 Prozent der Befragten nur als „befriedigend“ oder gar „ungenügend“. Mehr als 71 Prozent sagen, dass sie keine Abstimmung zwischen Hochschule und Betrieb wahrnehmen.
  • Ein Drittel der Befragten (32,7 Prozent) gibt an, dass die Vermittlung von Wissen im Betrieb „(überhaupt) nicht“ im Vordergrund steht. 41,8 Prozent fühlen sich durch das Ausbildungspersonal nicht (sehr) gut betreut und 21,1 Prozent sagen, dass sie keine Rückmeldungen zu Leistungen und Lernerfolgen bekommen.
  • Knapp ein Drittel der befragten dual Studierenden (32,9 Prozent) gibt an, keinen Ausbildungsplan zu haben – und 10,3 Prozent hatten keine Kenntnis darüber, ob ein solcher für sie gilt. Gibt es allerdings einen betrieblichen Ausbildungsplan, so wird dieser auch bei 86 Prozent der Befragten eingehalten.
  • Jeder und jede Fünfte dual Studierende (17,8 Prozent) erhält weniger als 935 Euro im Monat und kann den Lebensunterhalt nicht mit der Ausbildungsvergütung bestreiten. Mehr als jeder und jede Dritte (33,7 Prozent) hat Probleme damit. Eine Mindestvergütung im dualen Studium gibt es nicht.
  • Fast die Hälfte der dual Studierenden (46,4 Prozent) muss selbst für die notwendigen Ausbildungsmittel aufkommen.
  • Mehr als zwei Drittel der dual Studierenden (66,9 Prozent) sind mit Bindungsklauseln nach Abschluss ihres Studiums an ihr Unternehmen gebunden. Verlassen sie das Unternehmen vorzeitig, greift für fast die Hälfte der dual Studierenden (48,4 Prozent) eine Rückzahlungspflicht von Ausbildungskosten für eine Dauer von zwei bis sechs Jahren nach Studienende.
  • Mehr als 40 Prozent (41,8 Prozent) der dual Studierenden haben keine Übernahmevereinbarung. Für die Mehrheit der dual Studierenden (65,5 Prozent) ist die Übernahme nicht im Vertrag geregelt.
  • 80 Prozent der Befragten geben an, dass Betrieb und Hochschule an unterschiedlichen Orten liegen, 25 Prozent der dual Studierenden verfügen deshalb über zwei Wohnorte. Durch Pendeln, doppelte Haushaltsführung und zum Teil auch Studiengebühren entstehen erhebliche Mehrkosten, für die zwei Drittel der Befragten (66,2 Prozent) keinerlei Zuschüsse durch den Arbeitgeber erhalten.

Forderungen an Politik, Arbeitgeber und Hochschulen
Der DGB fordert Politik, Arbeitgeber und Hochschulen auf, die Lern- und Ausbildungsbedingungen im dualen Studium zu verbessern. „Wir fordern den Gesetzgeber auf, den Geltungsbereich des BBiG auf die Praxisphasen des dualen Studiums zu erweitern und Bindungsklauseln generell zu verbieten“, sagt Kristof Becker, DGB Bundesjugendsekretär. „Dual Studierende sind viel zu oft vom guten Willen ihres Arbeitgebers abhängig und haben nicht die gleichen Rechte wie die Auszubildenden einer klassischen Berufsausbildung. Während es für die Berufsausbildung einen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme der Lernmittel und auf eine Mindestausbildungsvergütung gibt, gilt beides für dual Studierende nicht. Der fehlende gesetzliche Schutz durch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) führt zu Mehrkosten im Studium und zur Einschränkung der freien Berufsausübung nach dem Studium.“

Mit guter Ausbildung gegen den Fachkräftemangel
Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, weist auch auf die Bedeutung einer guten Ausbildung im Zusammenhang mit dem von den Unternehmen oft beklagten Fachkräftemangel hin. „Wer qualifizierte Fachkräfte will, muss gute Ausbildungsbedingungen bieten – das gilt auch für das duale Studium“, fordert Elke Hannack. „Wenn ganze 75 Prozent der Befragten dual Studierenden die schlechte Verzahnung von Theorie und Praxis bemängeln, ist das ein eindeutiger Handlungsauftrag an den Gesetzgeber. Wir brauchen klare gesetzliche Vorgaben zur Höhe von Praxisanteilen und zur betrieblichen Qualitätssicherung. Auch die Hochschulen und Betriebe müssen deutlich mehr tun, um die Lerninhalte aufeinander abzustimmen. Sie müssen ihre Pflicht zur Qualitätssicherung ernst nehmen und regelmäßig überprüfen, ob Theorie und Praxis gut aufeinander abgestimmt sind. Qualität vor Quantität – dieses Motto muss auch für das duale Studium gelten.“

Von: kk

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