09.11.2022 | Rot statt grün war am Vormittag des 9. November die dominierende Farbe an der Volkswagen-Arena in Wolfsburg. Rund 4000 Metallerinnen und Metaller des Volkswagenkonzerns, darunter auch eine starke Delegation aus Zwickau, Chemnitz und Dresden, verwandelten die Spielstätte des traditionell in grün spielenden VfL Wolfsburg in eine rote IG Metall-Arena. Aus gutem Grund: Mit ihrer Aktion machten sie mächtig Druck auf ihren Arbeitgeber, der im Stadion mit der IG Metall zur zweiten Verhandlungsrunde in Sachen Haustarif antrat. (Vorerst) vergeblich: Auch die zweite Verhandlung endete nach 120 Minuten ohne Verständigung.
Früh am Morgen hatten sich die mehr als 120 Kolleginnen und Kollegen der sächsischen VW-Standorte mit Bussen auf den Weg nach Wolfsburg gemacht, um den Forderungen direkt am Verhandlungsort kräftig Nachdruck zu verleihen. „Wir erwarten in dieser zweiten Verhandlungsrunde einen deutlichen Schritt nach vorn“, sagte Jens Rothe, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Volkswagen Sachsen. „Die Kolleginnen und Kollegen haben besonders in den vergangenen zwei Jahren ein hohes Maß an Flexibilität bewiesen, auf die Belegschaft war immer Verlass. Deshalb ist es gerade vor dem Hintergrund der guten Unternehmenszahlen an der Zeit, dass die Beschäftigten ihren gerechten Anteil an dieser guten Entwicklung erhalten.“
Lautstark und auf zahlreichen Bannern haben die rund 4000 VW-Beschäftigten vor der Arena deutlich gemacht, wofür sie in dieser Tarifrunde kämpfen: für monatlich 8 Prozent mehr Geld, eine Verlängerung des Tarifvertrags zur Altersteilzeit, die Übernahme der Semesterbeiträge für alle dual Studierenden und für mehr freie Tage für Gewerkschaftsmitglieder. „Es ist kurz vor 12 und höchste Zeit, dass Volkswagen die Forderungen der Beschäftigten endlich ernstnimmt“, richtete Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, vor der Verhandlung ihre Erwartungshaltung an die Arbeitgeber. „Wir erwarten konkrete Antworten im Sinne eines Angebots. Leere Hände des Unternehmens in der Tarifverhandlung können keine Rechnungen begleichen.“
An einer Lösung innerhalb der Friedenspflicht, die für die VW-Beschäftigten am 30. November endet, scheint die VW-Geschäftsführung indes nicht interessiert zu sein. Nach gut zwei Stunden trennten sich die Tarifparteien – erneut ergebnislos. „Volkswagen kommt keinen Deut aus der Deckung. Trotz exzellenter Unternehmens- und Konzernzahlen lässt Volkswagen seine Beschäftigten, die wie alle Arbeitnehmer unter steigenden Lebenshaltungskosten real an Einkommen verlieren, im Stich und weigert sich, ein Angebot zu unterbreiten. Das Unternehmen war in der zweiten Verhandlungsrunde nicht bereit, über eine nachhaltige Entgeltentwicklung der Beschäftigten zu sprechen“, sagte Thorsten Gröger, IG Metall-Verhandlungsführer, nach der Zusammenkunft. Die weiteren Forderungen der IG Metall ließ das Unternehmen links liegen und zeigte sich nicht lösungsbereit.
„Spätestens mit diesem zweiten Verhandlungstag ist nun klar: Volkswagen will sich in Wahrheit gar nicht rühren und hat kein ehrliches Interesse daran, dass wir uns endlich gemeinsam vom Fleck bewegen. Wenn die Arbeitgeberseite am 22. November in Runde drei nicht endlich ernsthaft auf ein Ziel verhandeln will, müssen wir andere Saiten aufziehen", erklärte Daniela Cavallo nach der zweiten Verhandlungsrunde.
Erstmalig ist Volkswagen Sachsen nicht in der Flächentarifrunde der Metall- und Elektroindustrie dabei. Mit der Eingliederung in die Volkswagen AG werden die Arbeitsbedingungen der sächsischen Beschäftigten nun auch in Wolfsburg verhandelt. Die mehr als 340 Kilometer lange Strecke nach Wolfsburg scheuen die Beschäftigten aus Sachsen nicht, um sich für ihre Forderungen stark zu machen. Schließlich geht es um viel. „Die Einkommen der VW-Beschäftigten sorgen am Ende auch dafür, dass eine ganze Region profitiert – angefangen beim Bäcker bis hin zum Handwerker. Gute Tarifverträge sichern eine lebenswerte Region“, betonte Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau, und fügte hinzu: „Die Kolleginnen und Kollegen haben einen fairen Abschluss verdient. Deshalb erwarte ich, dass das Unternehmen sich seiner Verantwortung für seine Beschäftigten und die Region stellt und dazu beiträgt, die enorm gestiegenen Kosten aufzufangen."
Die dritte Verhandlungsrunde ist auf den 22. November terminiert. Dann haben die Arbeitgeber noch einmal die Chance, innerhalb der Friedenspflicht ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Arbeitskampfmaßnahmen zu verhindern. Dass die Kolleginnen und Kollegen bei VW Sachsen dazu bereit sind, haben sie am 9. November in Wolfsburg einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Aktuelle Informationen zur laufenden Haustarifrunde bei Volkswagen gibt es hier.