Betriebsrätekonferenz Ost

IG Metall kämpft für gezielte Strukturpolitik und Beschäftigungssicherung

03.09.2020 | Die Corona-Pandemie hat auch im Osten Deutschlands zu einem Konjunktureinbruch geführt. Der fällt allerdings, so sagen Wirtschaftsforscher, weniger stark aus als in Westdeutschland. Allerdings sind die Unternehmen in Ostdeutschland krisenanfälliger und weisen strukturelle Probleme auf. Mehr als 60 Betriebsräte aus Ostdeutschland haben sich im Rahmen der Betriebsrätekonferenz Ost am 2. September über Wege aus der Krise und die Transformation ausgetauscht, coronabedingt diesmal virtuell.

Es klingt nach einer guten Nachricht für die Betriebe und Beschäftigten von Eisenach bis Greifswald: Laut Zahlen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung steckt die ostdeutsche Industrie die Auswirkungen der Corona-Pandemie vergleichsweise gut weg. Anscheinend besser als die Unternehmen im Westen. Doch das ist nur eine Momentaufnahme. Langfristig kann die Corona-Krise besonders die ostdeutschen Betriebe doppelt hart treffen, denn ostdeutsche Betriebe weisen strukturelle Nachteile auf: 67,5 Prozent der Betriebe dort haben weniger als 500 Beschäftigte. Die Probleme sind vielfältig: Vielen kleinen und mittleren Betrieben fehlen oft die finanziellen Spielräume für notwendige Investitionen in die Zukunft und die erforderliche Qualifizierung der Beschäftigten. Zudem gibt es Liquiditätsengpässe, denn die Banken verleihen ihr Geld sehr restriktiv.

Transformation ist für ostdeutsche Betriebe eine besondere Herausforderung
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist Ostdeutschland noch immer viel zu oft nur „verlängerte Werkbank“.  Das bedeutet: Es gibt kaum Konzernzentralen in den sogenannten neuen Bundesländern. Und ein weiteres Manko verstärkt die Misere: In knapp der Hälfte der Betriebe im Osten gibt es gar keine Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, weil die in der Regel in den Zentralen angesiedelt sind.

Für Zukunftsaufgaben sind das aber wichtige Voraussetzungen. Denn die Transformation im Osten wird nur gelingen, wenn betriebliche und regionale Antworten auf Klimaschutz, Digitalisierung, demografische Entwicklung und neue Technologien gefunden werden und die Politik durch proaktive Strukturpolitik unterstützt, vor allem bei Braunkohle, dem Energieanlagenbau und den Automobilstandorten mit ihrer Zulieferindustrie.  

IG Metall treibt regionale Strukturpolitik voran
Für die IG Metall ist deshalb klar: Wir brauchen jetzt eine gezielte regionale Strukturpolitik. Hier sind die IG Metall und ihre Betriebsräte Treiber und Ideengeber in den Regionen. So hat beispielsweise der Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen im Juni einen „Vier-Punkte-Plan der IG Metall zur Sicherung des Industriestandorts Sachsen“ diskutiert und wichtige Vorschläge an die Politik formuliert. Das hat sich gelohnt: Vieles ist von der Landesregierung aufgegriffen worden.

Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, ging auf der virtuellen Betriebsrätekonferenz ostdeutscher Betriebe noch einmal auf den „Vier-Punkte-Plan“ des Bezirks ein: „Wichtig ist zum Beispiel die Konzeption einer sächsischen Industrieholding, um die nötige Liquidität für den Erhalt von Schlüsselbranchen und Unternehmen bereitzustellen. Auch wenn wir uns mehr Mut vom Land gewünscht hätten, als nur stille Beteiligungen.“

Lemb betonte außerdem, wie wichtig Mitbestimmung ist, um die Krisenfolgen abzumildern: „Nur mit starken Betriebsräten und einer starken IG Metall können Schutzdämme für Beschäftigte und Betriebe gebaut werden. Das haben die vergangenen Wochen eindrucksvoll bewiesen.“

Hilfspakete müssen zwingend Beschäftigung sichern
Generell ist die Liste der umgesetzten Hilfsmaßnahmen, die die IG Metall in der Corona-Krise angeregt hat, lang: Liquiditätshilfen und Darlehen für Kleinunternehmen, unbegrenzte Kredite, Steuerstundungen, Rettungsschirme bis zur möglichen Verstaatlichung großer Unternehmen und deutliche Erleichterung des Zugangs zu Kurzarbeit, höheres Kurzarbeitergeld und eine Verlängerung des Leistungsbezugs auch für Eltern. Doch das alleine reicht nicht. Wolfgang Lemb sagte: „Die vielen Milliarden an Hilfsgeldern für Unternehmen müssen an Bedingungen geknüpft werden – von Beschäftigungssicherung, Stärkung der Mitbestimmung, über Investitionslenkung und Innovationssteigerung – bis hin zur Begrenzung von Dividenden und Boni, die sich einige Aktionäre und Manager gönnen, als gäbe es keine Krise.“

Genau kontrollieren wird die IG Metall auch, wie die 600 Millionen Euro an Strukturhilfen, die Ostdeutschland nach der Einigung zum mehrjährigen Finanzrahmen nun von der EU bekommt, eingesetzt werden. Denn auch diese Mittel müssen jetzt mit einer wirkungsvollen Strukturpolitik sinnvoll in den Regionen eingesetzt werden. Dafür tritt die IG Metall ein.
Bedeutung des Sozialstaats in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs
Auch Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse nahm an der digitalen Betriebsrätekonferenz Ost teil. Er zeigte in seiner Rede auf, wie wichtig der Sozialstaat gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs ist „Angesichts von Globalisierung, digitaler Transformation und aktuell der Pandemiekrise wissen wir, wie notwendig es ist, den Sozialstaat zu erhalten und zu modernisieren. Solidarität und Sicherheit sind Schlüsselbegriffe und Schlüsselaufgaben einer demokratischen Politik, die überzeugende Antworten geben will auf das vielfache Krisenempfinden, auf die Veränderungsdramatik, auf die Ungerechtigkeitserfahrungen in der Gegenwart.“

Mehr Informationen zur Perspektive Ost gibt es hier.

 

Von: igm-kk

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